Russlands Außenwirtschaft nach dem Ölpreiseinbruch, Teil 1

Russlands Außenwirtschaft nach dem Ölpreiseinbruch, Teil 1: Ausfuhr und Einfuhr von Waren stiegen 2017 bisher um rund ein Viertel

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In den letzten drei Jahren haben die Ölpreise besonders stark geschwankt. Die Preisausschläge hinterlassen vor allem in der russischen Außenhandelsbilanz tiefe Spuren. Mit dem Einbruch der Ölpreise um rund 57 Prozent von 2014 bis 2016 sanken die gesamten Ausfuhrerlöse um rund 43 Prozent, weil Erdöl, Mineralprodukte und Erdgas 2014 noch rund zwei Drittel der russischen Ausfuhrerlöse stellten. Für das laufende Jahr 2017 wird jetzt meist eine Erholung des Urals-Ölpreises um 20 Prozent auf rund 50 Dollar/Barrel im Jahresdurchschnitt erwartet. Aktuell ist Rohöl sogar rund doppelt so teuer wie im Preistief Anfang 2016.

Uns interessierte: Wie haben die starken Ölpreisschwankungen die Struktur der russischen Exporte verändert. Hat sich die „Energielastigkeit“ der russischen Ausfuhren mit dem Einbruch der Ölpreise deutlich verringert? Steigt der Anteil von Öl und Gas an den russischen Warenausfuhren jetzt wieder steil an? Wie wirkte sich die Rezession in den Jahren 2015 und 2016 auf die Einfuhren nach Russland aus? Steigen die Importe mit der jetzt begonnenen Konjunkturerholung so stark, dass sie die Exporte übertreffen und der Überschuss in der Handelsbilanz verschwindet? Die Entwicklung des Warenhandels seit 2014 steht also im Mittelpunkt des folgenden Berichts.

Tiefer Absturz der Rohölpreise von 2014 bis 2016…

Von 2014 bis 2016 war der Urals-Ölpreis von rund 98 Dollar/Barrel auf nur noch rund 42 Dollar/Barrel im Jahresdurchschnitt gesunken. Der Preiseinbruch um rund 57 Prozent drückte nicht nur die Dollar-Ausfuhrerlöse von Rohöl (- 52 Prozent) und Mineralölprodukten (- 60 Prozent), sondern auch die Erlöse beim Erdgasexport (-43 Prozent), weil die Erdgasexportpreise den Ölpreisen mit einer zeitlichen Verzögerung weitgehend folgen.

… wurde für Exporteure und Fiskus durch die Rubel-Abwertung abgefedert

Gleichzeitig wertete der Rubel gegenüber dem Dollar stark ab (2015 um 37,4 Prozent; 2016 um weitere 9,3 Prozent). In Rubel gerechnet sanken die Ausfuhrerlöse deswegen viel weniger als in Dollar. Die folgende Abbildung aus einem Bericht des „Analyse-Zentrums für die russische Regierung“, die die wertmäßige Entwicklung der Erlöse in Rubel (rote Linie) und Dollar (blaue Linie) zeigt, macht dies deutlich.

Chart: Analytical Centre for the Government of the Russian Federation: Foreign trade trends; 05.10.2017; Hellblaue Säulen: Rohölexportmengen in Millionen Tonnen; linke Skala;
dunkelblaue Linie: Erlöse in Milliarden Dollar; linke Skala; rote Linie: Erlöse in Milliarden Rubel; rechte Skala.

Die Rubel-Erlöse von Russlands Öl- und Gasexporteuren wurden durch den Ölpreisverfall also weniger stark gedrückt als die Halbierung der Dollar-Preise vermuten läßt. Der russische Finanzminister profitierte mit den Unternehmen von der Abwertung, deren „Kosten“ (Inflationsschub durch höhere Importpreise) vor allem die privaten Haushalte zu tragen hatten.

Der Ölpreisverfall hatte auch einen willkommenen Effekt: Der Anteil der Erlöse aus dem Export von Erdöl, Mineralölprodukten und Erdgas am gesamten Warenexport verringerte sich von 2014 bis 2016 deutlich von rund 66 Prozent auf „nur“ noch rund 55 Prozent. Berücksichtigt man auch den Export anderer Energieträger (insbesondere Kohle), zeigt die Rosstat-Außenhandelsstatistik einen Rückgang des Anteils aller Energieexporte am gesamten Warenexport von 69,5 Prozent auf 58,1 Prozent von 2014 bis 2016. Der Energieanteil sank also um rund 11 Prozentpunkte. Russlands Ausfuhr wurde weniger „energielastig“, ein Ziel, das die russische Regierung seit langem verfolgt.

Jetzt kräftige Erholung der Ausfuhrerlöse – nicht nur für Öl und Gas

In den ersten drei Quartalen 2017 war Urals-Öl mit rund 51 Dollar/Barrel rund 27 Prozent teurer als im Vorjahr. Nach Schätzungen der Zentralbank stiegen die Ausfuhrerlöse von Erdöl (+ 31 Prozent) und Mineralölprodukten (+ 32 Prozent) mengenbedingt noch etwas stärker als der Ölpreis. Die Erlöse aus dem Erdgasexport per Pipeline nahmen – weil der Gaspreis dem Ölpreis zeitlich verzögert folgt – nur um rund 22 Prozent zu.

Insgesamt dürften die Erlöse aus dem Export von Öl und Gas laut Zentralbank in den ersten drei Quartalen rund 29 Prozent höher gewesen sein als vor einem Jahr. Der gesamte Warenexport stieg nach ihren Schätzungen fast ebenso stark um rund 26 Prozent, während sich gleichzeitig die Warenimporte um rund 25 Prozent erholten.

