Moskau/ Russland: Die russische Wirtschäft werde im Jahresvergleich 2024 gegenüber 2023 laut den Erwartungen der russischen Regierung ein Wachstum von 3,9 Prozent erreichen. Diese Prognose bekräftigte auch Präsident Putin, als er sich Ende Oktober mit Vertretern der Regierung zur Entwicklung der russischen Wirtschaft beriet.
Putin wies aber gleichzeitig darauf hin, dass sich die Entwicklung der Produktion im dritten Quartal verlangsamt habe. Tatsächlich wächst Russlands gesamtwirtschaftliche Produktion nur noch im Vorjahresvergleich. Nach Schätzung des Wirtschaftsministeriums war das reale Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal noch 2,9 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Im Vergleich der Monate September und Mai ist die gesamtwirtschaftliche Produktion nach ersten Schätzungen der staatlichen Bank für Außenwirtschaft aber etwas gesunken. Das bis einschließlich Mai verzeichnete rasche Wachstum der Wirtschaft setzte sich nicht fort.
Putin sprach bei den Regierungsberatungen „Schwierigkeiten und Ungleichgewichte“ in der Wirtschaft an. Schwierigkeiten, so der Staatspräsident, bereiteten zum einen die ausländischen Sanktionen. Es gebe aber auch „strukturelle Probleme im eigenen Land“. Dazu gehörten der Mangel an Arbeitskräften sowie Mängel im Technologie- und Logistikbereich. Diese Faktoren spiegelten sich, so Putin, auch in der Entwicklung der Verbraucherpreise wider.
Russische Zentralbank hebt ihre Inflationsprognose an
Russlands Regierung erwartet in ihrer Anfang September konzipierten Haushaltsplanung zwar noch einen Rückgang der jährlichen Inflationsrate auf 7,3 % am Jahresende 2024 (Forbes.ru). Die Zentralbank erhöhte beim Leitzinsentscheid im Oktober ihre Prognose für den Anstieg der Verbraucherpreise am Jahresende 2024 aber kräftig um 1,5 Prozentpunkte von 6,5 % bis 7,0 % auf 8,0 % bis 8,5 %.
Jährlicher Anstieg der Verbraucherpreise im Dezember in Prozent, Prognosen der russischen Zentralbank
Russische Zentralbank: Kommentar zur mittelfristigen Prognose der Zentralbank, 06.11.24
Im Vergleich mit der ein Jahr zuvor im Dezember 2023 verzeichneten jährlichen Inflationsrate von 7,4 Prozent wird der Anstieg der Verbraucherpreise Ende 2024 also rund einen Prozentpunkt höher sein.
Im Jahresdurchschnitt 2024 wird die Inflation nach Einschätzung der Zentralbank sogar um gut 2 Prozentpunkte anziehen. Sie erwartet, dass die Verbraucherpreise 2024 um 8,2 bis 8,4 Prozent höher sein werden als 2023. Im Jahresdurchschnitt 2023 war die Inflationsrate mit 5,9 Prozent noch deutlich niedriger.
Zur Dämpfung des Preisanstiegs erhöhte die Zentralbank ihren Leitzins am 25. Oktober auf 21 Prozent, den höchsten Stand seit 2003, obwohl Wirtschaftsvertreter im Vorfeld vor einer weiteren Erhöhung gewarnt hatten (Reuters).
Leitzins pro Jahr in Prozent und jährliche Inflationsrate in Prozent
Kommersant,Vadim Visloguzov: The rate has entered its third decade, 25.10.24
Die straffe Geldpolitik der Zentralbank stieß auf erhebliche Kritik (Monocle.ru; russland.capital.de). Zentralbankpräsidentin Nabiullina begründete sie im russischen Parlament am 31. Oktober nochmals ausführlich (Redetext; Interfax; russland.capital).
Anders Aslund meint in einem Kommentar, die Zentralbank werde Russlands Wirtschaftskrise nicht lösen können. Er hält eine Entlassung der Zentralbankpräsidentin für wahrscheinlich. Drei prominente Oligarchen hätten kürzlich die Zinserhöhungen der Zentralbank kritisiert.
