CEO Instamart: „On-Demand wird in Russland immer wichtiger“

Interview mit CEO Instamart: „Wir liefern Lebensmittel in Moskau innerhalb von zwei Stunden“

Fleisch, Gemüse und Milch per App bestellen, innerhalb von zwei Stunden nach Hause liefern lassen und bequem per Visa-Karte bezahlen – das ist das Konzept von Instamart, einem russischen Online-Lieferservice mit Sitz in Moskau. Im Ostexperte.de-Interview spricht Co-Gründer und Ex-Investmentbanker Peter Fedchenkov über sein Geschäftsmodell und den Einzelhandel der Zukunft.

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Peter Fedchenkov
Peter Fedchenkov ist Co-Gründer von Instamart, einem russischen Online-Lieferservice für Lebensmittel mit Sitz in Moskau. Zu den wichtigsten Investoren zählen die Mail.Ru Group sowie der Ex-Vize-Präsident von Wal-Mart, Lev Khasis. Zuvor war Fedchenkov tätig als Private-Equity-Experte bei Baring Vostok Capital Partners sowie als Investmentbanker bei Credit Suisse und Goldman Sachs. Für eine kurze Zeit arbeitete er auch beim IT-Unternehmen IBM. Er absolvierte u. a. ein MBA-Studium an der Harvard Business School.

Herr Fedchenkov, wie ist Instamart entstanden?

Während meines Studiums in den USA habe ich den Online-Lieferservice Instacart entdeckt. Die Idee dahinter war, Lebensmittel von lokalen Geschäften nach Hause zu liefern. Es ging also nicht darum, mit dem Einzelhandel zu konkurrieren, sondern stattdessen mit ihm zu kooperieren. Damals war Instacart noch klein und unbekannt. Doch die Idee hat mich sofort überzeugt. Mein Ziel war es, dasselbe Prinzip in Russland umzusetzen. Am Anfang haben viele potentielle Partner skeptisch reagiert. Für die meisten Händler waren wir ein paar Jungs, die Waren vom Regal nehmen und weiterverkaufen wollen. Doch dann haben wir eine Kooperation mit Metro Cash & Carry gestartet. Als die Umsätze nach oben gingen, wurden wir von der Zentrale eingeladen, um unser Modell genauer vorzustellen. Aufgrund der B2B-Ausrichtung fiel es uns leichter, eine Zusammenarbeit mit Metro zu beginnen. Es ist eine Win-Win-Situation für beide Seiten.

Wie viele Nutzer haben Sie derzeit?

Im Vergleich zum physischen Lebensmittelhandel sind unsere Nutzerzahlen eher gering. Wir sind sehr nah an 1.000 Bestellungen pro Tag, hochgerechnet sind es 20.000 bis 30.000 im Monat. Für einen Online-Shop ist das jedoch eine gute Performance und wir werden größer und größer.

Wer sind Ihre wichtigsten Handelspartner?

Metro Cash & Carry ist der größte und der älteste Handelspartner, aber auch mit dem Unternehmen WkusWill kamen wir ins Geschäft. Mit kleinen lokalen Läden ist das Geschäftsmodell von WkusWill das absolute Gegenteil zum Hypermarkt Metro. Für die Bedürfnisse der Kunden unserer Zeit haben sie sich dennoch sehr gut positioniert. Außerdem arbeiten wir mit Lenta zusammen, der größten Hypermarkt-Kette aus St. Petersburg. Und Karusel, das zur X5 Retail Group gehört, dem größten Lebensmittelhändler Russlands.

Kann ich mithilfe von Instamart auch als Privatkunde bei Metro Cash & Carry einkaufen?

Ja, das ist möglich. Wir sind selbst ein Firmenkunde von Metro Cash & Carry. Deshalb besitzen unsere Mitarbeiter eine Metro-Karte. Der Großmarkt ist bei unseren Privatkunden sehr beliebt aufgrund seiner riesigen Auswahl, günstigen Preisen und frischen Produkten. Davon profitiert auch Metro, weil das Unternehmen dank Instamart an neue Kunden gelangt.

Instamart
Nach Eingang einer Bestellung begibt sich der Instamart-Fahrer in ein Geschäft und wählt die Waren für den Kunden. © Pressefoto

Wie können Sie eine Lieferung innerhalb von zwei Stunden garantieren? Vor allem Moskau ist bekannt für quälende Staus.

