Corona + Ölpreissturz: Weniger Wachstum und mehr Inflation in Russland

Wachstumsprognosen für 2020 fast halbiert; Abwertung treibt Inflation

Wie beeinflusst die Virus-Pandemie und der Ölpreiskampf mit den Saudis die russische Wirtschaft? Unser Autor hat Daten und Stimmen zusammengetragen.

Die Verbreitung des Coronavirus wird das Wachstum der Weltwirtschaft erheblich bremsen. Der weltweite Einbruch der Aktienkurse zeigt das. Maßnahmen zum Schutz gegen das Virus stören den internationalen Handel und eingespielte Produktionsprozesse. Verbraucher und Unternehmen sind tief verunsichert. Das drückt die Nachfrage. Auch die Prognosen für das Wachstum der russischen Wirtschaft haben sich in den letzten beiden Wochen stark verschlechtert.

Russlands Wirtschaftswachstum wird zusätzlich durch den Einbruch der Ölpreise geschwächt werden. Nach dem Scheitern der Verhandlungen Russlands mit Saudi-Arabien über eine weitere Begrenzung der Ölförderung am 06. März beschleunigte sich der Rückgang der ohnehin sinkenden Ölpreise. Russland weigerte sich, seine  Förderung zu senken, um den Ölpreis zu stützen.

Einige Analysten haben seit Februar angesichts des Ölpreiseinbruchs und unter dem Eindruck der Verschärfung der Corona-Krise ihre Prognosen für das diesjährige Wachstum der russischen Wirtschaft bereits fast halbiert. Rechnungshof-Präsident Kudrin sprach letzte Woche sogar von einem „Null-Wachstum“ in diesem Jahr.

Wie schon oft zuvor brachte der Rückgang der Ölpreise auch den Kurs des Rubels unter Druck. Die russische Zentralbank gab am Freitag eine Presseerklärung zur Lage auf den Finanzmärkten und zu ihren Stabilisierungsmaßnahmen heraus. Darin äußerte sie sich auch zu den Aussichten für die Inflationsentwicklung in Russland nach der Abwertung des Rubels. Zumindest kurzfristig sei wegen der Abwertung mit mehr Inflation zu rechnen. Auf mittlere Sicht könnte nach Ansicht der Zentralbank jedoch das schwächere Wachstum den Preisanstieg dämpfen.

„Ölpreiskrieg“ nach gescheiterten Verhandlungen mit Saudi-Arabien

Am 06. März, einem Freitag, scheiterten die Verhandlungen zwischen Russland und der OPEC über eine Verlängerung des Abkommens zur Begrenzung der Ölproduktion. Russland war mit Forderungen Saudi-Arabiens nach weiteren Produktionsbegrenzungen nicht einverstanden. Saudi-Arabien eröffnete daraufhin den „Preiskrieg“ mit der Ankündigung, seine Förderung zu erhöhen und seine Ölpreise für wichtige Abnehmer zu senken.

Bei der Öffnung der Börsen am nächsten Montag brachen die Ölpreise um rund 30 Prozent ein. Viele Beobachter vermuten, dass Russland bewusst einen „Preiskrieg“ riskierte, um die Position der USA auf dem Ölmarkt zu schwächen. Die bisherigen Vereinbarungen zur Einschränkung der Förderung innerhalb der OPEC+ hatten es den USA erleichtert, zum weltweit größten Förderland zu werden (Anteile an Weltölförderung 2019: USA 19 Prozent; Saudi-Arabien 15 Prozent; Russland 13 Prozent). Von 2012 bis 2019 haben die USA ihre Ölförderung etwa verdoppelt.