Russlands Warenexport: Abschwung 2014 bis 2016 – Aufschwung 2017

 2014 (Mrd. $)2016 (Mrd. $)2016 (% ggü. 2014)1.-3. Vierteljahr 2017 (Mrd. $)1.-3. Vierteljahr 2017 % (ggü. 1.-3. VJ 2016)
Erdöl153,973,7- 52,168,2+30,7
Mineralölprodukte115,846,1- 60,244,1+32,4
Erdgas insgesamt59,934,2- 42,928,7+19,6
- Pipeline-Exporte54,731,3- 42,826,5+22,1
- LNG-Exporte5,22,9- 44,72,2- 4,3
Erdöl, Produkte, Erdgas insgesamt329,6154,0- 53,3141,0+28,8
Sonstige Exporte167,2127,7- 23,6109,2+21,7
Export insgesamt496,8281,7- 43,3250,4+25,6
Anteil von Öl und Gas am Export in %66,454,756,3
Quelle: Russische Zentralbank: External Sector Statistics Balance of Payments of the Russian Federation for January-September of 2017, Schätzung vom 10.10.2017

„Sonstige Exporte“ fast so stark wie Öl- und Gasexporte gestiegen

Ist mit den höheren Ölpreisen die Abhängigkeit der russischen Exporte von Öl und Gas wieder kräftig gestiegen? Entscheidend dafür ist, wie sich die sonstigen Warenausfuhren entwickeln. Russland konnte sie laut Zentralbank-Schätzung in den ersten neun Monaten um rund 22 Prozent steigern, nicht viel weniger als die Öl- und Gasausfuhren. Damit erhöhte sich der Anteil der Öl- und Gasexporte an den gesamten Warenexporten im Vergleich zum Vorjahr nur um 1,4 Prozentpunkte auf 56,3 Prozent. 2014 war die „Energielastigkeit“ in den ersten drei Quartalen noch deutlich höher (67,8 Prozent). Zumindest bisher blieben die Fortschritte auf dem Weg zu einer stärkeren Diversifikation der Ausfuhrstruktur also weitgehend erhalten.

Wareneinfuhr sank 2014 bis 2016 kaum schwächer als die Ausfuhr

Mit dem Ölpreiseinbruch geriet Russland 2015 in eine 2 Jahre dauernde Rezession. 2015 ging die gesamtwirtschafliche Produktion um 2,8 Prozent zurück. Das drückte den Importbedarf. Die starke Abwertung des Rubel verteuerte zudem die Importe. Hinzu kamen die Sanktionen: Ausfuhrverbote von westlicher Seite und Einfuhrverbote von russischer Seite (Nahrungsmittelimporte) ließen die Einfuhr zusätzlich sinken. 2015 war sie um gut ein Drittel niedriger als im Vorjahr. 2016, als die Rezession auslief und das Bruttoinlandsprodukt nur noch um 0,2 Prozent schrumpfte, hielt sich der Import dann fast auf dem stark gedrückten Niveau.

Im Zwei-Jahres-Vergleich 2016 gegenüber 2014 sanken die Einfuhren um rund 38 Prozent, nur wenig schwächer als die Ausfuhren (rund – 43 Prozent). Eine Abbildung im Konjunkturbericht des Development Centers der Moskauer Higher School of Economics (HSE) zeigt den Abschwung der monatlichen Exporte (grüne Linie) und der Importe (blaue Linie) von 2014 bis 2016.

Zahlungsbilanz
Sergey Pukhov (Higher School of Economics): Платёжный баланс: Сможет ли тенденция к росту импорта обнулить профицит торгового баланса? Zahlungsbilanz: Werden die wachsenden Importe den Handelsbilanzüberschuss aufzehren? Kommentare zu Staat und Wirtschaft, Nr.140; 04.10.2017

Aus Sicht der deutschen Wirtschaft besonders interessant ist die Entwicklung der russischen Importe von Maschinen und Ausrüstungen. Die russische Zentralbank hat dazu in einer Präsentation für Investoren folgende Abbildung der saisonbereinigten Entwicklung der monatlichen Einfuhren von Maschinen und Ausrüstungsgütern seit Anfang 2014 veröffentlicht. Sie zeigt eine Halbierung des Einfuhrwertes von rund 12 Milliarden Dollar auf knapp 6 Milliarden Dollar Mitte 2015. Bis Mitte 2017 hat sich der Wert der Einfuhren auf rund 9 Milliarden Dollar erholt. Die Hälfte des Einbruchs in der Rezession ist also inzwischen aufgeholt.

Russian economic outlook and monetary policy challenges
Quelle: Russische Zentralbank: Russian economic outlook and monetary policy challenges; Präsentation für Investor Relations Program der Zentralbank, September 2017

Insgesamt sind die russischen Warenimporte nach Schätzung der russischen Zentralbank in den ersten drei Quartalen 2017 wie die Exporte um rund 25 Prozent gestiegen (siehe Tabelle in Teil 2 dieses Berichts).

Die Erholung des russischen Außenhandels spiegelt sich auch in der deutschen Statistik für den Außenhandel mit Russland: In den ersten sieben Monaten 2017 waren die deutschen Exporte nach Russland 24 Prozent höher als im Vorjahr. Deutschlands Einfuhren aus Russland stiegen um 27 Prozent.

Im zweiten Teil dieses Berichts zur russischen Außenwirtschaft können Sie lesen, wie sich die Entwicklung der Aus- und Einfuhr in den Salden der Handels- und Leistungsbilanz niedergeschlagen hat? Wie stark sind die Überschüsse mit dem Einbruch der Ölpreise geschrumpft? Mit welcher Entwicklung der Ölpreise und der Leistungsbilanz wird in den nächsten Jahren gerechnet?

Quellen und Lesetipps zur russischen Außenwirtschaft: