Schritt für Schritt aus der Wüste: UN-Resolution zur Aralsee-Region verabschiedet

Wie ökologische Innovationen und technologische Entwicklung dem Aralsee helfen sollen

Er galt jahrelang als Beispiel für fehlende Umweltpolitik und rücksichtsloses Wirtschaften. Mit jedem Jahr verlor er mehr Wasser, nun ist der Aralsee beinahe ganz ausgetrocknet. Das Problem ist schon lange bekannt – doch international fehlte bisher eine stringente Agenda zum Schutz des Salzgewässers. Eine Sonderresolution der Vereinten Nationen soll das nun ändern. Gefragt sind jetzt die regionalen Akteure.

Ein See, in welchem die Fischer keine Fische mehr fangen und ihre Schiffe in der Wüste rosten. Seit vielen Jahren ist das Schicksal des Aralsees bekannt, und wiederholt Gegenstand breiter internationaler Aufmerksamkeit – insbesondere mit Hinblick auf Fragen der Klima- und Umweltpolitik. Der an der Grenze zwischen Kasachstan und Usbekistan gelegene Salzwassersee ist heute auf einen Bruchteil seiner einstigen Größe geschrumpft. Die Fläche des ausgetrockneten Bodens des Aralsees beträgt inzwischen etwa 4,5 Millionen Hektar. Flora, Fauna und die Sozialstruktur der an den See grenzenden Gebiete sind durch dessen Versalzung, Verlandung und die Probleme von Umweltzerstörung und der Ausbeutung natürlicher Ressourcen schwer getroffen. Da dies keine Fragen von rein lokaler oder regionaler Dimension sind, sondern grundsätzliche Herausforderungen für Mensch und Natur in der Gegenwart, bekommt der Aralsee vermehrt international Aufmerksamkeit. So auch unlängst bei den Vereinten Nationen.

Während der Plenarsitzung der 75. Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 18. Mai 2021 wurde eine Sonderresolution zur Erklärung der Aralsee-Region zur Zone der ökologischen Innovationen und Technologien auf Vorschlag des usbekischen Präsidenten Shavkat Mirziyoyev einstimmig angenommen. Diesem Schritt geht ein kontinuierliches Engagement des usbekischen Staatsoberhauptes für das Schicksal der Aralsee-Region voraus. Im Jahr 2017 wurde der Entwicklungsfonds für die Aralsee-Region gegründet, um eine zuverlässige und langfristige Finanzierung zu gewährleisten. Ein wichtiger Schritt in dieser Hinsicht war die Umsetzung von über 60 Projekten im Wert von mittlerweile fast 800 Millionen US-Dollar, die darauf abzielen, die Folgen der Katastrophe zu mildern und die ökologische und sozioökonomische Situation sowie die alltäglichen Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung zu verbessern. Im Folgejahr 2018 betonte der Präsident Usbekistans auf internationaler Ebene das Ziel seiner Initiative: neue Bedingungen für die Anziehung von Investitionen in die Entwicklung und Umsetzung von Hochtechnologie-Innovationen, umweltfreundlichen energie- und wassersparenden Technologien, die umfassende Anwendung der Prinzipien ökologischen Wirtschaftens, die Verhinderung einer weiteren Desertifikation sowie für die Etablierung des Ökotourismus rund um den Aralsee zu schaffen. Die nun verabschiedete UN-Resolution wurde auf einer Konferenz unter dem Titel „Die Aralsee-Region – eine Zone der Umweltinnovationen und -technologien“ im Oktober 2019 in Nukus erstmals vorgestellt und mit internationalen Experten diskutiert. In seiner Videoansprache an die Teilnehmer des Forums bezeichnete UN-Generalsekretär António Guterres das Verschwinden des Aralsees als eine der größten Umweltkatastrophen unserer Zeit. Die Delegationen der Mitgliedsstaaten aus dem asiatisch-pazifischen Raum, Europa, Afrika, Latein- und Nordamerika, die sich aktiv an den Diskussionen über den Entwurf des Dokuments beteiligten, würdigten die Initiative des Präsidenten Usbekistans und betonten deren Bedeutung sowohl für Zentralasien, als auch im globalen Kontext. Ein wichtiger Schritt in Richtung der zuvor genannten Ziele sind auch die Maßnahmen zur integrierten sozioökonomischen Entwicklung der Republik Karakalpakistan im Zeitraum 2020-2023. In diesem Zusammenhang werden 21 Billionen usbekischer Sum für über 2.700 Projekte und Einrichtungen bereitgestellt.

