Russlands Finanzpolitik: Ölpreishoch sorgt für Budgetüberschuss

Russlands Finanzpolitik: Ölpreishoch sorgt für Budgetüberschuss

Energielastigkeit des Haushalts steigt wieder

Die Entwicklung der russischen Wirtschaft – und damit auch der Staatsfinanzen – wird weiterhin in hohem Maße von den stark schwankenden Ölpreisen bestimmt. Ein Rückblick auf die letzten 4 Jahre zeigt das. Bei Beratungen im Haushaltsausschuss der Duma äußerten sich Wirtschaftsminister Oreschkin, Finanzminister Siluanow und die Stellvertretende Präsidentin der Zentralbank, Ksenia Yudaeva, wie sie ihre Prognosen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung an die gestiegenen Ölpreise anpassen wollen.

Ölpreiseinbruch 2014 bis 2016 ließ Defizit kräftig steigen

Von 2014 bis 2016 hat sich der Preis für russisches Urals-Öl mehr als halbiert. Er sank im Jahresdurchschnitt von rund 98 Dollar/Barrel auf rund 42 Dollar/Barrel. Der Absturz der Ölpreise führte nicht nur in eine Rezession. Er hatte auch einschneidende Folgen für die Staatsfinanzen. Das Defizit des 2014 noch fast ausgeglichenen föderalen Haushalts erhöhte sich bis 2016 um 3 Prozentpunkte auf 3,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Föderationshaushalt 2013 bis 2020

Einnahmen, Ausgaben und Saldo in Prozent vom Bruttoinlandsprodukt

   2018Haushaltsplan
20132014201520162017Jan.- April201820192020
Einnahmen17,818,316,415,616,418,715,715,114,8
Ausgaben18,218,718,719,117,818,01715,915,6
Saldo-0,4-0,4-2,4- 3,4- 1,40,6- 1,3- 0,8- 0,8

Quellen: Russisches Finanzministerium: Execution of the federal budget and budgets of the budgetary system of the Russian Federation for 2017 (preliminary results); 29.03.2018; Economic Expert Groupdes russischen Finanzministeriums: Monatsbericht Mai; 24.05.2018

Ölpreiserholung hat Defizit bereits 2017 mehr als halbiert

2017 hat sich der Urals-Ölpreis im Jahresdurchschnitt bereits um gut ein Viertel auf 53,0 Dollar/Barrel erholt. Finanzminister Siluanow konnte in seinem Ende März veröffentlichten vorläufigen Bericht für die Haushaltsentwicklung 2017 melden, dass der Fehlbetrag im föderalen Haushalt im letzten Jahr auf 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesunken ist. Anfang 2017 war in der Haushaltsplanung noch damit gerechnet worden, dass sich das Defizit 2017 bei gut 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hält.
Im Ende 2017 beschlossenen Haushaltsplan für die Jahre 2018 bis 2020 ist vorgesehen, dass sich das föderale Defizit 2018 auf 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verringert und die Defizitquote in den Jahren 2019 und 2020 weiter auf 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gedrückt wird. Dabei wurde von sehr vorsichtigen Annahmen zur Ölpreisentwicklung ausgegangen (2018: 43,8 Dollar/Barrel; 2019: 41,6 Dollar/Barrel; 2020: 42,4 Dollar/Barrel).

Schon 2018 Haushaltsüberschuss statt -defizit

In den ersten vier Monaten 2018 hat sich nach vorläufigen Berechnungen jedoch ein Überschuss in Höhe von 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ergeben (Defizit im Vorjahreszeitraum: -1,9 Prozent des BIP). Die gesamten Einnahmen im Föderationshaushalt entsprachen im Zeitraum Januar bis April 2018 nach ersten Angaben 18,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die Ausgaben nur 18,0 Prozent des BIP. Der Überschuss ist unerwartet hohen Ölpreisen zu verdanken. Urals-Öl kostete im Durchschnitt 66,13 Dollar/Barrel. Das entspricht einem Anstieg um rund 28 Prozent gegenüber Januar bis April 2017.

