Sanktionsauswirkungen: Meinungen aus Deutschland und Russland
Inzwischen zeichnet sich genauer ab, mit welchen Sanktionen Russlands Krieg gegen die Ukraine beantwortet werden soll. Bundeskanzler Scholz skizzierte in seiner Regierungserklärung am Sonntag im Bundestag das „Sanktionspaket von bisher unbekanntem Ausmaß.“ Wie hart werden die Sanktionen Russlands Wirtschaft treffen?
Michael Harms, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, nahm am Samstag in einem Deutschlandfunk-Interview zu den Sanktionen und zum Krieg in der Ukraine Stellung. Georgy Ostapkovic, Direktor des „Centre for Business Tendencies Studies“ der Moskauer „Higher School of Economics“, äußerte sich am Freitag in einem Interview mit dem Finanzportal Finam.ru zu den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Sanktionen in Russland.
Die Sanktionen treffen die russische Wirtschaft in einem Moment, in dem sich viele wichtige Branchen von der Rezession im Corona-Krisenjahr 2020 erholt haben. Das reale Bruttoinlandsprodukt war 2020 um 2,7 Prozent gesunken. Schon Anfang 2021 hatte die gesamtwirtschaftliche Produktion ihren Rückgang während des Frühjahres 2020 aber aufgeholt. Im dritten Quartal 2021 flaute die Produktion gegenüber dem Vorquartal zwar etwas ab, stieg im vierten Quartal aber wieder unerwartet kräftig. Am 18. Februar veranschlagte das russische Statistikamt Rosstat in einer „ersten Schätzung“ den Anstieg des russischen Bruttoinlandsprodukts im gesamten Jahr 2021 auf 4,7 Prozent.
Industrieproduktion im Januar 8,6 Prozent höher als vor einem Jahr
Im Januar 2022 setzte sich der Aufschwung mit einem im Vorjahresvergleich unerwartet starken Anstieg der Industrieproduktion fort. Gegenüber Januar 2021 stieg die Industrieproduktion um 8,6 Prozent. Die Markterwartungen waren nur von einem Anstieg um 3,5 Prozent ausgegangen, so Trading Economics.
Gegenüber dem Vormonat Dezember nahm die Industrieproduktion saison- und kalenderbereinigt im Januar jedoch um 0,7 Prozent ab (blaue Linie). Das war der erste Rückgang seit 4 Monaten.
Index der Industrieproduktion; 2019=100
gelbe Linie: unbereinigt; blaue Linie: saison- und kalenderbereinigt; rote Linie: Trend
Rosstat: Industrieproduktion im Januar 2022 (mit Chart); mit Tabelle; 25.02.2022
Umfragen bei Banken und Forschungsinstituten zur künftigen Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Produktion ergaben Anfang Februar erneut, dass sich das Wachstum der russischen Wirtschaft im Jahresdurchschnitt 2022 zwar deutlich abschwächen dürfte, aber noch rund 2,5 Prozent erreichen dürfte. Die Zentralbank rechnet bisher mit 2 bis 3 Prozent Wachstum für das laufende Jahr. Die russische Regierung geht in ihrer Haushaltsplanung für 2022 davon aus, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion um 3,0 Prozent steigt.
Weitreichende Sanktionen machen Wachstumsprognosen hinfällig
Nachdem aber wegen des Einmarsches russischer Truppen in die Ukraine weitreichende Sanktionen gegen Russland beschlossen wurden (siehe Informationen der AHK Russland), dürften sich die bisherigen Wachstumserwartungen für das Jahr 2022 nicht erfüllen.
Bundeskanzler Scholz meinte in seiner Regierungserklärung in der Sondersitzung des Bundestages am 27. Februar, der Krieg sei eine Katastrophe für die Ukraine, aber er werde sich „auch als Katastrophe für Russland“ erweisen. Von der EU sei „ein Sanktionspaket von bisher unbekanntem Ausmaß“ verabschiedet worden. Bundeskanzler Scholz dazu:
„Wir schneiden russische Staatsunternehmen und Banken von der Finanzierung ab.
Wir verhindern den Export von Zukunftstechnologie nach Russland.
Wir nehmen die Oligarchen und ihre Geldanlagen in der EU ins Visier.“
Reaktionen des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft
Oliver Hermes, der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, verurteilte den russischen Angriff auf die Ukraine in einem Statement bereits am 24. Februar als einen „durch nichts zu rechtfertigenden Angriff auf einen souveränen Staat, seine Bürgerinnen und Bürger und auf den Frieden in Europa und der Welt insgesamt.“
Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Michael Harms nahm am 26. Februar in einem Interview mit dem Deutschlandfunk zum Krieg in der Ukraine und den westlichen Sanktionsbeschlüssen ausführlich Stellung.
