Zentralbank: Ölpreis und Leistungsbilanzüberschuss sinken

Zentralbank: Ölpreis und Leistungsbilanzüberschuss sinken

Wie entwickeln sich Russlands Leistungsbilanz, Währungsreserven und Auslandsverschuldung? Klaus Dormann wirft einen Blick auf die Zahlen.

Russland hat in den letzten 10 Jahren dank seiner hohen Erlöse aus dem Export von Energie und Rohstoffen immer beträchtliche Überschüsse in seiner Leistungsbilanz erzielt. Sie schwankten allerdings erheblich. Meist lag der Überschuss zwischen 30 und 100 Milliarden Dollar. 2018 waren es sogar 113,5 Milliarden Dollar (rund 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts).

Zentralbank: Russian Financial Sector; Investor presentation August 2019; S. 15; August 2019

So hoch wie 2018 wird der Leistungsbilanzüberschuss nicht bleiben. Die russische Zentralbank rechnet sogar damit, dass er bei stetig sinkenden Ölpreisen bis 2022 um rund drei Viertel abnehmen wird. Das ergibt sich aus neuen Prognosen der Zentralbank, die sie am 6. September anlässlich der jüngsten Sitzung ihres Direktorenrates, bei dem eine weitere Senkung des Leitzinses beschlossen wurde, veröffentlichte.

Uns hat auch interessiert:

  • Wie haben sich angesichts der hohen Leistungsbilanzüberschüsse die Währungsreserven und die Auslandsverschuldung entwickelt?
  • Wie stark werden Ölpreis, Handels- und Leistungsbilanz laut Prognose der  Zentralbank im laufenden Jahr sinken? Welche Ergebnisse zeigt der bisherige Jahresverlauf 2019?

Am Schluss dieses Artikels finden Sie außerdem Hinweise, wie sich der Anteil der für Russland immer noch besonders wichtigen Energieexporte an den gesamten Exporten entwickelt hat.

Die Währungsreserven sind wieder so hoch wie Anfang 2013

Nach dem Einbruch der Ölpreise waren die internationalen Währungsreserven Russlands im Rezessionsjahr 2015 Mitte März auf rund 352 Milliarden US-Dollar gesunken. Mit Hilfe der Leistungsbilanzüberschüsse konnte Russland sie bis Ende 2018 wieder auf rund 468 Milliarden Dollar aufstocken. Bis Ende August 2019 stiegen sie weiter auf 530,5 Milliarden Dollar. Ähnlich hoch waren sie zuletzt Anfang 2013. Die Zentralbank streicht in einer Präsentation für Investoren, die fast monatlich aktualisiert wird, heraus:

„Signifikante internationale Währungsreserven sichern die finanzielle Stabilität“

Zentralbank: Russian Financial Sector; Investor presentation August 2019; S. 15; August 2019

Die Währungsreserven entsprachen im ersten Quartal 2019 rund 31 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Sie deckten den Wert der Importe für die Dauer von 18 Monaten. Gleichzeitig verringerte Russland seine Verschuldung im Ausland (blaue Säulen) seit Mitte 2014 um rund ein Drittel.

Mit den Ölpreisen sinken jetzt die außenwirtschaftlichen Überschüsse

Zu den hohen Überschüssen in der Handels- und Leistungsbilanz trug der im letzten Jahr kräftig erholte Preis von Urals-Öl viel bei. Im Jahresdurchschnitt 2018 stieg er um fast ein Drittel von 53,0 Dollar/Barrel auf 69,8 Dollar/Barrel.

In den ersten acht Monaten 2019 war der Urals-Preis mit 64,5 Dollar/Barrel aber 7,4 Prozent niedriger als im Vorjahr. Die russische Zentralbank erwartet in ihren neuen Prognosen auch für das gesamte Jahr 2019 und bis 2022 sinkende Ölpreise und abnehmende Überschüsse in der Handels- und Leistungsbilanz.

Der Handelsbilanzüberschuss („Balance of trade“ in der folgenden Tabelle der Zentralbank) soll von 194 Milliarden Dollar im letzten Jahr um 28 Milliarden Dollar auf 166 Milliarden Dollar in diesem Jahr zurückgehen (rund – 14 Prozent). Im Zeitraum Januar bis August war der Handelsbilanzüberschuss nach ersten Schätzungen der Zentralbank rund 9 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum.