Energielastigkeit 2018 aber noch deutlich geringer als 2014

Die föderalen Einnahmen aus dem Öl- und Gasbereich stiegen in den ersten vier Monaten 2018 weit stärker als die übrigen Einnahmen. Ihr Anteil an den gesamten Einnahmen erhöhte sich auf 45,1 Prozent. In den ersten vier Monaten 2017 war er noch 3,7 Prozentpunkte niedriger.
Im gesamten Jahr 2017 war der Anteil der Öl- und Gaseinnahmen bereits von 36 auf knapp 40 Prozent gestiegen. Damit war er aber noch deutlich geringer als 2014 und 2013, als sie gut die Hälfte der gesamten Einnahmen im föderalen Haushalt stellten. Mit dem Einbruch der Ölpreise um rund 57 Prozent von 2014 bis 2016 sanken die föderalen Einnahmen aus dem Öl- und Gassektor dann um rund 35 Prozent. Ihr Anteil an den gesamten föderalen Einnahmen ging auf rund 36 Prozent zurück.

Anteil der Öl- und Gaseinnahmen an den Einnahmen des föderalen Haushalts in Prozent (rote Säule)

Anteil der Öl- und Gaseinnahmen an den Einnahmen des föderalen Haushalts in Prozent
Quelle: Russisches Finanzministerium: Execution of the federal budget and budgets of the budgetary system of the Russian Federation for 2017 (preliminary results); Seite 23; 29.03.2018

Im Mai 2018 hat sich der Urals-Ölpreis weiter erhöht. Im Monatsdurchschnitt erreichte er 74,86 Dollar/Barrel. Im Durchschnitt der ersten fünf Monate betrug er damit 67,91 Dollar/Barrel. Im Vergleich zum Vorjahr (51,29 Dollar/Barrel) war er von Januar bis Mai rund 32 Prozent höher

Likka Korhonen: „MinFin thanks all the market participants“

Für die Entwicklung der Einnahmen des russischen Staatshaushaltes aus dem Öl- und Gassektor ist neben dem Dollar-Preis pro Barrel auch der Rubelkurs wichtig.

Likka Korhonen, Leiter des Forschungsinstitutes BOFIT der finnischen Zentralbank, twitterte am 03. Juni Charts und Daten zur Entwicklung des Rubelkurses und des Urals-Ölpreises in Rubel. Nach seinen Berechnungen betrug der durchschnittliche Erlös für ein Barrel seit Jahresbeginn 4.025 Rubel. Der Ende 2017 beschlossene Haushaltsplan ging lediglich von 2.835 Rubel aus. Der Erlös pro Barrel war also rund 42 Prozent höher als geplant. Korhonens Kommentar: „Das Finanzministerium dankt allen Marktteilnehmern“.

Oreschkin: 2018 ist Ölpreis von 65 bis 70 Dollar möglich

Wirtschaftsminister Oreschkin meinte am 04. Juni bei Beratungen im Haushaltsausschuss der Duma zur Aktualisierung des Haushalts 2018, in diesem Jahr könne im Durchschnitt ein Ölpreis von 65 bis 70 Dollar erwartet werden. Im Ende März erstellten Entwurf für das Haushaltsergänzungsgesetz 2018, der jetzt von der Duma beraten wird, wird hingegen nur von 61,4 Dollar/Barrel ausgegangen. Das Ende 2017 beschlossene Haushaltsgesetz 2018 basierte auf 43,8 Dollar/Barrel.

Der Wechselkurs des Rubels gegenüber dem Dollar wird in der Vorlage für die Duma auf 58,6 Rubel/Dollar im Jahresdurchschnitt 2018 veranschlagt. Oreschkin meinte dazu, angesichts der jüngsten Sanktionsrunde und angesichts der aktuellen Stärke des Dollars erwarte er gegenwärtig für 2018 einen Kurs von etwas mehr als 60 Rubel/Dollar.

