“Du, Sie, Vor- oder Vatersname?”
Im Unterschied zu deutschen Umgangsformen, ist im Russischen die Anrede per Sie in Verbindung mit dem Vornamen sehr verbreitet. So sagt man zum Beispiel „Guten Tag Olga. Wie geht es Ihnen?“ oder „Alexander, können Sie mir bitte sagen, wie spät es ist?“. Ein Überblick über die russische Anrede.
Wenn sich im Geschäftsleben die Kollegen nur mit dem Vornamen ansprechen, heißt das nicht automatisch, dass sie sich auch duzen. Es ist auch üblich, sich beim offiziellen Kennenlernen nur mit dem Vornamen vorzustellen. Das bedeutet aber für Sie auf keinen Fall, dass Sie die Person auch duzen dürfen.
Denn die Distanz zwischen Du und Sie ist im Russischen genau so groß wie im Deutschen. Dabei gibt es jedoch mehr sprachliche Möglichkeiten, diese Distanz zu reduzieren.
Generell sprechen mit Vornamen an und bleiben trotzdem per Sie:
- Dozenten ihre Studenten
- Chefs ihre Mitarbeiter
- ältere Leute jüngere Leuten usw.
Besonderheit bei der Anrede in Russland: Vor- und Vatersname
Ein rein russisches Phänomen ist die Anrede mit Vor- und Vatersnamen wie z.B. Wladimir Alexandrowitsch, Ivan Wassilowitsch, Maxim Gennadowitsch. Für den Ausländer sind das oft richtige Zungenbrecher.
Es wird von Ausländern auch nicht erwartet, dass sie die Anrede mit Vor- und Vatersnamen beherrschen. Also können Sie den Geschäftspartner auch nur mit dem Vornamen ansprechen. Aber Vorsicht: Bleiben Sie trotzdem beim Sie.
Mit Vor- und Vatersnamen sprechen sich an:
- Junge Leute ältere Leute
- Mitarbeiter ihre Vorgesetzten
- Schüler ihre Lehrer
- Studenten ihre Professoren
- oft Schwiegertöchter- und Schwiegersöhne ihre Schwiegereltern usw.
Es kommt also vor, dass Jüngere von Älteren in Verbindung mit dem Vornamen geduzt oder gesiezt werden, aber nicht umgekehrt.
Anders als in Deutschland werden Familiennamen bei der Anrede nicht verwendet. Die Anrede mit Herr bzw. Frau und Familienname klingt für das russische Ohr sehr distanziert und kalt.
Der Übergang zum Du vollzieht sich oft spontan, ohne große Ankündigung, so zu sagen „nach Gefühl“. Das bedeutet, dass die Beziehung ungezwungener und die Atmosphäre wärmer wird.
Und was ist aus dem weltberühmten „Genosse“ (Towarisch) geworden? Diese Anredeform ist im heutigen Russland ein Anachronismus. Ernsthaft hat sie sich nur noch in der Armee und in der Kommunistischen Partei erhalten.