Russische Außenwirtschaft im Zeichen von Ölpreiseinbruch und Sanktionen
Die russische Außenwirtschaft ist aktuell von dem deutlichen Ölpreiseinbruch und gegenseitigen Sanktionen geprägt. Die Erlöse durch den Öl- und Gas-Export sind stark zurückgegangen, obwohl deutlich mehr gefördert wurde. Bei der Handels- und Leistungsbilanz gibt es weiter einen deutlichen Überschuss. Die Weltbank lobt, wie Russland auf die “externen Schocks” reagiert habe, fordert aber erneut, dass die Investitionsbedingungen verbessert werden müssten.
Von Klaus Dormann
2015 brach der Urals-Ölpreis um fast die Hälfte auf 51,2 Dollar je Barrel ein. Der Rubel wertete gegenüber dem US-Dollar um rund 37 Prozent ab. Der Westen verhängte gegenüber Russland Sanktionen, die Russland seinerseits mit Importverboten für Nahrungsmittel beantwortete. Die Folgen zeigen sich deutlich in der Entwicklung der Handels- und Leistungsbilanz. Ergebnisse für 2015 veröffentlichte die russische Zentralbank Ende März.
Öl- und Gasexporterlöse trotz Mengensteigerung rund 38 Prozent niedriger
Die Erlöse der von der Zentralbank ausgewiesenen Ausfuhren der russischen Öl- und Gaswirtschaft sanken deutlich:
Die wichtigsten Devisenquellen Russlands, die Ausfuhren von Erdöl (89,6 Mrd. $) und Mineralölprodukten (67,5 Mrd. $), fielen preisbedingt um jeweils rund 42 Prozent.
- Erdöl: -42 Prozent (jeweils im Vergleich zu 2014)
- Mineralölprodukte: -42 Prozent
Beim Erdgas war der Einbruch nur gut halb so stark. Die Erlöse aus Pipelinelieferungen gingen um 24,3 Prozent auf 41,8 Mrd. $ zurück, verflüssigtes Erdgas (LNG) brachte 4,5 Mrd. $ (-13,3 Prozent). Insgesamt erreichten die Erlöse aus dem Erdgasexport mit 46,3 Mrd. $ aber weiterhin nicht einmal ein Drittel der Erlöse im Ölgeschäft (157,1 Mrd. $)
- Erdgas: -24,3 Prozent
- LNG: -13,3 Prozent
Exporterlöse Öl und Gas gesamt: -38,4 Prozent
Insgesamt waren die Erlöse aus dem Export von Öl und Gas mit 203,4 Mrd. $ um 38,4 Prozent niedriger als 2014. Sie wären noch stärker gesunken, hätte Russland nicht mengenmäßig mehr exportiert (Erdöl: + 9,4 Prozent; Mineralölprodukte: + 3,9 Prozent; Erdgas: + 6,4 Prozent; LNG: + 4,4 Prozent).
Exportmenge:
- Erdöl: +9,4 Prozent
- Mineralölprodukte: +3,9 Prozent
- Erdgas: +6,4 Prozent
- LNG: +4,4 Prozent
Nebeneffekt: Energielastigkeit der Exporte verringert
Der Energiepreiseinbruch brachte Russland immerhin einen positiven Nebeneffekt: Der Anteil von Öl und Gas an den gesamten Warenexporterlösen (341,5 Mrd. $) ist zwar immer noch sehr hoch, er sank aber doch spürbar von 66,3 Prozent in 2014 auf rund 59,6 Prozent in 2015. Einen ähnlich starken Rückgang gab es in der weltweiten Finanzkrise 2009. Preisbedingt hat Russland damit einen Schritt zur immer wieder geforderten stärkeren Diversifizierung seiner Wirtschaft gemacht.
Anteil von Öl und Gas an den Warenexporterlösen:
- 2014: 66,3 Prozent
- 2015: 59,6 Prozent
Bezieht man Kohle und Strom ein, betrugen die gesamten Energieexporterlöse Russlands nach Angaben des Statistikamtes Rosstat auf der Basis der Zollstatistik im letzten Jahr 216,1 Mrd. $. Sie waren 37,6 Prozent niedriger als 2014. Ihr Anteil an den gesamten Warenausfuhren sank von 69,5 Prozent auf 62,9 Prozent.