OA-Geschäftsführer: Die Sanktionen werden von der Wirtschaft unterstützt
Harms sieht in der deutschen Wirtschaft bei der Beurteilung von Sanktionen gegenüber Russland einen „Stimmungswandel“. Nach der Annexion der Krim seien Sanktionen von etwa der Hälfte der Wirtschaftsvertreter abgelehnt worden. Jetzt seien aber „auch die größten Putin-Versteher“ zu der Einsicht gelangt, dass Sanktionen erforderlich seien. Ihr Einsatz sei umso besser, je gezielter sie eingesetzt würden.
Im Hinblick auf Sanktionen im Finanzsektor hält Harms es für richtig, dass Russland vom internationalen Zahlungsverkehr mittels SWIFT nicht ausgeschlossen wird. Ein Ausschluss von SWIFT wirke wie eine Art „Flächenbombardement“, weil damit auch viele Überweisungen von Privatpersonen und humanitären Organisationen verhindert würden. Gezielte Sanktionen seien immer besser.
Scharfe Finanz-Sanktionen beschlossen
Laut Harms wurden scharfe Sanktionen gegen etwa 70 bis 80 Prozent des russischen Finanzsektors beschlossen. Ihre Auswirkungen auf den Handel und damit auch die Rückwirkungen auf die deutsche Wirtschaft seien ähnlich stark wie bei einem SWIFT-Verbot. Handelsbeziehungen könnten jetzt eigentlich nicht mehr effektiv abgewickelt werden. Die „normale Bevölkerung“ und Privatpersonen träfen die Sanktionen zumindest aber nicht so stark wie bei einem Ausschluss Russlands vom SWIFT-System.
Die Auswirkungen der Sanktionen auf die deutsche Wirtschaft könnten, so Harms, leider noch nicht „ganz konkret“ beschrieben werden. Sie wären aber „substantiell“, allein schon im Finanzsektor. Über die Definition der „Technologie-Sanktionen“ und „Individual-Sanktionen“ habe man noch keinen genauen Überblick.
Die Hälfte der in Russland eingesetzten Flugzeuge wird stillgelegt
Als ein Beispiel für die Auswirkungen der beschlossenen Sanktionen verwies Harms darauf, dass von russischen Luftfahrtunternehmen im Westen geleaste Flugzeuge – und das sei rund die Hälfte aller in Russland eingesetzten Flugzeuge – innerhalb eines Monats aus Russland abgezogen werden müssten. Die Stilllegung der Hälfte der Luftfahrtflotte werde einerseits Russland zu spüren bekommen, werde andererseits aber auch für die westlichen Leasinggesellschaften verheerende Folgen haben.
Zu möglichen russischen Reaktionen auf die Sanktionen meinte Harms, er glaube bislang nicht, dass es einen Lieferstopp von Erdgas oder ähnliches geben werde. Es könne natürlich auch von russischer Seite „Individual-Sanktionen“ geben, Finanzsanktionen oder Importstopps.
Sollte Russland seine Erdgaslieferungen stoppen, wäre dieser Ausfall kurzfristig nicht zu ersetzen. Auf jeden Fall müssten dann eingemottete Kohlekraftwerke wieder in Betrieb genommen werden und vielleicht müsste man auch Atomkraftwerke länger laufen lassen. Auf jeden Fall würde das eine „Mammut-Aufgabe“.
Harms: Das Thema Nord Stream 2 hat sich jetzt erledigt
Eine Inbetriebnahme der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 hält Harms nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine offenbar für endgültig ausgeschlossen. Der Bau der Pipeline sei zwar vom Ost-Ausschuss immer verteidigt worden. Nord Stream 2 sei ein „gutes Projekt“ gewesen. Er glaube aber, das Thema habe sich erledigt. Auf eine Nachfrage der Interviewerin, ob die Pipeline „langfristig gestorben“ sei, antwortete Harms: „Aus meiner Sicht ja.“
In einem WDR 5-Interview hatte Harms am 23. Februar (kurz vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine) noch gemeint, er hoffe sehr, dass die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 nur zeitweise ausgesetzt werde. Der Ost-Ausschuss halte das Projekt für die Versorgungsicherheit Deutschlands weiterhin für wichtig. Nord Stream 2 sei eine hochmoderne Pipeline, die auch ins „Wasserstoff-Zeitalter“ führen könne.
