„Bayern hat traditionell ein enges Verhältnis zu Russland“

Interview mit Jan Dresel, dem Leiter der Verbindungsstelle Moskau der Hanns-Seidel-Stiftung

Jan Dresel ist Leiter der Verbindungsstelle Moskau der Hanns-Seidel-Stiftung. Im Ostexperte.de-Interview geht es um Ziele der CSU-nahen Stiftung in Russland sowie den deutsch-russischen Dialog.

Hanns-Seidel-Stiftung
Logo der Hanns-Seidel-Stiftung.

Seit wann leiten Sie die Verbindungsstelle Moskau? Wie sieht Ihr beruflicher Werdegang aus?

Meine Tätigkeit für die Hanns-Seidel-Stiftung habe ich Ende 2016 aufgenommen, und seit März dieses Jahres bin ich vor Ort in Moskau als Leiter unserer Verbindungsstelle tätig. Als Vertreter der Hanns-Seidel-Stiftung in der Russischen Föderation setze ich alles daran, den Dialog zwischen Deutschland und Russland weiter zu fördern und trotz der derzeit schwierigen politischen Lage hochrangige Parlamentarier, Nachwuchspolitiker und Fachleute aus beiden Ländern miteinander ins Gespräch zu bringen.

In den Jahren zuvor leitete ich das German Desk einer russischen Wirtschaftskanzlei. Vor der Entscheidung, meinen Lebensmittelpunkt nach Moskau zu verlegen, hatte ich zehn Jahre lang in Italien gelebt und in der privaten Wirtschaft gearbeitet. Dort baute ich neben anderen Führungsaufgaben in Vertrieb und Marketing für italienische Unternehmen weltweite Netzwerke von Handelsvertretern und Distributoren auf und war dafür zuständig, Vertragsverhandlungen mit internationalen Kunden und Lieferanten zu führen und erfolgreich abzuschließen.

Welche Aufgaben haben Sie als Leiter der Verbindungsstelle?

In unserem Moskauer Büro bereiten wir Veranstaltungen und Dialogprogramme unserer Stiftung vor, führen sie durch und bereiten sie nach. Daneben haben wir natürlich noch vielfältige weitere Aufgaben, die vom Ausbau der bestehenden Kontakte zu russischen Stellen und zu unseren Partnern vor Ort bis zur Information der deutschen Öffentlichkeit über die aktuelle Lage in Russland und der russischen Öffentlichkeit über die politische und gesellschaftliche Situation in Deutschland reichen.

Welches sind die Ziele der Hanns-Seidel-Stiftung in Russland?

Das zentrale Ziel der Hanns-Seidel-Stiftung in der Russischen Föderation ist es, den Dialog zwischen Deutschland und Russland zu fördern und nach Möglichkeit zu intensivieren. In diesem Zusammenhang führen wir regelmäßig Dialogprogramme für deutsche Teilnehmer in Russland und für russische Teilnehmer in Deutschland durch.

Allein in diesem Jahr kommen wir auf insgesamt zehn eigene Dialogprogramme. Daneben beteiligen wir uns an der Organisation und Durchführung von Delegationsprogrammen unserer Partner. Im Mittelpunkt unserer Arbeit in Moskau steht der deutsch-russische Austausch zu den Themenbereichen Politik, Wirtschaft und Staatsaufbau, in letzterem Bereich zum Beispiel zu Fragen der kommunalen Selbstverwaltung.

Diese Themen sind recht vielfältig und geben uns gleichzeitig einen großen Gestaltungsspielraum bei der konkreten Ausgestaltung der Programme.

Welche Projekte und Veranstaltungen haben Sie in der letzten Zeit durchgeführt?

Wir haben Mitte November ein Dialogprogramm in Moskau mit einer deutschen Delegation zum Thema Umweltschutz und speziell zur Recyclingfrage durchgeführt. Da man sich in Russland gerade auf der Suche nach Lösungen im Bereich der Mülltrennung und der Wiederverwertung von Abfällen befindet, ist die Veranstaltung gerade auf russischer Seite auf sehr großes Interesse gestoßen.