Der Leistungsbilanzüberschuss (Current account) soll 2019 ebenfalls um rund 30 Milliarden Dollar sinken (rund – 27 Prozent). Im Zeitraum Januar bis August war der Leistungsbilanzüberschuss nach ersten Schätzungen der Zentralbank rund 15 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum.

Indikatoren der russischen Zahlungsbilanz im Basis-Szenario
Milliarden US-Dollar

Quelle: Russische Zentralbank: Mittelfristige Zahlungsbilanzprognose; Ausschnitt; 06.09.2019

Im Basis-Szenario geht die Zentralbank davon aus, dass der Ölpreis in diesem Jahr mit rund 63 Dollar/Barrel um rund 10 Prozent niedriger sein wird als 2018. Im nächsten Jahr soll er noch etwas stärker auf 55 Dollar/Barrel sinken und ab 2021 nur noch 50 Dollar/Barrel betragen.

Zum Vergleich: Das Wirtschaftsministerium geht in seiner Ende August veröffentlichten Prognose zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bis 2024 für 2019 von einem noch etwas rascheren Rückgang des Urals-Ölpreises auf 62,2 Dollar/Barrel aus. Bis 2022 soll der Ölpreis jedoch laut Wirtschaftsministerium nicht so schnell zurückgehen wie die Zentralbank annimmt. Das Wirtschaftsministerium erwartet, dass der Ölpreis bis 2021 nur auf 55 Dollar/Barrel sinkt, nicht auf 50 Dollar wie die Zentralbank erwartet.

In einem „Risiko-Szenario“, das die Zentralbank am 09.09. in den „Monetary Policy Guidelines for 2020 – 2022“ veröffentlichte, geht sie von einem Rückgang des Ölpreises auf 25 Dollar/Barrel im Jahr 2020 aus. Das Bruttoinlandsprodukt würde in diesem Szenario 2020 um 1,5 bis 2,0 Prozent sinken.

Bisheriger Ölpreisrückgang 2019: rund 7 Prozent

Im bisherigen Verlauf des Jahres 2019 näherte sich die Ölpreisentwicklung der Prognose der Zentralbank. Der Urals-Ölpreis war in den ersten acht Monaten mit 64,5 Dollar/Barrel um 7,4 Prozent niedriger.

Zur Entwicklung des Urals-Ölpreises und anderer Energieexportpreise seit Anfang 2017 veröffentlichte das russische Wirtschaftsministerium in seiner Prognose Ende August die folgende Abbildung.

Fig. 4. Energieexportpreisentwicklung
Januar 2017=100

Wirtschaftsministerium: Russian economy under the influence of the credit cycle; S.3; 26.08.2019

 

Erkennbar ist, dass der Urals-Ölpreis (obere schwarze Linie) von Anfang 2017 bis Oktober 2018 um rund 55 Prozent stieg. Bis zum Jahreswechsel 2018/2019 fiel er jedoch wieder auf sein Ausgangsniveau zurück. Auch der Urals-Preisanstieg in den ersten 4 Monaten des Jahres 2019 ging seit Mai weitgehend verloren.

Oilprice.com bietet hier ein Chart zur Entwicklung des Urals-Preises in Dollar/Barrel.

Kräftig gesunken sind seit Herbst 2018 die Preise für die Lieferung von Gas und Kohle nach Europa. Der Preis für Kohlelieferungen (hellblaue Linie) lag so zuletzt rund 40 Prozent unter dem Niveau Anfang 2017. Die Gaspreise (dunkelblaue Linie) waren sogar nur noch etwa halb so hoch.

Ausfuhren und Einfuhren von Waren sanken im ersten Halbjahr

Der Handelsbilanzüberschuss soll laut Prognose der Zentralbank in diesem Jahr um rund 14 Prozent auf 166 Milliarden Dollar zurückgehen. Im ersten Halbjahr war er bei einem Rückgang des Urals-Ölpreises um knapp 5 Prozent gut 5 Prozent niedriger. Das zeigen am 23. August veröffentlichte Daten der Statistikbehörde Rosstat zum Außenhandel auf der Basis der Zahlungsbilanzsstatistik der Zentralbank und der Statistik der Zollbehörde.

Die Ausfuhrerlöse im Warenhandel waren im ersten Halbjahr 2019 laut Zentralbank etwas niedriger als im Vorjahr (- 3,9 Prozent). Der Wert der Wareneinfuhren sank gleichzeitig etwas schwächer (- 3,0 Prozent). Damit verminderte sich Russlands Überschuss im Warenhandel geringfügig um 5,3 Prozent auf 84,8 Milliarden Dollar.