„Irrationaler Schritt“ Putins
Im DLF-Interview bezeichnete Harms abschließend den russischen Angriff auf die Ukraine als „irrationalen Schritt“, der in erster Linie den Interessen Russland schade. Putin habe mit der Entfesselung dieses Krieges „alle rationalen Argumente über Bord geworfen.“ Das Sanktionspaket werde den Angriff Putins kurzfristig nicht stoppen. Putin sei rationalen Argumenten, auch wirtschaftlichen Argumenten, nicht mehr zugänglich. Bei den Sanktionen gehe es um eine „moralische Haltung“ und um eine „mittelfristige Wirkung“.
Sanktionen bringen Rubel unter verstärkten Abwertungsdruck
Wirtschaftliche Folgen der Eskalation der Ukraine-Krise zeigen sich bisher vor allem auf den Finanzmärkten. Der Rubel hat seit dem Jahreswechsel deutlich abgewertet. Während Ende 2021 für einen US-Dollar rund 75 Rubel bezahlt wurden, waren es am 25. Februar rund 85 Rubel. Aufgrund der inzwischen beschlossenen Sanktionen ist zu erwarten, dass die Zentralbank zur Stützung der Währung Rubel kaufen wird und zur Bekämpfung der Inflation den Leitzins weiter erhöht. Russische Banken wurden vom internationalen Zahlungssystem ausgeschlossen. Dringend benötigte Zulieferungen aus dem Ausland werden wegen der Sanktionen nicht mehr möglich sein und die Produktion der russischen Wirtschaft erschweren.
Was HSE-Direktor Georgy Ostapkovic zu den Sanktionen meint
Georgy Ostapkovic, Direktor des für Geschäftsklima-Umfragen zuständigen „Centre for Business Tendencies Studies“ der Moskauer „Higher School of Economics“, meinte in einem am letzten Freitag, 25. Februar, veröffentlichten Interview mit dem Finanzportal Finam.ru zu den Folgen der bisher bekannten Sanktionen für die russischen Unternehmen unter anderem:
Russische Banken, die vom internationalen Zahlungsverkehr ausgeschlossen werden, können ersatzweise die Dienste ihrer „Tochtergesellschaften“ und anderer Banken dafür nutzen. Für sie wird alles komplizierter und teurer werden und länger dauern, aber ich sehe diese Sanktionen im Bereich des Zahlungsverkehrs nicht als „zu kritisch“.
Schwierig wird es wegen des Verbots der Ausfuhr von Hochtechnologie-Produkten nach Russland, vor allem im Hinblick auf die Versorgung mit Mikro-Chips. Das ist ein Problem, das die russische Wirtschaft empfindlich treffen kann.
Ein signifikantes Problem gibt es auch, falls Russland die Ausfuhr von Öl, Gas und Kunstdünger verboten wird. Weil der Ölpreis auf dem Weltmarkt dann auf 150 bis 180 Dollar je Barrel steigen dürfte, wären diese Sanktionen aber „ein Schuss ins eigene Bein“, vor dem man im Westen zurückschrecken dürfte.
Der Leitzins könnte auf 14 Prozent steigen
Zu den Auswirkungen der Sanktionen auf die Bevölkerung verwies Ostapkovic vor allem auf zu erwartende Preissteigerungen:
Die Zentralbank wird voraussichtlich auf dem Devisenmarkt Rubel kaufen, um eine Abwertung des Rubels auf über 90 Rubel je Dollar zu verhindern. Einen Wechselkurs von 72 Rubel je Dollar „kann man vergessen“. Die Abwertung bedeutet eine Verteuerung der Einfuhren. Weil Russland sehr abhängig von Einfuhren ist, auch im Agrarbereich (zum Beispiel bei Maschinen für die Landwirtschaft und Zusatzstoffen für Futtermittel), werden die Nahrungsmittelpreise steigen. Die real verfügbaren Einkommen der Bevölkerung werden nicht mehr wachsen.
Die Zentralbank wird ihren Leitzins erhöhen, vielleicht bis auf 14 Prozent. Kredite werden sich verteuern, die Konsumentennachfrage wird sinken.
Ostapkovic: „Wir werden wie Venezuela oder Nord-Korea behandelt werden“
Als besonders schlimme Folge der Sanktionen hebt Ostapkovic den Verlust des Ansehens Russlands auf internationaler Ebene hervor. Er meint:
Russland verfügt zwar dank seiner hohen Gold und Währungsreserven von rund 630 Milliarden US-Dollar, seiner niedrigen Staatsverschuldung und der Überschüsse im Staatshaushalt und in der Leistungsbilanz über die Möglichkeit, die wirtschaftlichen Schäden der Sanktionsmaßnahmen zu minimieren. Wir werden aber nicht in der Lage sein, den Verlust an Ansehen zu verringern. Wir werden wie Venezuela oder Nord-Korea behandelt werden.
