Zerbst/Anhalt will Beziehungen zu Russland verbessern
Andreas Dittmann (SPD) ist Bürgermeister der ostdeutschen Stadt Zerbst/Anhalt. Im Ostexperte.de-Interview spricht der Politiker über den Wandel des Russlandbilds seit dem Mauerfall, die Wichtigkeit der deutsch-russischen Beziehungen und das Katharina-Forum 2018.
Zerbst/Anhalt ist Gastgeber des Katharina-Forums 2018. Welche Bedeutung hat diese Veranstaltung für die Stadt?
Ich habe diese Veranstaltung initiiert, um nicht sprach- und tatenlos der zunehmenden Verschlechterung deutsch-russischer Beziehungen gegenüber zu stehen. Da Katharina II. im Selbstverständnis der Stadt einen herausragenden Platz einnimmt, ist klar, dass das Katharina-Forum für die Stadt Zerbst/Anhalt sehr wichtig ist.
Welche Gäste erwarten Sie auf der Konferenz? Wie sieht das Programm aus?
Wir freuen uns auf Vertreter aus Wirtschaft und Politik von deutscher und russischer Seite. Dass russische Gouverneure ihre Teilnahme avisiert haben, erfüllt uns mit Zuversicht. Uns ist aber noch wichtiger, dass wir nicht nur über die Bedeutung wirtschaftlicher Zusammenarbeit reden, sondern Wirtschaftsvertreter direkt zueinander bringen. Das Konferenzprogramm wird ständig weiterentwickelt und kann unter www.katharina-forum-zerbst.com eingesehen werden.
Wie wichtig sind partnerschaftliche Beziehungen zu Russland, insbesondere für Zerbst und das Bundesland Sachsen-Anhalt?
Wir schätzen diese Beziehungen als außerordentlich wichtig ein. Einerseits ist allein schon die Herkunft Katharina II. aus dem Haus Anhalt-Zerbst ein Alleinstellungsmerkmal, über das sich jeder Touristiker freut. Andererseits besteht darin für die Stadt Zerbst/Anhalt, aber auch für das Bundesland Sachsen-Anhalt eine große Chance und Verpflichtung wichtige Beiträge zur positiven Entwicklung deutsch-russischer Beziehungen zu leisten. Ich denke, dass unser Bundesland da noch viel Entwicklungspotential hat.
Ende Januar forderte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) eine „stufenweise Abschaffung“ der Sanktionen. Sehen Sie das ähnlich?
Ich teile diese Ansicht. Die Sanktionen treffen letztlich andere. Ich fand es bezeichnend, als mir russische Gesprächspartner erklärten, dass sich die Sanktionen für bestimmte Bereiche durch den Handelstransfer über Drittländer wie China problemlos umgehen ließen. In Zerbst selbst wurden noch keine direkten Folgen spürbar. Allerdings ist beispielsweise für die Lebensmittelindustrie durch die Gegensanktionen Russlands dieser Markt nun abgeschottet. Das hat unsere Industriebereiche dann schon betroffen.
Der Mauerfall liegt mehr als 28 Jahre zurück. Gibt es Ihrer Meinung nach immer noch starke Unterschiede im Russlandbild zwischen Ost und West?
Der frühere Russische Botschafter Wladimir Grinin sprach bei seiner Verabschiedung von der geradezu unausrottbaren Angst vor dem Russen, das scheint mir aber vor allem eher ein Westproblem zu sein. Obwohl Zerbst zu Zeiten der DDR ein bedeutender Garnisonsstandort der Sowjetarmee war, was durchaus Probleme mit sich brachte, beobachte ich bei uns eher Sympathie mit Russland als Ablehnung.
Sie waren schon zu DDR-Zeiten in der Politik tätig. Damals gab es enge Verflechtungen mit Russland, ostdeutsche Kinder lernten die Sprache an der Schule. Ist der Einfluss der russischen Kultur über die Jahre zurückgegangen?
Naja, ich war zur Wendezeit 22 Jahre alt, insofern stand ich eher in der Startposition, aber ja, ich war schon damals politisch engagiert. Der Russischunterricht in der Schule war ein Pflichtfach und darum nur wenig beliebt. Heute bereue ich es, die Sprache nicht besser erlernt zu haben. Die vielgepriesene deutsch-sowjetische Freundschaft der DDR war mehr Propaganda als gelebte Realität, wirkliche Nähe war nicht gewollt. Insgesamt hat es darum auch russische Kultur nicht leicht. Darum bin ich sehr froh, dass wir einen regen Schulaustausch zwischen unserem Gymnasium Francisceum und dem Gymnasium 406 in Puschkin auf den Weg bringen konnten, der Förderverein schloss Zerbst e.V. arbeit eng mit russischen Partnern im Ausstellungsbereich zusammen, wie auch wir mit der Ausstellung „GINChuk unter Malewitsch“ in diesem Jahr. All das sind wichtige Mosaiksteine im Gesamtbild guter Beziehungen.
Die EU und die Bundespolitik zeigen klare Kante im Ukraine-Konflikt. Die Beziehungen des Westens zu Moskau werden immer schlechter. Halten Sie das für eine gefährliche Entwicklung?
Ich sehe die Entwicklung mit großer Sorge. Darum muss man jede Friedensinitiative begrüßen und an der Aussöhnung arbeiten. Wenn man in einer Stadt wie Zerbst lebt, die noch am 16. April 1945 nahezu vollständig durch Bomben ausgelöscht wurde und noch heute die vielen Wunden des Krieges im Stadtbild sieht, blickt man vielleicht sensibler auf solche Fragen, als aus vermeintlich sicherer Distanz jenseits des Atlantik.
Wie kam es zur Städtepartnerschaft mit Puschkin? Wie intensiv pflegen Sie diese Partnerschaft heutzutage?
Die Städtepartnerschaft wurde vom Internationalen Förderverein Katharina II. e.V. ins Gespräch gebracht, also eine echte Bürgerinitiative. Im nächsten Jahr besteht diese Partnerschaft 25 Jahre und war wohl nie wichtiger als heute. Es ist eine intensive Partnerschaft. Gerade ging eine Ausstellung des Puschkiner Museum „Zarskolselsker Sammlung“ in Zerbst zu Ende. Es besteht wie schon genannte eine gut funktionierende Schulpartnerschaft, der Förderverein Schloss Zerbst unterhält enge Beziehungen zum Staatlichen Museumsreservat Zarskoje Selo, das in Zerbst ansässige Albert-Schweitzer Familienwerk Sachsen-Anhalt e.V. unterstützt seit vielen Jahren den Albert Schweitzer Fond Puschkin und so weiter und so fort, also da ist wirklich viel Leben drin.
Vielen Dank für das interessante Gespräch, Herr Dittmann.
Dieses Interview führte Ostexperte.de-Chefredakteur Thorsten Gutmann.