Das Analysezentrum der russischen Regierung veröffentlichte dazu folgende Darstellung der vierteljährlichen Entwicklung. Sie zeigt wie sich der vierteljährliche Wert der Exporte und Importe im Vergleich zum Vorjahresquartal veränderte. Die Exporterlöse Russlands in Dollar (violette Linie) waren im zweiten Quartal 2019 laut Zentralbankstatistik 8,3 Prozent niedriger als vor einem Jahr. Der Wert der Wareneinfuhren (hellblaue Linie) sank gleichzeitig um 2,7 Prozent.

Russlands Aus- und Einfuhren in Milliarden Dollar und sein reales Bruttoinlandsprodukt
Veränderungen gegenüber Vorjahresquartal in Prozent

Quelle: Analytical Center of the Russian Government: Current trends of the Russian Economy; August 2019; mit monatlichen Konjunktur-Charts am Schluss des Berichts; 10.09.2019

Die braunen Säulen in der Abbildung zeigen das reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts. Es war im ersten Quartal 2019 um 0,5 Prozent höher als ein Jahr zuvor und im zweiten Quartal um 0,9 Prozent.

Das Forschungsinstitut „Economic Expert Group“ stellte in seinem Ende August erschienenen monatlichen Konjunkturbericht die wertmäßige Entwicklung der vierteljährlichen Warenausfuhren (hellblaue Linie) und der Wareneinfuhren (dunkelblaue Linie) in US-Dollar bis Mitte 2019 in folgender Abbildung dar:

Warenexporte und -importe Russlands seit 2003
Vierteljahrswerte in Milliarden US-Dollar; unbereinigte und saisonbereinigte Werte;

Quelle: Economic Expert Group: Economic Review – August 2019; S. 51; 20.08.2019

Erkennbar ist, dass die Warenausfuhren (hellblaue Linie) von Anfang 2016 bis Herbst 2018 deutlich stärker gestiegen sind als die Wareneinfuhren (dunkelblaue Linie).

Hintergrund dafür ist insbesondere die damalige Erholung des Urals-Ölpreises. Er fiel im Verlauf des letzten Quartals 2018 zwar von rund 82 auf rund 60 Dollar/Barrel zurück. Im Jahresdurchschnitt 2018 stieg er jedoch um 32 Prozent von 50 auf 70 Dollar/Barrel.

Die Energieausfuhren haben mit einem Anteil von knapp zwei Dritteln der gesamten Ausfuhren immer noch sehr großen Einfluss auf die Gesamtentwicklung der Ausfuhren.

Energie-Anteil am Export stagnierte in den ersten sieben Monaten bei 64 Prozent

Daten über den Export von Energieträgern bietet die Zollstatistik. Am 09. September wurden die Ergebnisse für Januar bis Juli 2019 veröffentlicht. Laut Zollstatistik stellten Energieträger und Brennstoffe in den ersten 7 Monaten 2019 insgesamt 64,2 Prozent der Ausfuhren (Jan. bis Juli 2018: 64,3 Prozent).

Gleichzeitig erreichte der Anteil der Ausfuhren von Maschinen und Ausrüstungen nur 5,8 Prozent (Jan. bis Juli 2018: 5,7 Prozent). Die angestrebte Diversifizierung der Exporte machte also kaum Fortschritte.

Interessante Hinweise auf die Struktur der Energieexporte liefert auch die russische Zentralbank. Sie veröffentlichte bereits am 09. Juli eine erste Schätzung zur Entwicklung der Leistungsbilanz im ersten Halbjahr 2019. Sie weist auch die Ausfuhrwerte von Erdöl, Mineralölprodukten und Erdgas aus.

Wie die Zollstatistik zeigt auch die Schätzung der Zentralbank, dass der Anteil der erfassten Energieexporte an den gesamten Exporten im bisherigen Jahresverlauf 2019 annähernd auf dem Vorjahresniveau stagnierte. Erdöl, Mineralölprodukte und Erdgas stellten im ersten Halbjahr 2019 laut Zentralbank-Schätzung 59,6 Prozent der gesamten Exporte. Im ersten Halbjahr 2018 waren es 59,4 Prozent.

Im gesamten Jahr 2018 war der „Öl- und Gasanteil“ an den gesamten Exporten um gut 4 Prozentpunkte auf 59,0 Prozent gestiegen. Damit war er aber immer noch deutlich niedriger als 2014 mit 66,4 Prozent.