Im unmittelbaren Anschluss an dieses Dialogprogramm hat der russische Staatspräsident Wladimir Putin die föderale Regierung und die Gouverneure der russischen Regionen aufgefordert, die Bevölkerung zu mehr ökologischem Bewusstsein zu motivieren, Mülltrennung zu verbreiten und sich für wiederverwertbare und abbaubare Verpackungen einzusetzen. Es wäre zwar vermessen davon auszugehen, dass unsere Veranstaltung Einfluss auf die Inhalte dieser Initiative Wladimir Putins hatte, aber ganz ausschließen würde ich dies nicht.

Bei einem anderen Dialogprogramm im Oktober haben russische Nachwuchskräfte aus den Bereichen Politik und Verwaltung Brüssel und München besucht. Der Besuch des Europäischen Parlaments und des Europäischen Auswärtigen Dienstes, aber auch diplomatischer Vertretungen Russlands in Brüssel ist bei unseren Delegationsmitgliedern sehr gut angekommen. In München hat unsere Delegation zum Beispiel in der Bayerischen Staatskanzlei, im Bayerischen Landtag und in der Redaktion einer großen Münchner Tageszeitung hochrangige bayerische Gesprächspartner getroffen.

Mülltrennung in Moskau
An den Haltestellen der Moskauer Ring-S-Bahn stehen seit diesem Jahr Mülleimer mit getrennten Einwürfen für verschiedene Abfallarten. Foto: Maxim Uschakow.

Mit welchen russischen Regierungsstellen und Parteien arbeiten Sie zusammen?

Auf föderaler Ebene arbeiten wir mit mehreren Regierungsstellen zusammen, insbesondere mit dem russischen Außenministerium. Daneben pflegen wir eine enge Zusammenarbeit mit Regierungsstellen des Moskauer Gebietes, der Stadt Moskau und weiterer russischer Regionen. Aber auch mit den Parlamenten auf föderaler und regionaler Ebene wie der Staatsduma, dem Föderationsrat, der Moskauer Gebietsduma, der Moskauer Stadtduma und mit weiteren russischen Institutionen arbeiten wir seit vielen Jahren zusammen.

Ein gutes Beispiel für unsere Arbeit in den russischen Regionen ist ein Dialogprogramm im Omsker Gebiet. Dort haben wir im Juli mit der Gebietsverwaltung ein sehr facettenreiches Programm auf die Beine gestellt, bei dem es um Wissenschaft, Wirtschaft und die deutsche Sprache und Kultur ging. Grundsätzlich werden wir in Zukunft mehr Veranstaltungen als bisher in den russischen Regionen durchführen.

Was die Zusammenarbeit mit russischen Parteien betrifft, so pflegen wir langjährige Kontakte zu allen wichtigen demokratischen Parteien im Land. Wir laden ihre Vertreter als Vortragende und Teilnehmer zu unseren Dialogprogrammen ein und sind in regelmäßigem Austausch mit ihnen.

Renteneintrittsalter für russische Beamte angehoben
Ein Bild der russischen Staatsduma bei Sonnenuntergang. Quelle: Simon Schütt

In welchen Bereichen sehen Sie besonderen Bedarf, den Austausch mit Russland zu intensivieren?

Im Mittelpunkt sollte ganz allgemein das Bestreben stehen, durch Dialog und Austausch die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland weiter zu verbessern. Seit dem Tiefpunkt des deutsch-russischen Verhältnisses infolge der Ukrainekrise sind wir in dieser Hinsicht, wenn auch mit zugegebenermaßen kleinen Schritten, ein ganzes Stück vorangekommen. Daran müssen wir weiter arbeiten.