Ostapkovic befürchtet, dass Russland aufgrund der Sanktionen von internationalen Sport- und Kulturveranstaltungen ausgeschlossen wird. Einladungen zu etlichen wissenschaftlichen Konferenzen werde es nicht mehr geben. Auch der Austausch von Studenten und Professoren mit westlichen Universitäten werde beendet. Er erwartet einen „brain drain“. Junge Talente würden auswandern.
Hinweise zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vor dem Kriegsausbruch
Laut Berechnungen des Forschungsinstituts der Vnesheconombank zur vierteljährlichen Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts ist die gesamtwirtschaftliche Produktion im vierten Quartal 2021 gegenüber dem Vorquartal saisonbereinigt um 1,6 Prozent gestiegen. Im dritten Quartal war sie gegenüber dem Vorquartal um 0,9 Prozent gesunken. Der Anstieg des BIP gegenüber dem Vorjahresquartal beschleunigte sich im vierten Quartal 2021 auf 4,9 Prozent.
Die folgende Abbildung des VEB Instituts zeigt, dass das reale Bruttoinlandsprodukt bereits im ersten Quartal 2021 wieder etwa so hoch war wie ein Jahr zuvor im ersten Quartal 2020. Der Einbruch der Produktion im zweiten Quartal 2020 wurde in den drei folgenden Quartalen aufgeholt.
Index des saisonbereinigten realen Bruttoinlandsprodukts
Quartal 2018 = 100
Vnesheconombank Institute: „World Economy and Markets Review“; 25.02.2022
Das reale Bruttoinlandsprodukt war 2021 um 1,9 Prozent höher als 2019
Wie stark wichtige Wirtschaftsbereiche bereits 2021ihr zwei Jahre zuvor erreichtes Produktionsniveau übertrafen, stellte die Sberbank in ihrem letzten Wochenbericht dar.
Am stärksten ist der Bereich „Handel“ (Einzel- und Großhandel) gegenüber 2019 gestiegen (+ 5,2 Prozent) gewachsen. Kräftige Zuwächse erreichten von 2019 bis 2021 auch das „Verarbeitende Gewerbe“ (+ 5,1 Prozent) und die Bauwirtschaft (+ 3,6 Prozent). Die Produktion im Dienstleistungsbereich ist nur wenig stärker gestiegen (+ 2,6 Prozent) als die gesamtwirtschaftliche Produktion (+ 1,9 Prozent).
Produktion wichtiger Wirtschaftszweige über dem Niveau von 2019
Veränderungen gegenüber 2019 in Prozent
Sberbank: Wochenbericht „Global Economic News“ 21.02.2022
Niedriger als im Jahr 2019 war 2021 noch die Produktion folgender Bereiche:
- Landwirtschaft (- 1,1 Prozent; aufgrund eines Rückgangs im Jahr 2021)
- Bergbau (- 2,8 Prozent; anhaltende OPEC+-Beschränkungen der Ölförderung)
- Transport (- 3,7 Prozent; Störung von Lieferketten)
Nach Abschluss der raschen Erholung vom „Corona-Einbruch“ erwartet die Sberbank 2022 mit „um 2,4 Prozent“ ein moderateres BIP-Wachstum. Die russische Wirtschaft schwenke auf ihren „langfristigen Wachstumspfad“ ein.
Ausführliche Hinweise auf mögliche Folgen der Eskalation der geopolitischen Lage bietet der vor einer Woche erschienene Sberbank-Bericht nicht. Eine warnende Bemerkung erlaubt sich die Bank: „Auch eine straffere Geldpolitik und ein ungünstiger geopolitischer Hintergrund“ könnten das Wachstums 2022 bremsen.“
Privater Konsum und Netto-Exporte trieben 2021 das Wachstum
Das Moskauer „Zentrum für makroökonomische Analyse und kurzfristige Prognosen“ (CMASF) berechnete auf der Basis der ersten Rosstat-Schätzung für das Bruttoinlandsprodukt, welche Beiträge wichtige Verwendungsbereiche des BIP zum Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Produktion um 4,7 Prozent leisteten.