Reuters-Umfrage: 8,1 Prozent Inflation am Jahresende
Laut einer Ende Oktober durchgeführten Reuters-Umfrage wird der jährliche Anstieg der Verbraucherpreise in Russland im Dezember 2024 mit 8,1 Prozent fast so hoch sein wie die Zentralbank erwartet. Im Juli und August war die Inflationsrate auf 9,1 Prozent gestiegen. Im September sank sie auf 8,6 Prozent (TradingEconomics-Chart). In der Woche vom 28.10. bis zum 05.11. waren die Verbraucherpreise laut Rosstat 8,4 Prozent höher als vor einem Jahr (Alfa Bank-Bericht).
Bei der Reuters-Umfrage äußerten Analysten, dass die Pläne der Regierung für höhere Staatsausgaben eine Hauptursache für die Preissteigerungen sind. „Die Inflationsaussichten bleiben entmutigend“ meinte Natalia Orlova, Chef-Volkswirtin der Alfa Bank. Sie verwies auf die für Dezember 2024 erwarteten Steigerungen der Staatsausgaben. Die kosteninduzierte Inflation könnte zudem die Sparneigung der Bevölkerung verringern.
In einem Kommentar zur Leitzinserhöhung meint die Alfa Bank, die Zentralbank ziehe die Möglichkeit in Erwägung, den Leitzins im Dezember auf 22 Prozent zu erhöhen, falls das Inflationstempo weiterhin die Erwartungen überschreite. Der russische Finanzmarkt solle sich auf eine lange Periode hoher Kreditkosten und eine mögliche Abnahme der Wirtschaftsaktivitäten vorbereiten.
Die Analysten erwarten nur noch 2024 fast so viel Wachstum wie die Regierung
Die Teilnehmer der Reuters-Umfrage erwarten im Durchschnitt, dass sich Russlands starkes Wirtschaftswachstum, das sie für das Jahr 2024 auf 3,8 % schätzen, im nächsten Jahr aufgrund der straffen Geldpolitik der Zentralbank mehr als halbiert und nur noch 1,7 % erreicht.
Der Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Maxim Reschetnikow, hat Ende Oktober bestätigt, dass das Ministerium trotz einiger Anzeichen für eine „Abkühlung“ der Wirtschaft weiterhin an ihrer Wachstumsprognose von 3,9 % für 2024 festhält. Im nächsten Jahr erwartet die Regierung keinen so starken Rückgang des Wirtschaftswachstums wie die Teilnehmer der Reuters-Umfrage. Sie geht weiterhin von einem Anstieg der realen Bruttoinlandsprodukts um 2,5 % im Jahr 2025 aus (Finmarket.ru).
Der Chef-Volkswirt der Wneschekonombank und frühere Stellvertretende Wirtschaftsminister, Andrey Klepach, senkte hingegen seine bisherige Wachstumsprognose für 2025 bei einem Wirtschaftsforum am 07. November von 2,6 Prozent auf „bestenfalls rund 2 Prozent“ (Finmarket.ru).
Laut Klepach wird das Wachstum der Anlageinvestitionen im Jahr 2025 aufgrund des aktuellen Leitzinses nicht 1,9 % betragen, wie er bisher prognostiziert hatte, sondern „etwa 1 %.“ Die Ausgaben für große nationale Investitionsprojekte würden die Wirtschaft erst im dritten und vierten Quartal 2025 erreichen. Folglich werde ihr Wachstumseffekt hauptsächlich im Jahr 2026 eintreten. „Deshalb wird 2026 besser als 2025, das wage ich vorherzusagen“, meinte Klepach.
2025 erwartet Russlands Zentralbank nur noch höchstens 1,5 Prozent Wachstum
Die russische Zentralbank erwartet 2025 einen noch etwas stärkeren Rückgang des BIP-Wachstums als die Teilnehmer der Reuters-Umfrage. Sie nimmt in ihrem Basis-Szenario an, dass Russlands reales Bruttoinlandsprodukt nach einem Anstieg um 3,5 bis 4,0 Prozent im Jahr 2024 im nächsten Jahr nur noch um 0,5 bis 1,5 Prozent wachsen wird.
Reales Bruttoinlandsprodukt, Wachstum gegenüber Vorjahr in Prozent
Prognose der russischen Zentralbank
Russische Zentralbank: Kommentar zur mittelfristigen Prognose der Zentralbank, 06.11.24
DekaBank: Russlands Wirtschaftswachstum sinkt 2025 auf nur noch 1,2 Prozent
Die Frankfurter DekaBank, das Wertpapierhaus der deutschen Sparkassen, erwartet in der November-Ausgabe ihrer „Emerging Markets Trends“ eine ähnlich starke Abschwächung des Wachstums wie die russische Zentralbank. Nach einem Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts um 3,5 Prozent im laufenden Jahr rechnet die DekaBank mit einer Halbierung des BIP-Wachstums auf nur noch 1,2 Prozent im Jahr 2025. Das Inflationstempo bleibe dabei hoch. Der Anstieg der Verbraucherpreise werde im Jahresdurchschnitt nur wenig von 7,5 Prozent im Jahr 2024 auf 7,0 Prozent im Jahr 2025 sinken.