Für das reale Wirtschaftswachstum im Jahr 2018 nannte Oreschkin in der Duma eine Spanne von 1,6 bis 2,1 Prozent. Er ließ so erkennen, dass er es für möglich hält, dass das Wachstum unter der bisherigen Prognose im Haushalt 2018 von 2,1 Prozent bleiben könnte. Damit nähert er sich der Einschätzung der Mehrheit der Analysten.

In einer Ende Mai veröffentlichten Reuters-Umfrage bei russischen und ausländischen Analysten war die durchschnittliche Wachstumserwartung für 2018 gegenüber dem Vormonat von 1,7 Prozent auf 1,6 Prozent zurückgenommen worden. Die durchschnittliche Erwartung der Analysten für die Inflationsrate am Jahresende 2018 stieg von 3,4 Prozent auf 3,7 Prozent, nachdem der Rubel nach der Verhängung der jüngsten US-Sanktionen im April deutlich abgewertet hatte.

Ksenia Yudaeva, stellvertretende Präsidentin der Zentralbank, stimmte bei den Duma-Beratungen den Einschätzungen von Oreschkin weitgehend zu. Die Zentralbank werde bei der Revision ihrer Prognosen Mitte Juni die Spanne ihrer Wachstumserwartungen (bisher 1,5 Prozent bis 2,0 Prozent) auch anpassen, „aber kaum nach oben“. Ihre Ölpreisprognose (derzeit 61 Dollar/Barrel) werde die Zentralbank anheben. Sie könnte in der von Oreschkin genannten Spanne (65 bis 70 Dollar/Barrel) liegen. Die Inflationsrate werde wohl innerhalb der von der Zentralbank bisher erwarteten Spanne von 3 bis 4 Prozent näher an die 4-Prozent-Marke rücken. Wirtschaftsminister Oreschkin sagte in der Duma, er rechne aktuell mit einem diesjährigen Anstieg der Verbraucherpreise um 2,7 bis 3,2 Prozent.

Finanzminister Siluanow sagte in der Duma, wenn die günstigen gegenwärtigen Bedingungen anhielten, sei er zuversichtlich, dass der Haushaltsüberschuss im Jahr 2018 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigen könnte. Im Entwurf für das Haushaltsergänzungsgesetz 2018 wird erwartet, dass ein Überschuss von 0,45 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erzielt wird.

Die Duma wird das Haushaltsergänzungsgesetz für 2018 zusammen mit der neuen dreijährigen Haushaltsplanung für 2019 bis 2021 im Herbst beschließen.

Finanzminister Siluanov: Wir halten am Sparkurs fest

In einem Bloomberg-Interview beim SPIEF betonte Finanzminister Siluanow Russlands Haushaltspolitik solle möglichst unabhängig von den Schwankungen des Ölpreises gehalten werden (ab Minute 1:30). Deswegen sei das Budget mit der Anwendung der neuen „Budget-Regel“ auf der Basis eines Ölpreises von 40 Dollar/Barrel kalkuliert. Zusätzliche Rubel-Einnahmen des Staates bei höheren Ölpreisen und infolge der Rubel-Abwertung würden von der Regierung gespart und zur Erhöhung der Währungsreserven genutzt. Gleichzeitig könne die staatliche Schuldenaufnahme aber erhöht werden. Die „goldene Regel“ seiner Haushaltspolitik sei, dass die Schuldenaufnahme zur Finanzierung von Investitionen genutzt werde. An der „Budget-Regel“ werde die Regierung auf jeden Fall festhalten (ab Min. 4:30).

Quellen und Lesetipps zu Finanzpolitik und Konjunktur:

Titelbild
[toggle title=”Fotoquelle” open=”yes”]Titelbild: OlegDoroshin / Shutterstock.com