Warenexport insgesamt weniger als Energieexport gesunken
Der Einbruch der Energieexporte um rund 38 Prozent konnte nicht durch Steigerungen der Exporte anderer Branchen ausgeglichen werden. Immerhin sanken die gesamten Warenexporte aber nicht ganz so stark (-31,4 Prozent). Der Wert der Exporte von Branchen außerhalb des Energiesektors ging „nur“ halb so stark (- 17,5 Prozent) zurück wie die Energieexporte. Allerdings konnte Russland selbst mengenmäßig voraussichtlich nur in wenigen Bereichen, insbesondere bei chemischen Produkten, Steigerungen der Ausfuhr erreichen.
Einfuhrentwicklung 2015 durch wechselseitige Sanktionen geprägt
Auf der Einfuhrseite wirkten sich nicht nur die starke Rubelabwertung, die die Importe drastisch verteuerte, sondern auch die beidseitigen Sanktionen aus. Zum einen konnten von westlichen Exportverboten betroffene Produkte nicht mehr von Russland bezogen werden. Zum anderen wirkten sich die von Russland verhängten Importverbote von Nahrungsmitteln aus. Im Ergebnis sank der Wert der Wareneinfuhr in US-Dollar noch etwas stärker (- 37,4 Prozent) als der Wert der Warenausfuhr (- 31,4 Prozent).
Handels- und Leistungsbilanz weiter im Überschuss
Der Handelsbilanzüberschuss war 2015 gut ein Fünftel niedriger (- 21,7 Prozent) als 2014, wies aber weiterhin einen beträchtlichen Überschuss aus (148,5 Mrd. $).
Der Leistungsbilanzüberschuss (69,6 Mrd. $) stieg sogar um fast ein Fünftel (+19,3 Prozent). Dazu trug unter anderem bei, dass russische Touristen weniger für Auslandsreisen ausgaben. Außerdem halbierten sich die Überweisungen in ausländischer Arbeitskräfte aus Russland in ihre Heimatländer auf rund 5 Mrd. $. Weil Schulden im Ausland abgebaut wurden, verringerten sich zudem dafür fällige Zinszahlungen.
Außenwirtschaftlich hat Russland aufgrund der drastischen Einschränkung der Einfuhren, die den Konsum breiter Bevölkerungsschichten empfindlich traf, den Einbruch der Ölpreise und die Sanktionen erstaunlich gut überstanden. Das gilt jedenfalls im Hinblick auf die Entwicklung der Leistungsbilanz: Da der Wert des russischen Bruttoinlandsprodukts in US-Dollar durch die starke Abwertung des Rubels deutlich gesunken ist, stieg 2015 der Leistungsbilanzüberschuss in Relation zum Bruttoinlandsprodukt nach Angaben der Weltbank von 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 5,2 Prozent des BIP– fast eine Verdoppelung gegenüber 2014.
Weltbank fordert erneut Verbesserung der Investitionsbedingungen
In ihrem am 6. April veröffentlichten halbjährlichen “Russia Economic Report” (Ostexperte.de berichtete) analysiert die Weltbank in einem besonderen Kapitel die aktuelle außenwirtschaftliche Entwicklung Russlands.
Sie lobt, Russland habe sich elastisch an die “externen Schocks” angepasst. Die flexible Wechselkurspolitik habe eine rasche Einschränkung der Importe möglich gemacht. Die Abwertung des Rubels habe auch die Wettbewerbsfähigkeit Russlands in einigen Bereichen erhöht. Um für den Export mehr und höherwertige Produkte anbieten zu können, sei jedoch ein erheblicher und anhaltender Anstieg privater Investitionen erforderlich. Ohne „strukturelle Reformen“ sei dies nicht möglich. Die Weltbank fordert deswegen erneut eine Verbesserung der Investitionsbedingungen.
In ihrem Basisszenario geht sie davon aus, dass der Ölpreis in diesem Jahr mit rund 37 Dollar je Barrel gegenüber dem Vorjahr erneut deutlich niedriger sein wird (-29 Prozent). Bei dieser Entwicklung rechnet sie damit, dass sich der Leistungsbilanzüberschuss fast halbiert und mit 36,3 Mrd. Dollar nur noch 3,5 Prozent des BIP erreicht.
[accordion open_icon=”camera-retro” closed_icon=”camera-retro”] [/su_spoiler] Quelle:Foto von Simon Schütt
World Bank Group: Russia Economic Report. No. 35 | April 2016.
Rosstat: Außenhandel 2015; 25.02.2016: http://www.gks.ru/bgd/free/B04_03/IssWWW.exe/Stg/d06/35.htm