Könnte Russland ab 2020 auf Käseimporte verzichten?

Expertin: 2020 könnte Russland auf Käseimporte verzichten

Laut Natalia Michalkowa, Expertin beim Finanzdienstleister Alpari, könnte Russland seinen Käsebedarf ab 2020 selbst decken. In den ersten neun Monaten 2017 sei die inländische Käseproduktion laut Rosstat im Vergleich zum Vorjahr um 5,2% angestiegen, schreibt die Regierungszeitung Rossijskaja Gaseta. Jedoch gibt es Kritik an der Qualität der Waren.

Spätestens 2019 oder 2020 könnten die Erfolge der russischen Importsubstitution sichtbar werden, erklärte die Finanzexpertin Michalkowa. Anders als in West- und Südeuropa habe es in Russland keine Tradition zur Käseherstellung gegeben. Dies erkläre auch, weshalb die Käseproduktion 2017 im Vergleich zu 2013 um 2,5% zurückgegangen sei. Jedoch könne im Vorjahresvergleich laut der Statistikagentur Rosstat ein Plus von 5,2% verzeichnet werden.

Am 6. August 2014 hatte Russland ein Importverbot für Agrarprodukte und Lebensmittel aus der EU, den USA und weiteren Ländern verhängt. Diese Entscheidung galt als Gegenreaktion auf westliche Sanktionen, die im Zuge der Ukraine-Krise verhängt wurden. Auch Molkereiwaren waren vom entsprechenden Präsidentenerlass betroffen. Am 30. Juni 2017 verlängerte Wladimir Putin die Gegensanktionen per Dekret bis zum 31. Dezember 2018 (Ostexperte.de berichtete).

Landwirtschaftsminister enthüllt „Käse-Plan“

Sergej Kalaschnikow, Vize-Leiter des Ausschusses für Wirtschaftspolitik im russischen Föderationsrat, bezeichnete die Fortschritte der Importsubstitution als unzureichend. Russische Käseprodukte seien im globalen Vergleich nicht wettbewerbsfähig, zu teuer und weniger hochwertig, erklärte er Anfang Januar 2018. Es sei die falsche Strategie gewesen, die Nachfrage auf dem russischen Markt zu decken, ohne gleichzeitig nach einem Qualitätsprodukt zu streben.

Im November 2017 legte Landwirtschaftsminister Alexander Tkatschow einen „Käse-Plan“ vor, der die inländische Produktion ankurbeln sollte. Zu den Versorgungslücken im Inland erklärte der Politiker: „Wir werden dieses Problem in fünf Jahren vollkommen vergessen haben.“ Zudem wolle Russland sein Exportpotenzial steigern, um China und den Persischen Golf zu versorgen. Dem Plan zufolge sollen höchstens „exklusive Käsesorten“ nach Russland importiert werden.

„Strukturelles Milchdefizit“ in Russland

Im Ostexperte.de-Interview erklärte Peter Stahl, CEO des deutschen Käseproduzenten Hochland SE, dass Russland an einem „strukturellen Milchdefizit“ leidet:

„In Russland gibt es ein strukturelles Milchdefizit, das seit langem besteht und das auch nicht so schnell behoben werden kann. Bei der Schmelzkäse-Produktion bekommen wir keine Milch angeliefert, sondern Käse, Butter und Magermilchpulver.“ (Hier geht es zum Interview.)

Im letzten Jahr äußerte der Verband des russischen Milchsektors (RSPMO) erhebliche Zweifel an den Rosstat-Zahlen zur Milchproduktion. 2016 seien nicht 31 Millionen Tonnen, sondern nur 17 Millionen Tonnen Rohmilch hergestellt worden sein. RSPMO-Geschäftsführerin Ljudmila Manizkaja ist der Ansicht, dass dieser Unterschied ein Resultat von Lebensmittelfälschungen sei. Der Engpass veranlasse russische Hersteller dazu, den Käse mit Zusatzstoffen zu strecken.

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