IfW Kiel erwartet keinen langen „Preiskrieg“

Das Kiel Institut für Weltwirtschaft erwartet in seinem am Donnerstag veröffentlichten Frühjahrsgutachten jedoch, dass der Preiskrieg nur „von kurzer Dauer“ sein dürfte. Zur Begründung heißt es:

„Bei diesem Preisniveau (35 Dollar/Barrel) ist die Produktion in vielen Fördergebieten nicht mehr rentabel; insbesondere die Fracking-Aktivitäten in den Vereinigten Staaten dürften drastisch eingeschränkt werden, so wie es während der letzten Phase sehr niedriger Ölpreise im Jahr 2015 geschah. Dadurch könnte sich der Marktanteil der OPEC allmählich wieder erhöhen. Aber auch die Produktion in vielen OPEC-Ländern ist bei diesem Preisniveau nicht rentabel, und selbst Saudi-Arabien, das weltweit die geringsten Förderkosten verzeichnet, braucht erheblich höhere Preise (nach Schätzungen des IWF mehr als 80 Dollar pro Barrel), um Staatseinnahmen zu erzielen, die zum Budgetausgleich ausreichen. Daher rechnen wir damit, dass der Preiskrieg von kurzer Dauer sein und die Koordination der Fördermengen und der Preispolitik von OPEC und Russland bald erneuert wird.“ (Seite 11)

IfW: Ende 2020 kostet Brent schon wieder fast 60 Dollar

Einige Monate wird der Preiskrieg nach Einschätzung der Kieler Forscher aber wohl dauern. Auf Seite 10 liest man, „für die kommenden Monate“ sei mit einem „nur wenig steigenden Ölpreis“ zu rechnen. Erst mit zunehmender Normalisierung der Weltproduktion dürfte sich der Ölpreis wieder spürbar erhöhen.

In Zahlen geht das Institut von folgender Entwicklung aus: Im zweiten Quartal erreicht der Brent-Preis nur rund 40 Dollar/Barrel, im dritten Quartal springt er auf 48 Dollar und im vierten Quartal 2020 auf knapp 59 Dollar. Bis Ende 2021 soll er dann kaum weiter auf rund 61 Dollar steigen.

Auch der Rubel stürzte ab

BOFIT, das Forschungsinstitut der finnischen Zentralbank, analysierte am Freitag in seinem Wochenbericht die Konsequenzen des Ölpreiseinbruchs für die russische Wirtschaft. Zur Entwicklung des Urals-Ölpreises und des Rubel-Kurses veröffentlichte es auch eine Abbildung. Sie zeigt, dass sich seit dem Jahresbeginn mit dem Ölpreisrückgang um rund 50 Prozent auch der Rubel-Kurs stark abschwächte. Als der Urals-Ölpreis am 12. März unter 30 Dollar/Barrel sank (blaue Linie, linke Skala), stieg der Preis für einen US-Dollar auf gut 74 Rubel (rote Linie, rechte Skala). Gegenüber dem US-Dollar wertete der Rubel seit Jahresbeginn damit um rund 16 Prozent ab.

Der Ölpreis-Absturz drückte den Kurs des Rubel gegenüber dem US-Dollar

Quellen: Reuters; BOFIT (Bank of Finland): Oil price collapse drives down ruble and Russian stock markets; 13.03.2020

Rubel-Abwertung gleicht Rückgang der Dollar-Exporterlöse nur teilweise aus

Rechnet man den Dollar-Preis von russischem Öl in Rubel um, erhöht sich zwar durch die Abwertung des Rubels der Erlös der russischen Ölexporte in Rubel. Für einen Dollar erhält Russland jetzt mehr Rubel. Der Einbruch des Ölpreises in Dollar um rund die Hälfte seit Jahresbeginn wird durch die bisherige Rubelabwertung aber bei weitem nicht ausgeglichen. Auch in Rubel gerechnet sind die Erlöse russischer Öl- und Gasexporteure gesunken. Damit nehmen auch die Einnahmen im russischen Staatshaushalt aus dem Öl- und Gassektor ab.

Zentralbank: Abwertung wirkt kurzfristig preistreibend

Die Zentralbank veröffentlichte am letzten Freitag eine „Sondermeldung“ zur „Situation auf den Finanzmärkten und Stabilisierungsmaßnahmen“. In ihrem monatlichen Bericht zur Verbraucherpreisentwicklung nahm sie auch zu den Folgen der Rubel-Abwertung auf die Inflationsentwicklung Stellung. Sie betont, mit der Verbreitung des Coronavirus und dem Rückgang der Ölpreise habe es seit Anfang März eine „signifikante Veränderung der außenwirtschaftlichen Bedingungen“ gegeben.