Der erste konkrete Anknüpfungspunkt für einen verstärkten Austausch ist die Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft und Wissenschaft, an deren Ausbau beide Seiten großes Interesse haben. Auch der Dialog auf regionaler und kommunaler Ebene funktioniert traditionell sehr gut, gerade wenn es um Städtepartnerschaften oder um Erfahrungsaustausch bei Fragen wie der kommunalen Selbstverwaltung geht.

Wenn man einen Weg findet, die derzeitigen außenpolitischen Meinungsverschiedenheiten in der Ukraine-Frage zumindest teilweise zu lösen, steht auch einer verstärkten außen- und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit – etwa beim Umgang mit Iran, Syrien oder Nordkorea und bei der Bekämpfung des weltweiten Terrorismus – grundsätzlich nichts mehr im Wege.

Das Motto der Hanns-Seidel-Stiftung lautet: „Im Dienst von Demokratie, Frieden und Entwicklung“. Sprechen Sie mit russischen Stellen auch über kritische Themen?

Wir möchten vor allem unseren Beitrag dazu leisten, den deutsch-russischen Dialog zu fördern und zu intensivieren. Natürlich können dabei gegebenenfalls auch Themen zur Sprache kommen, die aus unserer Sicht einer demokratischen Entwicklung im Wege stehen könnten, aber im Mittelpunkt unserer Arbeit steht ganz klar das Verbindende zwischen unseren beiden Ländern.

Auf keinen Fall möchten wir Einfluss auf innerrussische Entscheidungen nehmen und erwarten von der russischen Seite dasselbe, wenn es um innerdeutsche Angelegenheiten geht. Wir sehen uns hier als Gast und möchten weiterhin konstruktiv mit der russischen Seite zusammenarbeiten.

Die Hanns-Seidel-Stiftung steht der CSU nahe. Inwiefern spiegelt sich das in Ihrer Arbeit in Russland wider?

Bayern hat traditionell ein besonders enges Verhältnis zu Russland, das über Jahrzehnte hinweg aufgebaut und gepflegt worden ist. Mit Horst Seehofer ist im März dieses Jahres der bayerische Ministerpräsident, der zugleich CSU-Vorsitzender ist, vom russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin auf föderaler Ebene empfangen worden; allein diese Tatsache zeugt von der großen Wertschätzung, die dem Freistaat Bayern in Russland entgegengebracht wird.

Doch auch wenn die Hanns-Seidel-Stiftung die politischen Grundlinien der CSU teilt und versucht, an Dialog interessierten Politikern so manche Türe in Russland zu öffnen, müssen wir uns an das sogenannte Distanzgebot zu der Partei halten, der wir nahestehen. Dies bedeutet unter anderem, dass wir als Moskauer Verbindungsstelle ausschließlich die Hanns-Seidel-Stiftung in Russland vertreten und nicht die CSU selbst.

Horst Seehofer und Wladimir Putin
Im März traf Horst Seehofer mit Wladimir Putin zusammen. Quelle: kremlin.ru

Wie unterstützt die Hanns-Seidel-Stiftung den wirtschaftlichen Austausch zwischen Russland und Deutschland bzw. Bayern?

Wir haben in diesem Jahr zwei wirtschaftspolitische Dialogprogramme durchgeführt: Eines zum Thema Mittelstand, das andere zum Thema Gründerszene und Startups. Dabei kommen natürlich vielfältige Kontakte zustande. Aber wir sehen immer wieder, dass sich auch bei anderen Themen wie zum Beispiel beim bereits erwähnten umweltpolitischen Dialogprogramm zum Recycling konkrete Investitions- und Geschäftsmöglichkeiten ergeben.

Unsere Arbeit ist nicht direkt darauf ausgerichtet, konkrete Projekte zwischen deutschen und russischen Unternehmen anzustoßen, aber wir geben beiden Seiten die Gelegenheit, sich ein Netzwerk aufzubauen. Und aus diesen Kontakten können sich später durchaus konkrete Projekte ergeben.

Herr Dresel, ich bedanke mich für das interessante Gespräch.

Titelbild
Quelle: Foto Ostexperte.de[/su_spoiler]