Wie Mercedes trotz Krise neue Dieselmotoren in Russland produziert.
Die russische Autobranche überlebt schon das ganze Jahr nur dank staatlicher Unterstützung. Die hiesige Mercedes-Benz-Tochter schlägt sich tapfer. Im kommenden Jahr startet der Verkauf neuer in Russland produzierter Dieselmotoren der Klasse Euro-5 für Sprinter-Kleintransporter. Das Unternehmen will sich aufrappeln, reduziert die Produktion, sucht nach lokalen Alternativen und vielversprechenden Exportpartnern.
Von Peggy Lohse, Redakteurin der Moskauer Deutschen Zeitung. Der Artikel ist unter dem Titel „Sprint zu Euro-5“ in der Ausgabe 414 der MDZ erschienen.
„Das ist für niemanden von uns erfreulich“, sagt Sören Häse, der Leiter von Mercedes Vans Russia, „aber wenn es ein Land aus einer solchen Krise heraus schafft, dann ist das Russland! Das haben wir in den 90er Jahren gesehen und auch 2008.“ Der gegenwärtige „Krisenmodus“, wie er es nennt, bestimmt das Geschäft. Politische Krise, Rubelverfall, Wirtschaftssanktionen. Besonders der Automarkt fährt in diesem Gang.
Produktion mit angezogener Handbremse
Am 19. November trat in der Staatsduma eine Expertenkommission zur Lage der russischen Automobilbranche zusammen. Seit dem Erfolgsjahr 2012 habe sich der Produktionsumfang bis heute halbiert, so die Vorsitzende des Expertenrates des Komitees für Industrie und innovative Entwicklung der Autoindustrie, Alfija Kogogina.
Die Automobilproduktion sei bereits auf 40 Prozent reduziert, erklärte Alexander Morozow, stellvertretender Minister für Industrie und Handel. Im kommenden Jahr könne sie um weitere 9 Prozent sinken. Das sei nah am Auto-Krisenjahr 2010, als die Fabriken die Produktion auf 30 Prozent herunterfahren mussten. Experten befürchten gar einen Zusammenbruch der russischen Autoproduktion.
Wieso sich die Mercedes Vans wacker schlagen
Diese Tendenzen machen auch vor dem Daimler-Ableger Mercedes-Benz Vans Russia nicht Halt, der seit Sommer 2013 in Zusammenarbeit mit den GAZ-Fabriken in Russland seine Sprinter Classic-Reihe produziert. Die Sprinter sind als Transporter sowie als Minibus sehr populär. Im Jahr 2014 wurden schon 6.600 dieser Sprinter verkauft, im Juni 2015 rollte in Nischnij Nowgorod der 10. 000ste vom Band. Gleichzeitig wurde damals mit der Produktion eigener Dieselmotoren in Jaroslawl begonnen.
Unter den ausländischen Van-Marken ist Mercedes in Russland Nummer Eins, überrundet wird es nur von GAZ und UAZ. 2015 sind die Verkaufszahlen von Kleintransportern insgesamt in Russland im Vergleich zum Oktober des Vorjahres um 32 Prozent zurückgegangen, Mercedes erlitt mit seinen Sprintern einen Absturz um gar 45 Prozent.
Aber bei Mercedes Vans in Russland gibt es auch erfreuliche Neuigkeiten: Die bisherige Jahresbilanz bis Ende Oktober 2015 zeigt noch immer ein Verkaufsplus von 11,8 Prozent, während der gesamte russische Transporter-Markt um fast 30 Prozent eingeknickt ist.
Neue Euro-5-Motoren aus Jaroslawl
Am 1. Januar 2016 startet außerdem die Produktion des hauseigenen Dieselmotors OM646 (siehe Titelbild) gemäß dem Standard Euro-5. Dieser wurde bereits 2009 in der Europäischen Union eingeführt, 2014 wurden Euro-5-Motoren in Russland zugelassen. Bis zum 1. Juli 2016 sollen alle neuen Motoren diesem Standard entsprechen. Im Vergleich zum Vorgänger Euro-4 soll vor allem der Kohlenstoffausstoß um 63 Prozent verringert werden. Die mit den neuen Motoren ausgestatteten Sprinter sollen außerdem leiser und geruchsärmer fahren.
Mercedes-Benz beschäftigt in seiner Motorenfabrik in Jaroslawl derzeit 15 Mitarbeiter in der Produktion und im Qualitätsmanagement. Sie wurden von Daimler-Benz in Mannheim ausgebildet. Täglich werden hier 20 bis 30 OM646-Dieselmotoren gebaut. Maximal könne das Werk jährlich bis zu 20. 000 Stück produzieren.
Im „Krisenmodus“ arbeite es aber vorerst nur im Ein-Schicht-System. Für frühestens 2017 rechnen Marktbeobachter mit einem leichten Aufwind in der Branche.
Bis dahin zu überleben, wird, trotz der noch immer guten Marktposition, auch für Mercedes nicht leicht.
Export statt Auslagern
Allein die Metalle seien im letzten Jahr rund 40 Prozent teurer geworden, sagte Soja Kaika, die stellvertretende Generaldirektorin des russischen Autoherstellers Sollers, in der Kommissionssitzung der Staatsduma im November. Dazu komme im Fall der Mercedes-Sprinter der technische Anspruch. „Wir bauen in unseren Autos Hightech ein“, erklärt Häse, „das bekommen wir hier kaum. Wir versuchen schon so viel wie möglich vor Ort zu lokalisieren.“
Während russische Vertreter wie Morozow nach möglichen Auslagerungsstätten der Produktion – zum Beispiel in Vietnam – suchen, setzt Mercedes auf den Export, aktuell vorrangig innerhalb der Zollunion, darunter Kasachstan und Belarus.
Die russische Regierung will indes die Autobranche weiter subventionieren. Im kommenden Jahr könnten rund 30 Milliarden Rubel (etwa 400 Millionen Euro) für ermäßigtes Leasing und Kredite bereitgestellt werden. Auch zur Fuhrparkerneuerung bei Transportunternehmen sollen die Subventionen gelten – zum Beispiel mit neuen Minibussen. Vielleicht auch von Mercedes.
Über die Autorin:
Peggy Lohse
ist Redakteurin der Moskauer Deutschen Zeitung (MDZ). Die MDZ ist eine zweiwöchentlich in Moskau erscheinenden Zeitung mit einem deutschen Teil und einem russischen Teil.
Peggy Lohse schreibt zudem einen deutsch-russischen Blog.
Quellen:
Artikel:
„Sprint zu Euro-5“ wurde zuerst in der Moskauer Deutschen Zeitung Ausgabe 414 veröffentlicht.
Titelbild und weitere Bilder von Peggy Lohse [/su_spoiler]