Ein großer Vorteil unseres Geschäftsmodells ist, dass wir keine eigenen Lagerhäuser betreiben. Dadurch ist die Belieferung weniger komplex und günstiger. Derzeit stehen uns in Moskau 32 Geschäfte zur Verfügung, die wiederum von unseren Fahrern in 10 Bereiche aufgeteilt werden. Das Liefernetz haben wir so entwickelt, dass eine Bestellung in einem Zwei-Stunden-Fenster ausgeführt werden kann. Allerdings ist dieser Service nicht 24/7 verfügbar. Je mehr Geschäfte wir in unser Netzwerk aufnehmen, desto effizienter und kostengünstiger können wir operieren. Unser langfristiges Ziel ist es, Bestellungen innerhalb von einer Stunde auszuliefern.

Wie reagieren Sie kurzfristig auf schwankende Nachfrage?

Die Nachfrage ist eigentlich vorhersehbar. Zum einen, weil unsere Marketingabteilung die Entwicklung beobachtet. Zum anderen, weil wir die zukünftige Nachfrage mithilfe von Algorithmen zuverlässig berechnen können. Daher wissen wir schon heute, was und wo unsere Kunden morgen bestellen werden. Auf Grundlage dessen planen wir auch die jeweils benötigte Fahreranzahl. Eine überraschend starke Schwankung über Nacht ist bisher nicht vorgekommen.

Wer zählt zu Ihren wichtigsten Kunden?

Ungefähr 85% aller Bestellungen entfallen auf Privatkunden. Rund 65% davon sind Frauen im Alter von 25 bis 35 Jahren. Das sind häufig junge Mütter, die Zeit mit ihren Kindern verbringen möchten. Für sie ist es zu umständlich, in weit entlegene Hypermärkte zu fahren und schwere Tüten zu herumzutragen. Die restlichen 15% unserer Kunden entfallen auf den B2B-Sektor. Wir beliefern unter anderem Hotels, Krankenhäuser, Restaurants und Cafés. Auch die Büros von McDonald’s und Intel sowie das Organisationskomitee der Fußball-WM 2018 zählen dazu.

Welches sind Ihre größten Einnahmequellen?

Es gibt zwei wichtige Quellen. Zum einen sind das Provisionen und Mengenrabatte unserer Handelspartner. Zum anderen berechnen wir eine Liefergebühr. Dabei sind wir stets transparent. Es gibt keine Aufschläge auf die Verkaufspreise der jeweiligen Märkte.

Planen Sie eine Expansion in andere russische Städte?

Derzeit liefern wir nur innerhalb von Moskau. Aber wir haben definitiv Pläne für andere Millionenstädte in Russland. Vor ein paar Jahren war das Land noch nicht bereit dafür. Doch heute hat fast jeder Russe ein Smartphone. Das Bewusstsein für sogenannte On-Demand-Services wächst immer stärker. Wenn man ein Taxi oder einen Reinigungsservice online bestellen kann, warum keine Lebensmittel? Vor allem wenn man überlegt, wie viel Zeit bei einem Einkauf draufgeht. Ab 2019 wollen wir auch St. Petersburg, Nowosibirsk und Jekaterinburg beliefern.

Werden Online-Shops den Einzelhandel zurückdrängen?

Wir wollen den Menschen nicht das Einkaufserlebnis im Supermarkt wegnehmen. Natürlich wollen die Kunden die Waren selbst anfassen, riechen und fühlen. Für frische Produkte wie Fleisch ist der Einzelhandel sehr gut. Aber Produkte wie Nudeln und Wasser, die man auf Vorrat kaufen kann, bestellen die Kunden lieber online. Derzeit bieten wir rund 25.000 Artikel an. Kleine Läden wie WkusWill werden sich auch in Zukunft durchsetzen können. Sie stehen für Frische und ein positives Einkaufserlebnis. Aber auch Supermärkte verändern ihren Fokus, zum Beispiel Carrefour in Frankreich. Dort stehen regionale Bio-Waren immer mehr im Vordergrund.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Fedchenkov.

Dieses Interview führte Ostexperte.de-Chefredakteur Thorsten Gutmann. Transkript und Übersetzung von Elena Schneider.