Ausländische Investitionen in Russland steigen

Ausländische Investitionen in Russland steigen – Was zieht wieder mehr Unternehmen nach Russland?

Eine spürbare Erholung der russischen Wirtschaft lässt auf sich warten. Die Investitionen der russischen Unternehmen sind 2016 weiter gesunken. Ausländische Unternehmen haben 2016 hingegen mehr als 2015 in Russland investiert. 

Wir ziehen zum Jahreswechsel eine Bilanz der längerfristigen Entwicklung. Wie sieht es insbesondere bei den Investitionszuflüssen aus Deutschland aus? Was macht Russland trotz Sanktionen für ausländische Investoren wieder attraktiv? Wie hat Russland in diesem Jahr bei internationalen Vergleichen der Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften und der Arbeitsbedingungen für Unternehmen abgeschnitten?

Ergebnisse im Überblick:

  • Nur Hoffnungsschimmer bei inländischen Investitionen
  • Beim Zustrom ausländischer Direktinvestitionen hat eine Erholung begonnen: Insgesamt dürften sie 2016 wegen des Verkaufs von Rosneft-Aktien ähnlich hoch sein wie 2014 (22 Milliarden Dollar)
  • Deutsche Unternehmen investieren bereits seit 2015 wieder mehr in Russland: Nach einer Erholung auf 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2015 übertrafen die deutschen Direktinvestitionen bereits in den ersten neun Monaten 2016 die 2 Milliarden Euro-Marke. Höher waren sie zuletzt im Jahr 2008.
  • Russlands Pluspunkte: Ein großer Markt und der billige Rubel;
    Investitionen sind für Ausländer preiswert und die Lohnkosten niedrig
  • Aber es gibt auch „Störfaktoren“: die hohe Korruption, bürokratische Belastungen und fehlende Planungssicherheit

Konjunktur ist weiter „mau“; Inländer investieren noch weniger als 2015

Russlands gesamtwirtschaftliche Produktion ist 2016 voraussichtlich weiter gesunken. Die meisten Beobachter erwarten einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,5 bis 1 Prozent. Und mit einer kräftigen Erholung rechnen in den nächsten Jahren die wenigsten Analysten.

Auch die Anlageinvestitionen sind 2016 weiter verringert worden. 2015 waren sie um 8,4 Prozent eingebrochen. In den ersten drei Quartalen 2016 unterschritten sie das Vorjahresniveau um weitere 2,3 Prozent.

Ein Hoffnungsschimmer zeigt sich immerhin: Im 3. Quartal waren die Investitionen etwas höher als vor einem Jahr. Für das vierte Quartal erwartet das Wirtschaftsministerium aber wieder niedrigere Investitionen als vor einem Jahr. Im Jahresdurchschnitt rechnet es mit einem weiteren Rückgang um 3,7 Prozent. Erst im nächsten Jahr werden langsam wachsende Investitionen erwartet.

Ein Lichtblick: Erholung der Investitionen aus dem Ausland hat begonnen

Obwohl die russische Wirtschaft also nur sehr langsam wieder in die Gänge kommt, sind die ausländischen Direktinvestitionen 2016 deutlich gestiegen – allerdings von sehr stark gedrücktem Niveau. Vor der Verhängung der Sanktionen waren sie im Jahr 2013 noch auf rund 69 Milliarden Dollar gestiegen. 2014 brachen sie mit der Verschärfung der Ukraine-Krise aber um rund zwei Drittel ein. Und 2015 investierten ausländische Unternehmen nur noch knapp ein Zehntel (6,5 Milliarden Dollar) des zwei Jahre vorher erreichten Niveaus.

2016 begann die Erholung. Schon in den ersten neun Monaten wurden laut Bloomberg nach ersten Angaben der Zentralbank rund 8,3 Milliarden Dollar aus dem Ausland investiert. Einschließlich der rund 11 Milliarden Dollar, die der Rohstoffhändler Glencore und der katarische Fonds „Qatar Investment Authority“ (QIA) für 19,5 Prozent der Rosneft-Aktien zahlen, werden 2016 wohl wieder ähnlich viel ausländische Investitionen nach Russland fließen wie 2014. Damals beliefen sich die Direktinvestitionen noch auf rund 22 Mrd. Dollar (rd. 16,6 Mrd. Euro).

Ausländische Direktinvestitionen in Russland.
Ausländische Direktinvestitionen in Russland.
Quelle: Factosphere.com

Der Höhepunkt von 2013 (rund 69 Milliarden Dollar) ist damit aber noch längst nicht wieder erreicht. Damals hatte der Kauf von Rosneft-Aktien durch BP den Zufluss von ausländischen Direktinvestitionen nach Russland nach oben getrieben.