DekaBank: Emerging Markets Trends, 08.11.24
Die DekaBank rechnet gleichzeitig damit, dass Russlands Budgetdefizit von 1,9 Prozent des BIP im Jahr 2023 auf 1,2 Prozent des BIP in den Jahren 2024 und 2025 gesenkt werden kann, obwohl sie herausstellt, dass Russlands Militärausgaben stark erhöht wurden:
„Die russische Wirtschaft befindet sich im Kriegsmodus: Die Militärausgaben betrugen 2024 über ein Drittel der Staatsausgaben (ca. 7% des BIP), und auch die Pläne für das kommende Jahr sehen eine ähnliche Ausgabenverteilung vor.”
Zur Abschwächung der russischen Konjunktur meint die DekaBank:
„Die Konjunkturimpulse, die von der Ausweitung der Industrieproduktion und der Verbesserung der Einkommenssituation ausgehen, verlieren bereits an Kraft. Zudem wurde das Programm der subventionierten Hypotheken, das die Bauwirtschaft jahrelang gestützt hat, deutlich beschnitten.”
Die „massive Leitzinsanhebung” der russischen Zentralbank dürfte Russlands Konjunkturdynamik laut der DekaBank zusätzlich abbremsen. Die Zinserhöhung wirke allerdings „nur außerhalb des großen staatlich geförderten Finanzierungssegmentes.”
BIP-Prognosen 2024 bis 2026
Veränderung des realen Bruttoinlandsprodukts gegenüber dem Vorjahr in Prozent
2024 | 2025 | 2026 | ||
DekaBank, Frankfurt | 08.11.24 | + 3,5 | + 1,2 | |
Reuters-Umfrage, Moskau und London | 01.11.24 | + 3,8 | +1,7 | |
Sberbank, Moskau | 31.10.24 | + 3,8 | ||
UNCTAD, Genf | 29.10.24 | + 3,5 | + 1,5 | |
CMASF, Moskau | 25.10.24 | +3,7 bis +3,8 | +2,4 bis +2,7 | + 2,0 bis +2,4 |
Russische Zentralbank, mittelfr. Prognose | 25.10.24 | +3,5 bis +4,0 | +0,5 bis +1,5 | +1,0 bis +2,0 |
Internationaler Währungsfonds | 22.10.24 | + 3,6 | + 1,3 | |
Weltbank, Washington | 17.10.24 | + 3,2 | + 1,6 | +1,1 |
Zentralbank-Umfrage vor Leitzinsentscheid | 16.10.24 | + 3,7 | + 1,8 | +1,9 |
WIIW, Wien | 16.10.24 | + 3,8 | + 2,5 | +2,2 |
OPEC, Wien | 14.10.24 | + 3,2 | + 1,5 | |
ING Bank, Amsterdam | 14.10.24 | + 3,5 | + 1,5 | + 0,5 |
Interfax-Umfrage | 09.10.24 | + 3,8 | + 2,0 | |
BOFIT, Bank of Finland | 01.10.24 | + 3,5 | + 1,0 | + 1,0 |
Gemeinschaftsdiagnose deutscher Institute | 26.09.24 | + 3,8 | + 1,6 | + 1,0 |
EBRD, London | 26.09.24 | + 3,6 | + 1,5 | |
OECD | 25.09.24 | + 3,7 | + 1,1 | |
Raiffeisenbank | 17.09.24 | + 3,6 | ||
Wneschekonombank Institut, Moskau | 12.09.24 | + 3,7 | + 2,6 | + 2,4 |
Russian Academy of Sciences; Quarterly | 11.09.24 | + 3,7 | + 3,0 | + 2,8 |
Wirtschaftsministerium Russlands | 06.09.24 | + 3,9 | + 2,5 | +2,6 |
Herbstprognosen deutsche Institute | ||||
DIW Berlin | 06.09.24 | + 3,5 | + 1,8 | + 1,4 |
RWI Essen | 05.09.24 | + 4,3 | + 1,8 | + 1,3 |
Institut für Wirtschaftsforschung Halle | 05.09.24 | + 3,6 | + 1,4 | + 1,0 |
Ifo Institut München | 05.09.24 | + 3,8 | + 1,7 | + 0,5 |
IfW Kiel | 04.09.24 | + 3,9 | + 1,5 | + 1,0 |
Higher School of Economics-Umfrage | 14.08.24 | + 3,3 | + 1,6 | +1,5 |
ACRA, Rating Agency | 01.08.24 | +3,0 bis +3,6 | +0,8 bis +1,7 | +1,0 bis +2,0 |
Allianz Trade, Hamburg | 01.08.24 | + 4,0 | + 2,2 |
Das jährliche BIP-Wachstum verlangsamte sich im dritten Quartal weiter
Nach Einschätzung des russischen Wirtschaftsministeriums ist die gesamtwirtschaftliche Produktion in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 noch um 4,0 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum gewesen.