Die Abwertung des Rubels durch diese Ereignisse sei ein wichtiger, aber nur kurzfristig inflationstreibend wirkender Faktor. Die Abwertung werde dazu führen, dass die Inflationsrate schneller als bisher prognostiziert vom niedrigen Niveau der letzten Monate zum Inflationsziel der Zentralbank (4 Prozent) zurückkehren werde.

Schwäche der Weltwirtschaft kann aber preisdämpfend wirken

Gleichzeitig erwartet die Zentralbank aber, dass von den Veränderungen der außenwirtschaftlichen Lage Wirkungen ausgehen können, die den Preisanstieg in Russland dämpfen könnten. Zu einem Rückgang der Inflationsrate könnten auf mittlere Sicht ein ausgeprägter Abschwung der Weltwirtschaft sowie eine Abschwächung der inländischen Nachfrage wegen der erhöhten Unsicherheit und einer festeren Geldpolitik beitragen.

Preissteigerung lag im Februar noch weit unter dem Inflationsziel

Eine am Freitag von BOFIT veröffentlichte Abbildung zur Entwicklung der Verbraucherpreise zeigt, dass die Inflationsrate im Vergleich zum Vorjahresmonat seit dem Frühjahr 2019 (nach dem Preisschub durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer am Jahresanfang 2019) deutlich gesunken ist. BOFIT nennt als Ursachen das schwache Wirtschaftswachstum und die Aufwertung des Rubels im Verlauf des letzten Jahres.

Der Anstieg der Verbraucherpreise blieb in Russland moderat
Veränderung der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr in Prozent;
Inflationsrate insgesamt; Nahrungsmittel, Sonstige Waren; Dienstleistungen

Quellen: Macrobond; BOFIT (Bank of Finland): Russian Inflation remained moderate; BOFIT Weekly, 13.03.2020

Im Februar 2020 waren die Verbraucherpreise insgesamt (schwarze Linie) nur noch 2,3 Prozent höher als vor einem Jahr (Januar 2020: + 2,4 Prozent). Unterdurchschnittlich stiegen dabei die Preise für Nahrungsmittel (blaue Linie; + 1,8 Prozent) und für „sonstige Waren“ (rote Linie; + 2,1 Prozent). Überdurchschnittlich verteuert haben sich Dienstleistungen.

Abwertung lässt Inflation steigen; Wachstumsflaute dämpft sie

Nach dem deutlichen Rückgang des Rubelkurses seit Anfang 2020 rechnet auch BOFIT damit, dass die Importpreise Russlands jetzt steigen und die Inflation in den nächsten Monaten beschleunigen.

Andererseits meint BOFIT, dass anhaltende Turbulenzen auf den Ölmärkten das Wachstum der russischen Wirtschaft weiter dämpfen könnten. Die Abschwächung des Wachstums könnte dann auch den Preisanstieg verringern. Die anhaltende Unsicherheit werde der Zentralbank das „Feineinstellung“ ihrer Geldpolitik erschweren.

Die beiden bis ins Jahr 2014 zurückreichenden BOFIT-Abbildungen zur Entwicklung der Ölpreise und der Inflation lassen auch erkennen, welche Folgen der letzte Crash der Ölpreise im Jahr 2014 für die Inflationsentwicklung in Russland hatte. Auch damals war der Ölpreiseinbruch von einem Kursverfall des Rubels begleitet. Vom Anstieg der Importpreise getrieben näherte sich der Anstieg  der Verbraucherpreise Anfang 2015 rund 17 Prozent.

Senkt auch die Zentralbank ihre Wachstumsprognose für 2020?

Die nächste Sitzung des Direktorenrates der Zentralbank ist am Freitag. Dann dürfte die Zentralbank auch eine Aktualisierung ihrer mittelfristigen Prognosen vorlegen. Im Anfang Februar veröffentlichten Basisszenario für 2020 ging sie von einem Rückgang des Urals-Ölpreises auf 55 Dollar/Barrel aus.