Der Wert der Exporte von Erdöl, Mineralölprodukten und Erdgas war im ersten Halbjahr 2019 um rund 3 Prozent niedriger als im ersten Halbjahr 2018. Auch der Wert der sonstigen Exporte verringerte sich um rund 3 Prozent.

Russlands Export von Erdöl, Mineralölprodukten und Erdgas

 1. Halbjahr 20181. Halbjahr 2019
Mrd. $Mrd. $% ggü. 1. Hj. 2018
Erdöl60,459,4-1,7
Mineralölprodukte38,334,8-9,1
Erdgas insgesamt26,327,2+3,4
– Pipeline-Exporte23,722,8-3,8
– LNG-Exporte2,64,4+69,2
Erdöl, Produkte, Erdgas insgesamt125,0121,4-2,9
Sonstige Exporte85,282,4-3,3
Export insgesamt210,3203,8-3,1
Anteil von Öl und Gas am Export in %59,459,6

Russische Zentralbank: External Sector Statistics; Balance of Payments of the Russian Federation; Estimate Analytical Presentation, 09.07.2019

Wo man Informationen zur Entwicklung der russischen Zahlungsbilanz findet

Angaben zur Entwicklung von Außenhandel und Zahlungsbilanzen weisen oft Differenzen auf. Das gilt nicht nur wenn man zum Beispiel amtliche russische Angaben mit Veröffentlichungen von Stellen in Deutschland, der EU oder von internationalen Wirtschaftsorganisationen vergleicht. Deswegen hier einige Hinweise, welche Veröffentlichungen in Russland zur Entwicklung des Außenhandels und der gesamten Zahlungsbilanz regelmäßig erscheinen.

Die russische Zentralbank veröffentlicht monatlich Schätzungen zur Entwicklung der Zahlungsbilanz. Vierteljährlich – bereits rund eine Woche nach Abschluss des Quartals – legt sie außerdem eine Schätzung zur Entwicklung der Zahlungsbilanz im zurückliegenden Quartal vor, die auch Angaben zur Entwicklung der Energieexporte bietet. Mitte Juni veröffentlichte die Zentralbank ihr „Yearbook 2018 on Balance of Payments, international Investment Position and external debt of the Russian Federation“.

Monatlich berichtet die Zentralbank über den Außenhandel, ebenso wie die russische Zollbehörde (deren Daten etwas von den Zentralbank-Daten abweichen).

Der monatliche Bericht des Statistikamtes Rosstat zum Außenhandel basiert auf den Veröffentlichungen der Zentralbank und der Zollstatistik. Er bietet auch Tabellen zur Entwicklung des Außenhandels nach Warengruppen und Handelspartnern.

Die Economic Expert Group analysiert die außenwirtschaftliche Entwicklung in einem Kapitel ihres monatlichen Konjunkturberichts.

Wie sich der Handel Deutschlands mit Russland entsprechend den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes entwickelt, berichtet monatlich der OAOEV.

Titelbild
Quelle: <a title=”User:Ludvig14″ href=”https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Ludvig14″>Ludvig14</a>, <a href=”https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Moscow_RussiaCentralBank_M00.jpg”>Moscow RussiaCentralBank M00</a>, Size changed to 1040x585px., <a href=”https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.en”>CC BY-SA 4.0</a> [/su_spoiler] ^*^

Quellen und Lesetipps

Russlands Außenwirtschaft: Zahlungsbilanz; Außenhandel; Währungsreserven

Russlands Außenwirtschaft: Deutsch-russische Wirtschaftsbeziehungen; Sanktionen:

Leitzinssenkung am 06.09.2019

Inflation im August

Wirtschaftsministerium: Prognose bis 2024 vom 26.08.2019

Zentralbank: Monatsbericht Wirtschaft Juli 2019

Zentralbank: Präsentationen im Investoren-Programm der Zentralbank in Englisch

Wirtschaftsministerium: Monatsbericht Wirtschaft Juli 2019

IWF-Länderbericht:

Periodisch erscheinende Konjunkturberichte (meist monatlich, vierteljährlich)

Sonstige Veröffentlichungen zu Konjunktur und Wirtschaftspolitik in Russland:

Ostexperte.de-Artikel zu Konjunktur und Wirtschaftspolitik in Russland von Klaus Dormann seit Anfang August 2019: