Alexander Rahr: „Putins Russland ist weiterhin auf Kollision mit dem Westen“
Die westlichen Medien haben das diesjährige Treffen des renommierten Valdai Klubs in Sotschi größtenteils ignoriert. Dabei hat sich dieses Forum zu einem führenden internationalen Think Tank und hochkarätiger Debattenplattform zu globalen Fragen entwickelt. Es ist einfach lächerlich, wenn der Valdai Klub, an dessen Sitzungen zahlreiche Wissenschaftler und Journalisten von Weltrang teilnehmen, fälschlicherweise als Propagandawerkstatt des Kreml tituliert wird.
Höhepunkt des Treffens war in diesem Jahr die dreistündige Diskussion mit Wladimir Putin. Die weit angereisten Teilnehmer erhielten seltene Einblicke in das Innenleben des Präsidenten. Die Fragen und Kommentare der westlichen Klubmitglieder waren von einer Servilität weit entfernt, Putin weiß – wer hart austeilt, muss auch einstecken können. Propaganda fand nicht statt.
Richtig zufrieden mit Putins Aussagen waren die wenigsten. Angetan war man aber über die Offenheit des Kremlchefs. Putins Sicht der Dinge: Die Konkurrenz um die Großmachtplätze in der internationalen Politik hat sich verschärft. Der Westen würde aber mit unsauberen Mitteln der Doppelmoral operieren. Russland dagegen beharre auf die Einhaltung vorher festgelegter Spielregeln. So gesehen, eine Umkehrung der westlichen Kritik am Völkerrechtsbruch Russlands in der Ukraine.
Ein objektiver Beobachter musste die von Putin vorgebrachten Fakten akzeptieren. Was Putin zum Ausstieg der Amerikaner aus der gemeinsamen Abrüstungspolitik und zur einseitigen Unabhängigkeit des Kosovo sagte, entbehrte nicht der Logik, auch wenn ihm eine amerikanische Teilnehmer vorwarf, er würde Stereotype verbreiten.
Keine Annäherung an den Westen
Putins Russland ist weiterhin auf Kollision mit dem Westen. Weder in der Ukraine, noch in Syrien gibt es Annäherung. Putin ist zur engeren Antiterrorkooperation bereit, auch zu UN-Blauhelmeinsätzen in der Ostukraine. Allerdings bleibt Russland Schutzmacht der pro-russischen Separatisten, solange die Kiewer Regierung kein Amnestiegesetz und Autonomie für den Donbass erlässt.
Putin scheint heute keine Westpolitik mehr zu haben. Wie er die Beziehungen zur EU und den USA normalisieren kann, weiß er nicht. Die Krim bleibt russisch, auch wenn der Westen irgendwann einmal mit Moskau wieder um den Status der Halbinsel verhandeln will. Die Sanktionen tun heute dem Westen stärker weh als Russland. Russland hat sein nationales Bankkartensystem geschaffen, westliche Importware durch Eigenproduktion ersetzt, bei der Umstellung der Wirtschaft auf die Digitalisierung (Industrie 4.0) liegt Russland mit dem Westen gleichauf.
Mehrmals sagte Putin, was er vom Westen erwarte: Respekt, Respekt, Respekt. Russland will Gleichberechtigung und Akzeptanz seiner nationalen Interessen. Dann, so Putin, könne man die verlorenen Beziehungen schnell wieder aufrichten. Der Traum von einem gemeinsamen Europa vom Atlantik bis zum Pazifik sei längst nicht ausgeträumt.
Auch hofft Putin, anders als die Westeuropäer, auf Trump. In seinem Wahlkampf hatte Trump der Verbesserung der Beziehungen zu Russland höchste Priorität eingeräumt. Putin will den US-Präsidenten nach diesen Worten messen.
Tritt Putin als Präsidentschaftskandidat an?
Am emotionalsten wirkte Putin, als er erzählte, wie die USA in den 1990er Jahren Russland sein Atomwaffenarsenal wegzunehmen versuchte. Russland, so Putin, war damals dumm genug gewesen, einseitig abzurüsten. Den damaligen russischen Aussenminister Kosyrew bezeichnete er als hirnlos. Sollten die USA Wiederaufrüstung betreiben, hätte Russland schon seine adäquate Antwort parat.
Schließlich wurde Putin gefragt, ob er 2018 wieder antreten wolle. Ein Russe meinte, man würde Putin – sollte er abtreten – vermissen. Putin antwortete mit einer Anekdote: Ein bankrotter Oligarch erklärt seiner Frau, sie müssten den teuren Wagen verkaufen und aus der Villa in eine kleine Wohnung umziehen. Er fragt, ob sie ihn trotzdem weiter lieben würde. Sie antwortet: Lieben ja, und auf jeden Fall werde sie ihn stark vermissen.