Den Anstieg der Verbraucherpreise veranschlagte die Zentralbank im Jahresdurchschnitt auf 3,0 bis 3,4 Prozent, deutlich weniger als 2019 (+ 4,5 Prozent). Ende 2020 sollte die Inflationsrate mit 3,5 bis 4,0 Prozent wieder weitgehend dem von der Zentralbank angestrebten Inflationsziel von 4 Prozent entsprechen.

In ihrer Pressemitteilung vom Freitag hat die Zentralbank schon zu erkennen gegeben, dass die Verbraucherpreise kurzfristig wohl schneller steigen werden als sie bisher erwartete. Einige Analysten halten es deswegen für möglich, dass die Zentralbank ihren Leitzins am 20. März von 6,0 auf 6,25 Prozent anheben wird. Die Mehrheit rechnet jedoch damit, so die Moscow Times, dass es keine Leitzinsänderung gibt.

Das in diesem Jahr erreichbare Wachstum des Bruttoinlandsprodukts schätzte die Zentralbank vor 6 Wochen auf 1,5 bis 2 Prozent. Etliche Analysten haben ihre Prognosen inzwischen deutlich unter 1,5 Prozent gesenkt.

Prognosen für Russlands Wachstum wurden seit Anfang März fast halbiert

Die seit Anfang März veröffentlichten Prognosen von Internationalen Wirtschaftsorganisationen und Banken für das Wachstum der russischen Wirtschaft wurden zunächst meist nur um 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte nach unten revidiert. Nachdem die OECD am 02. März ihre Prognose um 0,4 Prozentpunkte auf 1,2 Prozent zurückgenommen hatte, senkten auch Commerzbank, Helaba, DekaBank und Berenberg Bank ihre Erwartungen.

Nach dem „Schwarzen Montag“ am 09. März folgten in der letzten Woche weitere Abwärtsrevisionen. Am Mittwoch senkte das OPEC-Sekretariat in seinem monatlichen Ölmarktbericht seine Wachstumsprognose für Russland. In diesem Jahr erwartet es statt 1,5 Prozent nur noch 0,8 Prozent Wachstum.

Die Helaba senkte ihre Prognose in ihrem Wochenausblick am Freitag ebenfalls auf 0,8 Prozent. Zwei Wochen zuvor hatte sie noch mit 1,7 Prozent gerechnet. Noch skeptischer sieht die Commerzbank jetzt die Wachstumsaussichten Russlands. Nach einer Halbierung der Wachstumsrate von 1,3 Prozent im letzten Jahr auf 0,7 Prozent in diesem Jahr werde die Produktion im nächsten Jahr nur wenig stärker um 1,2 Prozent zunehmen.

Wachstumsprognosen 2019 bis 2021
Veränderung des realen Bruttoinlandsprodukts gegenüber dem Vorjahr in Prozent

   201920202021
Commerzbank, Frankfurt03/13/20201.30.71.2
Helaba, Frankfurt03/13/20201.30.81.7
Kiel Institut f?r Weltwirtschaft03/12/20201.311.5
IWH Halle03/12/20201.32.11.7
OPEC, Wien03/11/20201.10.8
FocusEconomics
Consensus Forecast
03/10/20201.31.82
ING Bank, Amsterdam03/09/20201.31.51.7
Berenberg Bank, Hamburg03/09/2020111.7
DekaBank, Frankfurt03/06/20201.31.61.9
OECD, Paris03/02/202011.21.3
Sberbank, Moskau03/01/20201.31.72.2
Higher School of Economics Umfrage02/29/20201.82
Reuters-Umfrage02/28/20201.9
Morgan Stanley02/25/20201.31.92.2
Vnesheconombank Institute02/14/20201.31.92.5
Economist Intelligence Unit02/12/20201.21.71.7
Russische Zentralbank,
Basisszenario
02/07/20201.3
Urals 64 $/b
1,5 bis 2,0
Urals 55 $/b
1,5 bis 2,5
Urals 50 $/b
Rosstat; erste Schätzung02/03/20201.3
Wirtschaftsministerium; Entwurf laut Interfax01/31/20201.4
Urals 63,8 $/b
1.9
Urals 57,7 $/b
3.1
Urals 56,0 $/b
IWF, New York01/20/20201.11.92
Weltbank, Washington01/08/20201.21.61.8

Nach dem Kieler Institut für Weltwirtschaft, das am 12. März seine neue Konjunkturprognose vorlegte, werden in dieser Woche weitere führende Forschungsinstitute ihre „Frühjahrsgutachten“ veröffentlichen. Das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) legt seine Prognosen für Mittel- und Osteuropa am Dienstag (17. März) vor. Am Donnerstag erscheint die neue Prognose des ifo Instituts.