Deutsche Investitionen in Russland haben sich bereits 2015 kräftig erholt

In der Statistik der deutschen Direktinvestitionen in Russland konnten in den letzten Jahren keine mit dem aktuellen Kauf von Rosneft-Aktien vergleichbaren „Mega-Geschäfte“ verzeichnet werden. Zuletzt hatte vor fast 10 Jahren im Jahr 2007 die Beteiligung der E.ON AG am russischen Stromerzeuger OGK-4 für 4,4 Milliarden Euro die deutschen Direktinvestitionen in Russland auf 7,4 Milliarden Euro steigen lassen.

Deutsche Direktinvestitionen in Russland; in Millionen Euro

2007200820092010201120122013201420151.-3. Quartal 2016
+7.398+3.604+678+1.894+1.147+580+667-200+1.777+2.045
Quelle: Deutsche Bundesbank: Zahlungsbilanz / Kapitalbilanz / Inländische Nettokapitalanlagen im Ausland / Direktinvestitionen / Russische Föderation

Ruth Bender: German Firms Place New Bets on Russia; Wall Street Journal, 08.12.2016
Ruth Bender: German Firms Place New Bets on Russia; Wall Street Journal, 08.12.2016

Seit 2009 überschritten die Investitionszuflüsse aus Deutschland aber die Marke von 2 Milliarden Euro nicht mehr. Als sich die Ukraine-Krise verschärfte und Sanktionen verhängt wurden, zogen die deutschen Unternehmen 2014 sogar rund 200 Millionen Euro Direktinvestitionen aus Russland ab. Schon 2015 wurden aber wieder rund 1,8 Milliarden Euro erreicht.

In diesem Jahr ist die 2 Milliarden-Marke nach vorläufigen Zahlen der Bundesbank bereits in den ersten drei Quartalen knapp überschritten worden. Deutsche Unternehmen investierten fast die Hälfte mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Beispiele über die auch Ostexperte.de berichtete, sind Volkswagen, Henkel, das Elektounternehmen OBO Bettermann und der Pumpenbauer Wilo. Die FAZ sieht inzwischen wieder „Liebesgrüße“ deutscher Investoren nach Russland flattern. Auch Daimler will sich nach ihren Informationen in den Reigen einreihen. Investitionen von mindestens 300 Millionen Euro in ein Montagewerk nahe Moskau seien nach russischen Regierungsangaben fast unterschriftsreif.

Laut Wall Street Journal, dem der deutsche Investitionsschub in Russland ebenfalls einen Bericht wert ist, ist Deutschland nach Angaben des russischen Direktinvestitionsfonds mit 35 neuen Projekten 2016 zweitgrößter Investor nach China.

AHK-Vorstandsvorsitzender Matthias Schepp:
Regierung treibt mit „Zuckerbrot und Peitsche“ zu neuen Investitionen

Zur neu erwachten Investitionslust der deutschen Unternehmen meinte der Vorstandsvorsitzende der AHK Russland, Matthias Schepp, bei der Vorstellung der Sommerumfrage bei deutschen Unternehmen in Russland:

„Deutsche Unternehmen investieren im großen Stil, weil der Rubel schwach ist, Regierung und Gouverneure ihnen den roten Teppich ausrollen und umgekehrt immer neue Regelungen zur lokalen Produktion zwingen.“

„Es ist eine Politik aus Zuckerbrot und Peitsche, die aus Sicht der russischen Regierung durchaus erfolgreich ist.“

„Wenn das politische Risiko durch die Krisen in der Ukraine und Syrien nicht deutlich gestiegen wäre, könnten die Zahlen noch höher sein.

Die russische Regierung versuche viel, um Unternehmen anzulocken – etwa mit Sonderinvestitionsverträgen. Diese Verträge geben ausländischen Firmen unter anderem gleichberechtigen Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen.

AHK-Umfrage bei deutschen Unternehmen zeigt Probleme und Defizite

Die AHK-Umfrage zeigte gleichzeitig, wo Probleme liegen. Die AHK verweist auf fehlende Planungssicherheit, hohe Belastungen durch die Bürokratie und die Inflation. Probleme machten auch protektionistische Regelungen, der hohe Leitzins, die Regelungen zur Importsubstitution und der eingeschränkte Zugang zu Krediten. Die Unsicherheit der Marktentwicklung mit Sanktionen, schwankendem Ölpreis und Rubel-Wechselkurs belaste die Unternehmen.

Hauptstörfaktor für die deutsche Wirtschaft in Russland sei nach wie vor die Korruption. Im aktuellen Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International, der sich auf Korruption in öffentlichen Institutionen bezieht, belegt Russland Platz 119 von 168 Ländern. Bei der Korruptionsbekämpfung in der Wirtschaft hat sich nach Angaben der AHK aus Sicht der deutschen Unternehmen auch 2016 nur wenig getan. Sie vermissen außerdem nach wie vor eine gezielte Förderung mittelständischer Unternehmen.