Die Wachstumsrate hat sich dabei im Verlauf der ersten drei Quartale des Jahres 2024 aber von Quartal zu Quartal verringert. Nach einem jährlichen Wachstum von 5,4 Prozent im ersten Quartal und 4,1 Prozent im zweiten Quartal war das das reale Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal nach Schätzung des Wirtschaftsministeriums nur noch 2,9 % höher als ein Jahr zuvor (Finmarket.ru).
Das Wachstum des BIP gegenüber dem Vorjahresmonat sinkt 2024 im Trend
Im Verlauf des Jahres 2024 ist das Wachstum der Produktion der russischen Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahresmonat im Trend deutlich gesunken. Das zeigt die schwarze Linie in der folgenden Abbildung der T-Bank. Die farbigen Säulenabschnitte zeigen die Beiträge der Wirtschaftsbereiche zur Veränderungsrate des Bruttoinlandsprodukts in Prozentpunkten.
Reales Bruttoinlandsprodukt
Schwarze Linie: BIP-Veränderung gegenüber dem Vorjahresmonat in Prozent
Elitetrader.ru; T-Bank: Russian Economy: Inflation Won’t Slow Down, 01.11.24
Im Februar 2024 hatte sich das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts gegenüber dem Vorjahresmonat noch auf 7,6 Prozent beschleunigt. Bis August 2024 verringerte es sich nach Angaben des Wirtschaftsministeriums auf 2,4 Prozent.
Zur Verlangsamung des jährlichen BIP-Wachstums im August trug ein Rückgang der Produktion in der Landwirtschaft um 14,2 % bei. Hintergrund dafür war, dass die Ernte in einer Reihe von Regionen später als im Vorjahr erfolgte. Im September 2024 beschleunigte sich die jährliche Wachstumsrate des BIP nach Schätzung des Ministeriums auf 2,9 %. Dabei verzeichnete die Landwirtschaft einen leichten Anstieg der Produktion um 0,2 Prozent im Vorjahresvergleich.
Zentralbank: Die Nachfrage übersteigt die Produktionsmöglichkeiten
Damit das BIP-Wachstum im Jahresdurchschnitt 2024 die Wachstumsprognose des Ministeriums von 3,9 % erreicht, müsste das jährliche Wirtschaftswachstum im vierten Quartal etwa 4 Prozent betragen berichtet Finmarket.ru.
Die russische Zentralbank erwartet in einem am 06. November veröffentlichten Kommentar zu ihrer mittelfristigen Wirtschaftsprognose allerdings, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion im vierten Quartal 2024 nur um 2,0 bis 3,0 Prozent höher sein wird als vor einem Jahr (siehe letzte Zeile der folgenden Tabelle). Darauf weist auch Marina Voitenko, Wirtschaftskolumnistin der russischen Internet-Seite Politcom.ru, in ihrer Analyse der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hin. Sie meint aber, es bleibe dennoch wahrscheinlich, dass die russische Wirtschaft 2024 die Wachstumsrate des Jahres 2023 von 3,6 Prozent überschreiten wird.
Zentralbank-Prognosen: Entwicklung von Inflation und Bruttoinlandsprodukt
Russische Zentralbank: Kommentar zur mittelfristigen Prognose der Zentralbank, 06.11.24
Wie die letzte Zeile der Tabelle zeigt, veranschlagt die Zentralbank das jährliche Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts im dritten Quartal 2024 mit + 3,2 Prozent etwas höher als das Ministerium (+ 2,9 Prozent).