IfW: Vor allem der starke Rückgang des Ölpreises belastet Russland

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft senkte seine Wachstumsprognose für Russland zwar auch. Es rechnet aber mit einer etwas günstigeren Entwicklung des Wachstums in Russland (+ 1,0 Prozent in 2020; + 1,5 Prozent in 2021) als die Commerzbank.

Als wichtigsten Belastungsfaktor für die russische Wirtschaft sieht das Institut den starken Rückgang des Ölpreises. Es beschreibt die aktuelle Konjunkturlage und die Perspektiven der russischen Wirtschaft so:

 „Die Konjunktur in Russland hat sich gegen Ende des vergangenen Jahres belebt, zu Beginn des Jahres 2020 aber offenbar wieder an Fahrt verloren. Vor allem die Industrieproduktion – und hier insbesondere der Bergbau – schwächte sich ab. Die Stimmungsindikatoren verschlechterten sich und die Arbeitslosigkeit stieg an.

In den vergangenen Wochen haben sich die Aussichten für die russische Konjunktur weiter eingetrübt. Vor allem der starke Rückgang des Ölpreises dürfte die Wirtschaft belasten, stellt sich damit doch die Frage nach der Finanzierbarkeit des ehrgeizigen Infrastrukturprogramms, dessen Umsetzung nun zeitlich gestreckt werden dürfte.

Zuletzt ist auch der Wechselkurs des Rubel stark unter Druck geraten, wodurch der Kostendruck von der Importseite steigen und die Inflation zunehmen wird.

Für das Jahr 2020 haben wir die Prognose für den Anstieg des Bruttoinlandsprodukts auf 1,0 Prozent reduziert; für das kommende Jahr erwarten wir bei der unterstellten Normalisierung der weltwirtschaftlichen Aktivität und wieder deutlich höheren Ölpreisen einen Zuwachs von 1,5 Prozent.“

IfW: Corona kostet Russland wie die Weltwirtschaft 0,6 Prozent Wachstum

Mit einer Simulationsrechnung hat das IfW geschätzt, wie stark die Verbreitung des Coronavirus das Wirtschaftswachstum weltweit und in einzelnen Regionen und Staaten dämpfen dürfte. In Russland sei ebenso wie in der Weltwirtschaft eine Verringerung der Produktion um 0,6 Prozent zu erwarten, meint das IfW:

„Weltweit sinkt die Produktion insgesamt im Jahr 2020 um etwa 0,6 Prozent. Im Jahr 2021 liegt die Aktivität hingegen wieder in etwa auf dem Niveau, das ohne die Covid-19-Epidemie eingetreten wäre.

Der Welthandel fällt in diesem Jahr um knapp 1,5 Prozent, erholt sich allerdings recht schnell und liegt im folgenden Jahr sogar leicht über der Basislösung.

Im Euroraum sinkt die Produktion nicht nur wegen einer schwächeren Auslandskonjunktur sondern auch direkt, da Italien, die drittgrößten Volkswirtschaft des Wirtschaftsraums, annahmegemäß stark in Mitleidenschaft gezogen wird. Insgesamt fällt das Bruttoinlandsprodukt dort im Jahr 2020 um 0,4 Prozent gegenüber der Basislösung.

