Passage in Kriegszeiten – Türkei setzt Montreux-Abkommen um

Ukraine-Krieg: Türkei legt Grundlagen für Wasser-Durchfahrtsverbote

Die Ukraine fordert die Schließung der Meerengen Dardanellen und Bosporus für russische Kriegsschiffe. Die Türkei Kontrolliert die Passage. Nun legt die Regierung in Ankara die Grundlagen für ein Durchfahrtsverbot.

Von Frederic Krull

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine stellt immer mehr Staaten vor wichtige Entscheidungen. Während die Kämpfe am Freitag die Hauptstadt Kiew erreichten und Zivilisten mit Waffen zur Verteidigung ausgestattet wurden, bemüht sich auf internationaler Ebene das Corps ukrainischer Diplomaten um praktische Unterstützung.

Bereits am Tag des Einmarsches der russischen Truppen legte der Ukrainische Botschafter in der Türkei, Wasyl Bodnar, der Regierung in Ankara seine Forderungen vor: die Schließung des Luftraums sowie der Dardanellen und des Bosporus für russische Flugzeuge und Schiffe.

Den Schiffsverkehr durch die Dardanellen und den Bosporus regelt bis heute der Vertrag von Montreux. Das Abkommen existiert seit 1936 und gab der neugegründeten Türkischen Republik die Souveränität über die Meerengen zurück, nachdem diese nach Ende des Ersten Weltkriegs zunächst unter Kontrolle der Siegermächte standen. Neben der Kontrolle des regulären Fracht- und Transportverkehrs obliegt der Türkei auch die Regulierung der Durchfahrt von Kriegsschiffen – bis hin zur Schließung der Passage in Kriegszeiten. Welche Schiffe dann den Bosporus und die Dardanellen passieren dürfen und welche nicht, liegt im Ermessensspielraum der türkischen Regierung.

Als erste Reaktion auf die ukrainischen Forderungen zur Schließung teilte der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu der Tageszeitung Hürriyet am 25. Februar mit, dass die Schließung der Meerengen davon abhänge, ob die Türkei die Situation in der Ukraine als Kriegszustand anerkenne. Selbst wenn die Türkei die Meerengen für die russische Durchfahrt sperren würde, so der Außenminister, hätte Russland immer noch das Recht, diese zu nutzen.

Am Sonntag erklärte Çavuşoğlu gegenüber CNN Türk, die türkische Regierung sei nach einer militäranalytischen Auswertung zu dem Schluss gekommen, es handle sich bei dem russischen Angriff auf die Ukraine nicht um eine militärische Operation, sondern um einen Krieg. Die Türkei werde das Abkommen von 1936 dementsprechend anwenden.

Bereits vorher dankte der ukrainische Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj Erdoğan und dem türkischen Volk auf Twitter für das Verbot der Passage russischer Kriegsschiffe ins Schwarze Meer.

Wer darf passieren?

Unter Berufung auf die Konvention sagte Außenminister Çavuşoğlu, müsse Kriegsschiffen jedoch die Rückkehr zu ihrem Heimathafen offengehalten werden. Es ginge dabei darum, bei welcher Basis die Schiffe registriert seien. Das bedeutet, dass die Türkei die Meergenen für alle russischen Kriegsschiffe schließen kann, die nicht der Schwarzmeerflotte angehören und zu ihrer Basis zurückkehren wollen. Das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte liegt seit der Annexion der Krim 2014 in Sewastopol, andere Häfen befinden sich unter anderem in Feodosia (Krim) und Noworossijsk (Russland).

Diese Ausnahme der 1936er Konvention solle allerdings nicht missbraucht werden. Schiffe, die erklären, dass sie zu ihren Basen zurückkehren und die Meerenge passieren, sollten nicht in den Krieg verwickelt werden, so Çavuşoğlu.

Die Schließung der Meerengen für russische Kriegsschiffe stellt für die türkische Regierung ein Risiko dar, sagt der Militäranalytiker Tayfun Ozberk. Sollte die Türkei ihren vertraglich festgelegten Ermessensspielraum ausschließlich zugunsten der Ukraine nutzen, könnte Russland dem widersprechen – und die Türkei beschuldigen, ihre Neutralität zu verletzen. Erdoğan, welcher gute Beziehungen zu Wolodymyr Selenskyj, als auch zu Wladimir Putin unterhält, riskiere russische Vergeltungsmaßnahmen, sollte sich die Türkei klar auf der Seite der Ukraine positionieren.

Auf welcher Seite steht die Türkei?

Im Spannungsfeld zwischen der Ukraine und Russland hat sich der türkische Präsident bisher recht entschieden auf die Seite der Ukraine und ihrer NATO-Verbündeten gestellt und gleichzeitig angeboten, zwischen den beiden Seiten zu vermitteln. Unter den NATO-Mitgliedsländern dürfte nun auch wieder die Frage aufkommen, wie man mit der Türkei umgehen soll. Erst 2020 hatte der Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei, sowie das gute Verhältnis zwischen Erdoğan und Putin für scharfe Diskussionen gesorgt.

In einem kürzlich in der Financial Times veröffentlichten Meinungsbeitrag vertritt der pensionierte US-General Ben Hodges die Ansicht, dass die derzeitige Situation eine Verbesserung der angespannten Beziehungen zwischen dem “Westen” und der Türkei erforderlich mache.

Wie auch immer die Situation sich entwickelt, sie macht deutlich, wie wichtig Allianzen und die Zuverlässigkeit von Partnern in Krisenzeiten sind. Kaum ein anderes Land dürfte dies gerade deutlicher zu spüren bekommen als die Ukraine.

Titelbild
Russisches U-Boot bei der Durchfahrt des Bosporus in Istanbul am 13. Februar 2022. Quelle: UNAL CAM / Shutterstock.com