Lesetipp: „Feindbild Russland. Geschichte einer Dämonisierung“ von Hannes Hofbauer
Ab sofort stellt Ihnen Ostexperte.de regelmäßig ausgewählte Bücher und andere Produkte zu Russland, China und Eurasien vor. Unser heutiger Lesetipp ist “Feinbild Russland” von Hannes Hofbauer. Exklusiv für Ostexperte.de-Leser veröffentlichen wir einen Auszug aus dem Buch.
Wie ist das Feindbild Russland entstanden?
Ein Auszug aus dem Klappentext:
Hundert Jahre nach dem Ersten Weltkrieg herrscht im Westen wieder eine russophobe Grundstimmung. Washington und Brüssel erlassen Einreiseverbote gegen Diplomaten, verhängen Sanktionen, sperren Konten, schließen Russland aus internationalen Gremien aus, boykottieren sportliche Großereignisse und mobben „Russlandversteher“ in den eigenen Reihen.
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Man möge glauben, diese Zeilen wurden erst kürzlich verfasst. Russophobie, Einreiseverbote, Sanktionen. Seit vielen Jahren verliert die Themen nicht an Aktualität und werden von vielen Autoren aufgegriffen, auch von Hannes Hofbauer. In seinem Buch „Feindbild Russland“ verfolgt der Historiker das Phänomen der Russophobie zurück bis ins 15. Jahrhundert, als der Zar im Zuge der kriegerischen Reichsbildung gegen Nordwesten zog. Es ging um Herrschaft, Konkurrenz und Meereszugang. Der Kampf um reale wirtschaftliche und (geo)politische Macht wurde auch damals schon ideologisch begleitet: Der Russe galt seinen Gegnern als asiatisch, ungläubig, schmutzig und kriecherisch, Stereotypen, die sich über Jahrhunderte erhalten haben.
In seinem Buch analysiert Hannes Hofbauer die Ursprünge der feindlichen Einstellung gegenüber Russland. Um den Lesern ein tieferes Verständnis zu geben, schildert der Autor die Ereignisse des ersten und des zweiten Weltkrieges. Diese haben dem Feindbild Russlands erheblich beigetragen.
Eine wichtige Rolle in der Geschichte und im Buch von Hannes Hofbauer nimmt der Konflikt in der Ukraine ein. Die Bedeutung der Ukraine wird aus dem folgenden Ausschnitt deutlich.
Leseprobe: Die Ukraine zwischen den Fronten
Es war das Herauslösen der Ukraine aus dem Russischen Reich, das damals – wie heute – eine zentrale Rolle in den deutschen Planungen spielte. In Militär- und Geheimdienstkreisen machte sich dafür eine eigene sogenannte »Osteuropäische Schule« Gedanken, wie das zaristische Vielvölkerreich entlang der ethnischen Linien gespalten werden könnte. Die Rede war von einer eigenen »Randstaatenpolitik«, die – anders als groß- und alldeutsche Ansätze – nicht-russischen Völkern eine gewisse Selbstständigkeit gewähren sollte. Einer der führenden Köpfe dieses Ansatzes war der im damaligen russischen Kurland aufgewachsene Deutschbalte Paul Rohrbach. Während des Ersten Weltkrieges arbeitete er im deutschen Auswärtigen Amt. In seiner Schrift Die russische Revolution – gemeinsam mit Axel Schmidt verfasst – reagierte er auf die Oktoberereignisse des Jahres 1917 und machte sich Sorgen um eine mögliche Konsolidierung Russlands unter revolutionärer, roter Fahne. Der, wie er es nennt, »Zwangsverband zwischen den Großrussen und den Fremdvölkern« müsse aufgelöst werden. Und Rohrbach wird deutlich: »Entscheidend hierfür ist die Lösung der ukrainischen Frage. Bleiben die Ukrainer Untertanen der Moskowiter, so bleibt das Grundelement der russischen Gefahr sowohl direkt durch die ungeheure Zahl und das reißende Wachstum der russischen Masse, als auch indirekt durch die Fortdauer des russischen Willens nach Konstantinopel erhalten.«
(…)
Am 18. Februar 1918 marschierten deutsche und österreichische Soldaten in die Ukraine ein und errichteten zwei Besatzungszonen. Österreich-Ungarn installierte sein Oberkommando in Odessa, die deutsche Militärführung ihres in Kiew. Der gesamte Schwarzmeerraum von Bessarabien über die Krim bis zum Kaukasus stand unter deutscher bzw. österreichisch-ungarischer Kontrolle. Vor diesem Hintergrund blieb dem revolutionären Russland unter Führung des Volkskommissars für äußere Angelegenheiten, Leo Trotzki, keine andere Wahl, als am 3. März 1918 dem Friedensvertrag von Brest-Litowsk zuzustimmen, dessen ungünstige Bedingungen in Versailles teilweise wieder revidiert werden sollten. Das Überschreiten der Waffenstillstandsgrenze durch deutsche und österreichische Truppen am 18.Februar und die anschließende Besetzung der Ukraine zwangen den russischen Delegationsleiter Trotzki zum Einlenken. Die russische Demütigung von Brest-Litowsk liest sich in Zahlen folgendermaßen: Russland verlor in diesem im März 1918 aufgezwungenen Friedensvertrag 26% seines europäischen Territoriums, 27% des anbaufähigen Landes, insgesamt 1,4 Mio. Quadratkilometer Land, auf dem 60 Mio. Menschen – ein Drittel der Gesamtbevölkerung des Reiches – leben.
(…)
Wie groß die Rolle der Ukraine in den deutschen Planungen für die Nachkriegszeit war, zeigt ein 1918 in Deutschland weit verbreitetes Plakat, das vermutlich auch im Schulunterricht Verwendung fand. Auf ihm sind politische und sozio-ökonomische Karten der Ukraine zu sehen. Mit Blick auf die begehrte fruchtbare Schwarzerde im Süden und die Rohstoffe im Osten des Landes steht am Rande des Plakates zu lesen: »Die landwirtschaftliche Produktion der Ukraine im Frieden könnte den Bedarf der Mittelmächte (also auch Deutschlands, d. A.) sicherstellen, ihre reichen Schätze an Kohle, Erze, Salz und Petroleum würden einen Überschuß für Mitteleuropa lassen.« Die Ukraine, da waren sich beim Zusammenbruch des Zarismus Unternehmer, Politiker und offensichtlich auch Lehrer einig, würde künftig deutschen Interessen dienen.
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