Ausführlich nahm Matthias Schepp Anfang Dezember in einem Interview mit Ostexperte.de zur Lage des deutschen Mittelstands in Russland und zu den Investitionsbedingungen für deutsche Unternehmen Stellung. Sein Fazit trotz aller Probleme und Störfaktoren: Russland bleibt attraktiv für den deutschen Mittelstand. Das Investitionsklima habe sich an einigen Stellen deutlich und entscheidend verbessert.

Wichtigster Pluspunkt: Hohes Gewinnpotenzial auf einem großen Markt

„Ein Markt mit 143 Millionen Konsumenten und weiteren 140 Millionen in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten ist es wert, in ihn zu investieren – zumindest einen Teil dessen, was ein Konzern für Expansion ausgibt“ stellt die FAZ fest.

Die FAZ macht klar, was den Unternehmen hilft, die Scheu vor Investitionen in Russland zu überwinden: Drei Viertel der deutschen Direktinvestitionen in den ersten drei Quartalen sind reinvestierte Gewinne. „Das zeigt, dass Ausländer in Russland selbst in einer Rezession Geld verdienen können“. Die „unterentwickelte Unternehmenslandschaft“ belohne Unternehmen in Russland, oligopolistische Strukturen beschützten ihre Margen.“

Christian Himmighoffen, Pressereferent beim Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, macht darauf aufmerksam, dass die Abwertung des Rubel ein Grund für den hohen Anteil reinvestierter Gewinne sein könnte. Der gesunkene Rubel-Kurs mache es für ausländische Unternehmen weniger attraktiv, Gewinne aus Russland in den Euroraum zu transferieren. So sei der Anteil reinvestierter Gewinne an den deutschen Direktinvestitionen in Russland im ersten Halbjahr 2016 auf 73 Prozent gestiegen ist. Im ersten Halbjahr 2015 seien es nur 59 Prozent gewesen.

Die Rubel-Abwertung und Lohnsenkungen im Verlauf der Wirtschaftskrise haben dem Standort Russland im internationalen Wettbewerb Vorteile gebracht. Eine Studie der führenden Moskauer Wirtschaftsuniversität „Higher School of Economics“ zeigte: Die Arbeitseinkommen in Russland sind 2015 im Durchschnitt auf 558 US-Dollar gesunken. Sie waren damit rund 30 Prozent niedriger als 2011 und sind jetzt kaum noch höher als in Kasachstan. Das Lohnniveau in der Tschechischen Republik (1053 $) war hingegen 2015 Jahr fast doppelt so hoch wie in Russland.

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Presseberichte zu ausländischen, insbesondere deutschen Investitionen in Russland

Thorsten Gutmann: Deutsche Unternehmen kehren nach Russland zurück; Ostexperte.de, 09.12.16

Christian Himmighoffen: Deutschland als Schlüsselinvestor; in Ost-Ausschuss-Informationen, 09.12.16

Ruth Bender: German Firms Place New Bets on Russia; Wall Street Journal, 08.12.2016

Benjamin Triebe: Russische Wirtschaftslage: Liebesgrüße nach Moskau, 08.12.2016

Ostexperte.de-Interview mit Matthias Schepp, Vorstandsvorsitzender der AHK Russland:
AHK Russland: „Russland bleibt attraktiv für den deutschen Mittelstand; 01.12.2016

Ilya Khrennikov: Big Western Companies Are Pumping Cash Into Russia; Bloomberg, 23.11.2016

  1. Tanas: Cheapest Labor Since Tsars Ruled; Russia a Draw for Samsung, Ikea; Bloomberg, 16.11.

Jan Dams et al.: Investitionsboom: So tricksen sich deutsche Konzerne nach Russland; Welt, 02.07.16

Daten zur Entwicklung ausländischer Investitionen in Russland

Russische Zentralbank: Statistical Bulletin November 2016; 06.12.2016

Factosphere.com: Foreign Direct Investments

Deutsche Bundesbank: Statistiken: Zeitreihen: Zahlungsbilanz / Kapitalbilanz / Inländische Nettokapitalanlagen im Ausland / Direktinvestitionen / Russische Föderation

GTAI: Wirtschaftsdaten kompakt: Russland; 22.11.2016

AHK Russland: Russland in Zahlen; November 2016

Ernst & Young Global Investment Monitor 2016

Ullrich Umann (GTAI): Russland zieht wieder mehr ausländische Investitionen an; 01.08.2016

Tobias Lübke (EY): Wo steht Russland als Investitionsstandort …? Präsentation IHK D’dorf; 10.11.16

EY: Foreign investors return to Russia; 16.06.16; European Attractiveness Survey Russia Findings

AHK Russland:

Geschäftsklima-Umfrage: Deutsche Unternehmen sehen Stabilisierung der Wirtschaftslage..; 28.10.16

AHK Russland/OWC-Verlag: German Mittelstand in Russland 2016, Februar 2016

AHK Russland: 100 Fragen und Antworten zum Russlandgeschäft

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