Zur aktuellen Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Produktion meint die Zentralbank:
„Die derzeitige Verlangsamung des Wirtschaftswachstums ist vor allem auf zunehmende Einschränkungen auf der Angebotsseite zurückzuführen. Dies äußert sich in einem zunehmenden Mangel an Arbeitskräften,der Erschöpfung verfügbarer Produktionskapazitäten und der Entstehung von Engpässen in der Logistik.“
Darüber hinaus wirke sich auch ein Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion im Jahr 2024 aus. Unter diesen Bedingungen übersteige das Wachstum der Inlandsnachfrage weiterhin deutlich die Möglichkeiten zur Ausweitung der Produktion von Gütern und Dienstleistungen. Die Abweichung der Entwicklung der russischen Wirtschaft von einem „ausgewogenen Wachstumspfad“ bleibe erheblich, meint die Zentralbank.
Zentralbank: „Anhaltend erhöhter Inflationsdruck“
Die Zentralbank konstatiert einen „anhaltend erhöhten Inflationsdruck“. Sie geht davon aus, dass sich der jährliche Anstieg der Verbraucherpreise im dritten Quartal 2024 auf dem im zweiten Quartal erreichten Niveau von 8,6 Prozent gehalten hat. Im vierten Quartal 2024 erwartet dass Ministerium noch eine Inflationsrate von 8,0 bis 8,5 Prozent (siehe erste Zeile der obigen Tabelle). Erst in zwei Jahren im vierten Quartal 2026 werde das von der Zentralbank angestrebte Inflationsziel von 4 Prozent erreicht sein.
Seit Mai ist das reale Bruttoinlandsprodukt etwas gesunken
Nach ersten Berechnungen des Wirtschaftsministeriums ist das reale Bruttoinlandsprodukt im September im Vergleich mit dem Vormonat August saisonbereinigt um 0,5 % gestiegen. Damit wurde der Rückgang im August gegenüber Juli um 0,4 % ausgeglichen (Finmarket.ru).
Berechnungen des Forschungsinstituts der Wneschekonombank (der staatlichen Bank für Außenwirtschaft), kommen zu etwas anderen Ergebnissen. Danach stieg die gesamtwirtschaftliche Produktion im September saison- und kalenderbereinigt gegenüber dem Vormonat um 0,8 Prozent. Die folgende Abbildung des VEB-Instituts zeigt, dass der Index des realen Bruttoinlandsprodukts trotz des Anstiegs im September zuletzt weiterhin etwas niedriger war als im Mai.
Index des realen Bruttoinlandsprodukts, saison- und kalenderbereinigt, Januar 2014 = 100
Vnesheconombank Institute; Russian Economy in September/October 2024; 08.11.24
Auch die Industrieproduktion war im September niedriger als im Mai
Zur „Abkühlung” der russischen Konjunktur in den letzten Monaten trug die Entwicklung der Industrieproduktion bei. Die folgende Rosstat-Abbildung zeigt, dass der Index der saison- und kalenderbereinigten Industrieproduktion nach einem kräftigen Anstieg in den Monaten Februar bis Mai 2024 etwas gesunken ist (dunkelblaue Linie).
Indizes der Industrieproduktion (Monatsdurchschnitt 2021=100): schwarze Linie: unbereinigt; dunkelblaue Linie: saison- und kalenderbereinigt; hellblaue Linie: Trend
Rosstat: Industrieproduktion im September; mit Tabelle mit Chart; 23.10.24
Vladimir Bessonov, Leiter der Abteilung für Industrie und Außenhandel des Konjunkturforschungszentrums der Moskauer „Higher School of Economics“, meint in Monocle.ru, das schnelle Wachstum der Industrieproduktion nach dem starken Rückgang im Jahr 2022 sei neben der nach jeder Krise üblichen Erholung unter anderem auf folgende Faktoren zurückzuführen gewesen:
- Die Notwendigkeit, bisherige Einfuhren durch inländische Produkte zu ersetzen und eine Umorientierung der Verbrauchernachfrage auf den Binnenmarkt.
- Die zusätzliche Nachfrage wegen der „speziellen Militäroperation“.
- Maßnahmen zur Unterstützung der Bevölkerung und der Unternehmen.
Jetzt sei das Wachstumspotenzial dieser Faktoren erschöpft. Auch die „straffe Geldpolitik“ wirke sich aus.