Es geht nur regional

Und trotz des schwierigen Jahres 2020, das ganz im Zeichen der Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie stand, hörten die groß angelegten Begrünungsarbeiten auf dem ausgetrockneten Grund des Aralsees nicht auf. Nach den neuesten Daten hat die Fläche der Waldplantagen auf dem ausgetrockneten Boden des Aralsees etwa 1,2 Millionen Hektar erreicht.

In der nun verabschiedeten Resolution betont die UN-Generalversammlung die Bedeutung der Intensivierung regionaler Zusammenarbeit bei der Umsetzung gemeinsamer Maßnahmen zur Überwindung der Folgen der Aralsee-Krise und der Stabilisierung der Umweltsituation in der Aralsee-Region. Im Mittelpunkt steht: das Verhindern weiterer Wüstenbildung und die Abschwächung negativer ökologischer und sozioökonomischer Folgen durch die nachhaltige Anwendung von Methoden zur Rekultivierung von Sandformationen auf dem ausgetrockneten Boden des Aralsees, welche Asche-, Salz- und Staubtransferprozessen unterliegen. Hierzu werden die UN-Mitgliedstaaten aufgefordert, gemeinsame interdisziplinäre Forschung sowie wissenschaftliche und innovative Zusammenarbeit in der Aralsee-Region zu betreiben, umweltverträgliche Technologien zu entwickeln und umzusetzen, nachhaltiges inklusives und umweltverträgliches Wirtschaftswachstum zu fördern und die Anwendung von energie- und wassersparenden Technologien im Einklang mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung in der Region.

Deutschland unterstützt diese Ziele im Rahmen der „Green Central Asia Strategy“, die im Januar 2020 gemeinsam mit allen fünf Staaten Zentralasiens auf einer internationalen Konferenz in Berlin verabschiedet wurde, an welcher der Autor ebenfalls teilgenommen hat. Besonders hervorzuheben ist, dass die Aralsee-Region die erste Region war, der von der Generalversammlung der besondere Status als Umweltinnovations- und Technologiezone verliehen wurde. Dieses Land verändert sich aktuell vor den Augen der Weltgemeinschaft: Die Menschen haben wieder Zugang zu sauberem Trinkwasser, es werden moderne Gebäude, Straßen, Schulen und Krankenhäuser gebaut. Ausländische Investoren kommen verstärkt in die Region, die Zahl der Touristen aus verschiedenen Teilen der Welt wächst. All das zeigt, dass die Aralsee-Region wiederbelebt wird und große Perspektiven hat. Die Aralsee-Region verfügt hierbei nicht nur über das Potential, die ambitionierte Reformpolitik des usbekischen Präsidenten bei der wirtschaftlichen und ökologischen Umgestaltung des Landes zu veranschaulichen. Auch auf internationaler Ebene und speziell im Hinblick auf die Agenda 2030 kann die weitere Entwicklung dieser Region im Herzen Zentralasiens einen bedeutenden Beitrag dazu leisten, weitere Vorhaben für regionale und multilaterale Kooperation nach deren Vorbild zu entwickeln.

Titelbild
Schiffswracks im ausgtrockneten Becken des Aralsees. Milosz Maslanka I Shutterstock.com