Produktionseinbußen in ähnlicher Höhe sind auch in Brasilien und Indien zu verzeichnen. Stärker betroffen sind Russland und Indonesien: Dort schrumpft die gesamtwirtschaftliche Produktion um jeweils 0,6 Prozent in diesem Jahr.“

IfW: Wachstum der Weltwirtschaft sinkt 2020 von 3 auf 2 Prozent

Zu den Folgen des Virus für die Weltwirtschaft heißt es in der IfW-Prognose:

„Statt mit einer allmählichen Belebung der Weltkonjunktur rechnen wir nun damit, dass die globale Produktion im ersten Halbjahr dieses Jahres sinkt. (…). Selbst unter optimistischen Annahmen über den weiteren Verlauf der Epidemie, bei denen mit einer wieder anziehenden Konjunktur im zweiten Halbjahr zu rechnen ist, und trotz expansiver wirtschaftspolitischer Maßnahmen dürfte die Zuwachsrate der Weltproduktion im Jahr 2020 insgesamt von 3,0 Prozent auf 2,0 Prozent zurückgehen und die geringste Zunahme seit der Großen Rezession 2008/2009 verzeichnen.

Im kommenden Jahr ergibt sich in dem günstigen Szenario einer zügigen Normalisierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein Produktionsanstieg von 4 Prozent. Damit haben wir unsere Prognose vom Dezember für 2020 drastisch (um 1,1 Prozentpunkte) verringert, für 2021 dagegen um 0,6 Prozentpunkte erhöht. Das Risiko einer noch stärkeren und nachhaltigeren Abschwächung der weltwirtschaftlichen Dynamik ist erheblich, insbesondere wenn die Eindämmung des Virus länger dauert als unterstellt oder es zu wiederholten Ausbrüchen kommt, bevor wirksame Medikamente oder Impfstoffe bereitstehen.“

Kudrin spricht von „Null-Wachstum“ in diesem Jahr

In Russland erwarten einige Beobachter inzwischen sogar, dass die Wirtschaft in diesem Jahr stagnieren könnte oder in eine Rezession gerät.

So meinte der Präsident des Rechnungshofes, Alexei Kudrin, in einer Rede im Föderationsrat am Donnerstag,wenn es bei einem Ölpreis von rund 35 Dollar/Barrel und einem Wechselkurs von 72 Rubel/US-Dollar bleibe, werde die Wirtschaft im Jahr 2020 nicht wachsen. Dann sei in Russland mit einem weiteren Anstieg der Armut zu rechnen.

Kudrin merkte an, die Prognose des Wirtschaftsministeriums, die von einem Ölpreis von 57,7 Dollar/Barrel und einem Wechselkurs von 63,9 Rubel/Dollar ausgehe, sei inzwischen hoffnungslos überholt. Auf der Basis dieser Annahmen könne kein Haushalt geplant werden. Es sei erforderlich, von „neuen Realitäten“ auszugehen. Vorherzusehen, welches Szenario der tatsächlichen Entwicklung in diesem Jahr entsprechen werde, sei natürlich aktuell schwierig.

Das Wirtschaftsministerium hatte zuvor angekündigt, dass es seine Prognose bis zum 09. April aktualisieren wird. Die Rating Agentur Expert RA prognostiziert, dass sogar bei einem Brent-Ölpreis von 40 bis 45 Dollar/Barrel ein Wachstum von „nahe Null“ zu erwarten ist. Die Inflation werde bis zum Jahresende auf 4 bis 5 Prozent anziehen. Dabei werde die Zentralbank ihren Leitzins im Verlauf des Jahres von 6,0 Prozent auf 7,0 bis 7,5 Prozent erhöhen.

Titelbild
Titelbild:
Andrey Filippov / Flickr.com (CC BY 2.0)
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Quellen und Lesetipps:

Ostexperte.de-Artikel zu Konjunktur und Wirtschaftspolitik in Russland von Klaus Dormann:

Finanzmarktkrise und Ölpreiseinbruch

Auswirkungen des Corona-Virus auf die russische Wirtschaft:

Coronavirus: Folgen für Konjunktur und Wirtschaft weltweit:

Verbraucherpreisentwicklung und Geldpolitik:

Zentralbank: Konjunkturbericht für Januar, 28.02.2020; Statistical Bulletin (monatlich)

Weitere Monatsberichte zur Konjunktur in Russland

Periodisch erscheinende Konjunkturberichte

Zentralbank: Präsentationen für Investoren in Englisch

Zentralbank: Monetary Policy Report; nächste Ausgabe erscheint am 06.05.2020

Zentralbank Konjunkturbericht „Talking Trends“ vom 12.02.2020

Quartalsberichte zur Konjunktur in Russland