Der Verbrauch der privaten Haushalte ist weiter gewachsen
Angesichts der weiter stark gestiegenen Reallöhne (August 2024/August 2023: + 7,7 Prozent) ist der private Verbrauch laut dem VEB-Institut im dritten Quartal weiter gewachsen.
Der reale Einzelhandelsumsatz war im September 6,5 Prozent höher als im Vorjahresmonat (schwarze Linie in der folgenden Abbildung). Saison- und kalenderbereingt stieg er im September wie im Juli gegenüber dem Vormonat um 0,7 Prozent. Im August nahm er gegenüber dem Vormonat kaum ab (- 0,1 Prozent).
Der reale Umsatz im Bereich der privaten Dienstleistungen (dunkelgrüne Linie) sank im August und auch im September saison- und kalenderbereinigt gegenüber dem Vormonat zwar etwas. Er war im September aber noch 1,9 Prozent höher als ein Jahr zuvor.
Indizes der Reallöhne, des realen Einzelhandelsumsatzes und des realen Umsatzes mit privaten Dienstleistungen (Jan. 2014=100)
Vnesheconombank Institute; „World Economy and Markets Review“; 01.11.24
Alle Einkaufsmanager-Indizes notieren im Oktober über der Wachstumsschwelle
Als „Frühindikatoren“ für die Produktionsentwicklung gelten die vom Research-Unternehmen S&P Global durch Befragungen von Unternehmen in Russland monatlich ermittelten „Einkaufsmanager-Indizes“. Der jüngste Anstieg der Indizes für das „Verarbeitende Gewerbe“ (Russia Purchasing Manager Index Manufacturing) und den Dienstleistungsbereich (Russia PMI Services) bei der Umfrage Ende Oktober deutet auf ein Wachstum der Produktion in Industrie und Dienstleistungsbereich hin.
Bis zum Sommer dieses Jahres hatten sich die Einkaufsmanager-Indizes sehr unterschiedlich entwickelt.
Der Index für das Verarbeitende Gewerbe (gelbe Linie in der folgenden Abbildung) hielt sich angesichts des starken Anstieg der Industrieproduktion im Verlauf des ersten Halbjahres bis in den Sommer hinein auf einem im langfristigen Vergleich sehr hohen Niveau, weit über der „Wachstumsschwelle“ von 50 Indexpunkten, deren Überschreiten eine Zunahme der Geschäftsaktivitäten signalisiert.
Demgegenüber sank der Index für den Dienstleistungsbereich (rote Linie) bereits zur Jahresmitte kurze Zeit unter die Wachstumsschwelle von 50 Indexpunkten. Er erholte sich aber rasch.
S&P Global Einkaufsmanager-Indizes für Russland
bne Intellinews: Russian service sector PMI up to 51.6 in October as inflationary pressures resurface, 06.11.24
Im August notierten beide Indizes bei rund 52 Indexpunkten.
Im September sank der Index für das Verarbeitende Gewerbe mit 49,5 Punkten knapp unter die Wachstumsschwelle. Hintergrund dafür dürfte der leichte Rückgang der Industrieproduktion seit Mai gewesen sein. Der Index für den Dienstleistungsbereich hielt sich im September mit 50,5 Punkten knapp über der Wachstumsschwelle.
Im Oktober stiegen beide Indizes um rund einen Prozentpunkt. Der Index für das Verarbeitende Gewerbe (gelbe Linie) erreichte 50,6 Indexpunkten, der Index für den Dienstleistungsbereich 51,6 Indexpunkte (rote Linie).
Damit notiert auch der „kombinierte Einkaufsmanager-Index“, der „Composite Output Index“, der im September auf 49,4 Punkte gesunken war, im Oktober mit 50,9 Punkten wieder über der Wachstumsschwelle (blaue Linie).
„Composite Output Index“ und reales Bruttoinlandsprodukt (Veränderung gegenüber dem Vorjahresquartal in Prozent)
S&P Global: S&P Global Russia Services PMI, 06.11.24
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Weitere Lesetipps und Quellen im PDF-Dokument, unter anderem zu:
- ZDF Doku: Deutsche Maschinen für Putins Krieg. Gute Geschäfte trotz Sanktionen?
- Olga Belenkaya: Central Bank prepares to “significantly” raise inflation forecast
- Vladimir Milov: Russian Economy: Still Standing, But Stuck
- Uwe Klußmann im Podcast „Zaren, Daten, Fakten“: Russlands Magnaten
- Gaidar-Jahrbücher, russisch und englisch