Russischer Minister: „Deutschland ist Partner Nummer 1!“

Russischer Vize-Industrieminister: „Deutschland ist Partner Nummer 1!“

Seit März 2017 veröffentlicht der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft eine regelmäßige Kolumne auf Ostexperte.de. Heute geht es um die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen.


Die Zukunft des Automobils in Russland

“Deutschland ist für uns nicht nur irgendein Partner. Deutschland ist Partner Nummer 1!”, betonte der russische Vizeminister für Industrie und Handel, Alexander Morosow, in Berlin. Es blieb aber nicht nur bei diesem Bekenntnis. Der unter anderem für den Automobilsektor zuständige Morozow kündigte Änderungen bei den Zollsätzen, Modifikationen bei der Lokalisierung, staatliche Kofinanzierung bei ausländischen Investitionen, Mittelstandsförderung und Adaptionen der Technischen Reglements in der Branche an. Die im Saal sitzende versammelte deutsche Automobilindustrie hat’s gern gehört. Und weiter ging die atemlose Hatz in Richtung Zukunft. Bis 2020 soll das Exportvolumen auf fünf Milliarden € steigen. Der Staat hat gewaltiges Interesse an E-Mobility, autonomem Fahren, Konnektivität und braucht dafür westliches Know-how, vor allem deutsches.

Russland 2 Millionen, China 40 Millionen

Die Werbung für Investitionen in einen Sektor, der seit Jahren weit hinter den Erwartungen zurückbleibt, war nicht zu überhören. 2012 wurden in Russland knapp drei Millionen Neufahrzeuge verkauft, 2017 waren es etwa 1,6 Millionen. Die gute Hälfte davon wurde nur mit Hilfe staatlicher Subventionen in den Markt gebracht. Die mit viel Aufwand ins Land geholten internationalen OEMs haben damals Kapazitäten aufgebaut und sich zu Produktionszielen verpflichtet, die in der anhaltenden wirtschaftlichen Krise viel zu ehrgeizig waren. Einzig der Export konnte die Bilanz ein wenig verbessern. Für das Jahr 2020 rechnet das Ministerium mit einem Absatz von über zwei Millionen Einheiten. China will innerhalb der nächsten 15 Jahre den Verkauf auf 40 Millionen Neufahrzeuge verdoppeln. Gerade in diesem Verhältnis wird deutlich, wie schwierig es für Tier 1,2,3 bis N Lieferanten ist, der Forderung nach tieferer Lokalisierung in Russland nachzukommen. Denn der Wettbewerb der Regionen ist überdeutlich. Die Region – Europa, China/Asien oder Amerika – die diesen Wettlauf gewinnt, wird auch für die Produzenten und Zulieferer die attraktivste sein.

Kooperation zwischen Ost-Ausschuss und Ostexperte.de
Seit März 2017 veröffentlicht der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft eine regelmäßige Kolumne auf Ostexperte.de. Heute geht es um die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen.

Der Automarkt ist um 25 Prozent weltweit gewachsen

In kaum einem anderen Industriebereich ist die Supply Chain so internationalisiert wie in der Automobilindustrie. Um dem Wunsch der russischen Regierung nach mehr Investitionen und mehr Local Content zu entsprechen, müsste der Markt deutlich dynamischer wachsen, vor allem aber größer sein. “Der Zuwachs im Automobilmarkt betrug 25 Prozent in den letzten fünf Jahren”, so Arndt Kirchhoff, Vorsitzender der Geschäftsleitung KIRCHHOFF Automotive GmbH. Davon ist Russland weit entfernt. Aber vielleicht liegt die Zukunft der russischen Automobilindustrie nicht im konventionellen Fahrzeugbau. Warum sollte nicht gelingen, was in der Telekommunikation und bei der IT erfolgreich umgesetzt wurde. Anstatt an alten Technologien festzuhalten oder den Versuch zu unternehmen, den technologischen Rückstand aufzuholen, hat man in diesen Branchen konsequent auf neueste Entwicklungen gesetzt und war damit erfolgreich

Elektromobilität: 50 Prozent aller weltweiten Patente kommen aus Deutschland

“Wir können, wenn wir es richtig machen, unsere Zusammenarbeit jetzt verbessern und intensivieren”, ist Kirchhoff überzeugt. Im Unterschied zur öffentlichen Diskussion um die mangelnde Zukunftsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie verfügt Deutschland über 50 Prozent der Patente bei der Elektromobilität und 40 Prozent beim autonomen Fahren. Im Zusammenspiel mit den enormen Rohstoffressourcen der Russischen Föderation könnte hier ein zukünftiger Markt bedient werden, dessen Dimension noch gar nicht absehbar ist. Dazu bedarf es einer weiteren Öffnung der russischen Wirtschaft für internationale Kooperationen. 75 Prozent des Know-how in einem Fahrzeug kommt über die Zulieferer ins Endprodukt. Sie sind die Know-how-Träger und verfügen über die Entwicklungskompetenz. Wenn es gelingt, die zumeist mittelständischen Unternehmen für ein Engagement in Russland zu begeistern, dann wäre der Technologietransfer die logische Folge.

Zölle runter, mehr Flexibilität

Dazu müssen nichttarifäre Handelsbarrieren, Import- und auch Exportzölle gesenkt bzw. abgeschafft werden, bedarf es einer perfekten Logistik und dem Verständnis dafür, dass Plattformproduzenten nicht in Russland lokalisieren können. Um Teil der weltweiten Lieferkette zu werden, brauchen allerdings auch die russischen Produzenten mehr Mut. Kein einziger von ihnen hat eine Dependance im Ausland, die Ratings sind eher C und D als A und B. Ein erster Schritt zur Integration in den Weltmarkt ist die Angleichung von Standards und Normen, der Abgleich der Technischen Reglements. Hier ist der Staat gefragt. Beim Thema Qualität und Engineering ist die Zusammenarbeit zwischen russischen und deutschen, internationalen Produzenten notwendig. Qualitätsstandards einzuhalten ist auch eine Frage der Technologie, aber mindestens genauso sehr des Wissens um die Prozesse.

Die Wirtschaft muss die Politik motivieren

Und noch eine Herausforderung steht vor der Automobilindustrie in Russland. Es gibt nicht genug Rohmaterialien und nicht in der notwendigen Qualität. Vieles von dem, was in einem Auto verbaut wird, ist in Russland aber eigentlich vorhanden. Es muss auch in Russland möglich sein, Edelstahl in Qualitäten zu liefern, die den Vorgaben entsprechen. Das Ministerium für Industrie und Handel ist bereit, für die Entwicklung qualifizierter Hersteller von Metallen und Kunststoffen tief in die Tasche zu greifen. Die Programme für die zukünftige technologische und strategische Ausrichtung der Automobilindustrie werden in diesen Tagen in der Regierung und im Ministerium besprochen und beschlossen. Die deutschen OEM und Zulieferer würden sich wünschen, was Arndt Kirchhoff in die schönen Worte kleidete: “Es könnte uns gelingen, dass wir über die Industrie und über die Wirtschaft die Politik motivieren.” Sein Wort in der Herren Ohr.

Titelbild
Quelle: berlinpictures16 / Shutterstock.com[/su_spoiler]