Wachstum des Bruttoinlandsprodukts gegenüber dem Vorjahr in Prozent und Beiträge der Verwendungsbereiche zum Wachstum in Prozentpunkten
Center for Macroeconomic Analysis And Short term Forecasting, CMASF: On the structre of GDP growth, 22.02.2022
Das CMASFkommt zu folgenden Schlussfolgerungen:
- Die Konsumausgaben der privaten Haushalte waren wegen des „Lockdowns“ im Jahr 2020 deutlich gesunken. Ihr Rückgang war der wichtigste Faktor für die Abnahme des BIP um 2,7 Prozent im Jahr 2020, denn er drückte das Bruttoinlandsprodukt um 3,7 Prozentpunkte (gelbe Fläche). 2021 erholte sich der Private Verbrauch kräftig. Zum Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 4,7 Prozent trug er 4,8 Prozentpunkte bei.
- Der Rückgang der Bruttoanlageinvestitionen hatte 2020 das BIP um 0,9 Prozentpunkte gedrückt (grüne Fläche). 2021ließen hohe Rohstoff- und Energiepreise die Unternehmensgewinne wachsen und stimulierten die Investitionstätigkeit. Als Ergebnis lieferte der Anstieg der Bruttoanlageinvestitionen einen Wachstumsbeitrag von 1,5 Prozentpunkten.
- 2021 sind die Wareneinfuhren mit dem Wachstum der Binnennachfrage kräftig gestiegen. Die Folge der „Rückkehr der Importe“ war eine Verlangsamung des BIP um 3,4 Prozentpunkte (rosa Fläche). Demgegenüber hatte 2020 die Einschränkung der Importe zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts einen Wachstumsbeitrag von 2,5 Prozentpunkten geleistet.
Die Steigerung der Warenausfuhren leistete 2021 hingegen zum Anstieg des Bruttoinlandsprodukts einen positiven Wachstumsbeitrag (+0,8 Prozentpunkte des BIP, blaue Fläche). Er hätte noch höher sein können, wenn bei der Ölförderung nicht während des ganzen Jahres die im Rahmen der OPEC+ vereinbarten Förderbeschränkungen eingehalten worden wären und die Ausfuhr von Erdgas („auf bestimmte Märkte“, so das CMASF) nicht eingeschränkt worden wäre.
Sberbank: Die Einkommen der Verbraucher stiegen, die Sparquote sank
Auch die Sberbank stellt in der folgenden Abbildung aus ihrem Wochenbericht den Konsum als „Motor des Wirtschaftswachstums“ im Jahr 2021 heraus (grüne Fläche). Die Wachstumsbeiträge der Warenausfuhren und der Wareneinfuhren sind in der folgenden Abbildung saldiert als „Netto-Export“ ausgewiesen (blaue Fläche). Die gelbe Fläche zeigt den Wachstumsbeitrag der Investitionen, die schwarze Fläche den Wachstumsbeitrag der Lagerveränderungen.
Der Konsum ist der Motor des Wirtschaftswachstums
Beiträge der Verwendungsbereiche in Prozentpunkten zum BIP-Wachstum.
Sberbank: Wochenbericht „Global Economic News“ 21.02.2022
Als Hintergrund für das starke Wachstum des realen privaten Verbrauchs um 9,6 Prozent im Jahr 2021 verweist die Sberbank auf den Anstieg der real verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte um 3,1 Prozent und den Rückgang der Sparquote. Die Verbesserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt habe zum Anstieg der Einkommen beigetragen. Außerdem habe es staatliche „Einmalzahlungen“ an Rentner, Beschäftigte des Militärs und Familien mit Kindern gegeben.
Ostexperte.de-Artikel zu Konjunktur und Wirtschaftspolitik in Russland von Klaus Dormann:
- BIP-Wachstum 2021 4,7%; Entwicklung von Industrie, Handel,Dienstleistungen; 21.02.2022
- Russische Zentralbank: Noch weitere Leitzinserhöhungen möglich; 14.02.2022
- Die Industrieproduktion stieg 2021 um 5,3 Prozent; 2022 sinkt das Wachstum; 07.02.2022
- wiiw-Prognose: Sanktionsgefahr wird Wachstum bremsen; 31.01.2022
Weitere Lesetipps und Quellen im PDF-Dokument, unter anderem zu:
- Was passiert, wenn Russland den Gashahn zudreht: MDR, RND, NZZ, Stern
- Ist das Thema Nord Stream 2 wirklich erledigt? Analyse der NZZ
- Erstaunliche Modellberechnungen des Kieler IFW: Deutsche Welle
- GTAI: Russland: Die Zeichen stehen auf Eiszeit