Russlands Außenwirtschaft nach dem Ölpreiseinbruch, Teil 2

Russlands Außenwirtschaft nach dem Ölpreiseinbruch, Teil 2: Zentralbank: Halbierter Handelsbilanzüberschuss steigt nur 2017 etwas

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Im ersten Teil unseres Berichts zur außenwirtschaftlichen Entwicklung Russlands seit 2014 stand die Entwicklung der Aus- und Einfuhr von Waren im Mittelpunkt.

Jetzt fragen wir: Welche Salden ergaben sich daraus in der Handels- und Leistungsbilanz? Wie stark haben sich die Überschüsse mit dem Einbruch der Ölpreise verringert? Mit welcher Entwicklung der Ölpreise und der Leistungsbilanz wird in den nächsten Jahren gerechnet?

Die russische Zentralbank hat kürzlich Schätzungen für die Leistungsbilanzentwicklung in den ersten drei Quartale 2017 und Szenarien für die Entwicklung bis 2020 veröffentlicht.

Handels- und Leistungsbilanzüberschüsse halbierten sich 2014 bis 2016

Die Überschüsse in der russischen Handels- und Leistungsbilanz sind von 2014 bis 2016 fast genauso stark gesunken wie die Rohölpreise. Der Handelsbilanzüberschuss verminderte sich um rund 52 Prozent, der Leistungsbilanzüberschuss um rund 56 Prozent. Da die Importe in der Rezession fast so stark sanken wie die Exporte, konnte Russland aber weiterhin in Relation zum Bruttoinlandsprodukt beträchtliche Überschüsse verzeichnen.

Russlands Handels- und Leistungsbilanz

Prognosen für das 1. - 3. Vierteljahr 2017 sowie Prognose für das Gesamtjahr 2017 basieren auf Schätzungen der russischen Zentralbank.
 2014 (Mrd. $)2016 (Mrd. $)2016 (% ggü. 2014)1.-3. Vierteljahr 2017 (Mrd. $)1.-3. Vierteljahr 2017 (% ggü.
1.-3. VJ 2016)
2017
(Mrd. $)
2017
(% ggü. 2016)
Warenausfuhr496,8281,9-43,3250,4+25,6330+17,1
Wareneinfuhr307,9191,6- 37,8170,1+24,8228+19,0
Handelsbilanzüberschuss188,990,3-52,280,3+27,5102+13,0
% vom BIP9,27,0
Leistungsbilanzüberschuss57,525,5-55,726,6+73,930+17,6
% vom BIP2,82,0
BIP, Mrd. US-Dollar2.0511.284
Quellen: Russische Zentralbank: External Sector Statistics, Monetary Policy Report, September 2017 BOFIT: Russia Statistics

 

Ullrich Umann, langjähriger Beobachter der russischen Wirtschaft als Mitarbeiter der German Trade & Invest (GTAI), meint:

„Russland fährt im Außenhandel einen konservativen Kurs. Der Handelsbilanzsaldo bleibt sowohl in Zeiten der Hochkonjunktur als auch in Rezessionszeiten positiv. Drückt der Ölpreisverfall den Exportwert, werden weniger Waren und Dienstleistungen im Ausland bestellt.“ (Russlands Außenhandel bleibt vom Ölpreis abhängig; 03.05.2017)

Überschüsse erholen sich bei gestiegenen Ölpreisen jetzt

Seit Ende 2016 übertreffen die gesamten Warenexporte wieder ihr Vorjahresniveau. Die Importe sind mit der Konjunkturbelebung schon seit Mitte 2016 höher als ein Jahr zuvor.

In den ersten drei Quartalen 2017 ergaben sich in der Handels- und Leistungsbilanz laut Zentralbank-Schätzung kräftig gestiegene Überschüsse. Bei rund einem Viertel höheren Aus- und Einfuhren war der Handelsbilanzüberschuss um rund 28 Prozent höher als vor einem Jahr. In der Leistungsbilanz ergab sich in den ersten drei Quartalen mit rund 27 Milliarden Dollar bereits ein etwas höherer Überschuss als im gesamten Vorjahr.

Basis-Szenario der Zentralbank für 2017 bis 2020:
Handels- und Leistungsbilanzüberschuss steigen nur in diesem Jahr

Die russische Zentralbank geht in ihrem im September im „Monetary Policy Report“ veröffentlichten Basisszenario davon aus, dass der Ölpreis im Jahresdurchschnitt 2017 50 Dollar/Barrel beträgt (Januar bis September: 51 Dollar/Barrel). Dabei rechnet sie damit, dass die Ausfuhrerlöse im Warenhandel in diesem Jahr um rund 17 Prozent auf 330 Milliarden Dollar wachsen und die Einfuhren ähnlich stark um rund 19 Prozent auf 228 Milliarden Dollar zunehmen.

Der Handelsbilanzüberschuss (hellrote Säulen im folgenden Chart der Zentralbank) wird dabei in diesem Jahr um rund 13 Prozent auf rund 102 Milliarden Dollar steigen. Auch der Leistungsbilanzüberschuss (rote Linie im Chart) wächst etwas auf 30 Milliarden Dollar.

Entwicklung von Handels- und Leistungsbilanz
Entwicklung von Handels- und Leistungsbilanz, 2017 bis 2020 Prognose der Zentralbank (Basisszenario); Quelle: Russische Zentralbank, Monetary Policy Report, September 2017.

Bei erneutem Ölpreisrückgang schwindet Leistungsbilanzüberschuss ab 2018

Die Zentralbank geht aber – wie die russische Regierung – in ihrem Basis-Szenario, das sie selbst als „konservativ“ bezeichnet, davon aus, dass der Urals-Preis 2018 auf 44 Dollar sinkt und 2019 und 2020 nur noch 42 Dollar erreicht (anders als der Internationale Währungsfonds der 2018 bei rund  50 Dollar stagnierende Ölpreise erwartet).

Bei diesen niedrigen Ölpreisen rechnet die Zentralbank damit, dass der Handelsbilanzüberschuss im nächsten Jahr um 18 Milliarden Dollar auf 84 Milliarden Dollar zurückgeht.

Auch der Leistungsbilanzüberschuss werde sich 2018 um 18 Milliarden Dollar auf nur noch 12 Milliarden Dollar vermindern. Noch etwas niedrigere Leistungsbilanzüberschüsse erwartet die Zentralbank beim Ölpreis von 42 Dollar/Barrel in den Jahren 2019 (4 Milliarden Dollar) und 2020 (8 Milliarden Dollar).

Die Erwartungen der russischen Regierung in ihrem Ende August veröffentlichten „Russia Economic Outlook“ stimmen im Basisszenario mit diesen Einschätzungen der Zentralbank weitgehend überein.

Bei auf 60 Dollar steigenden Ölpreisen wachsen Überschüsse etwas

Die Zentralbank hat aber auch ein Szenario mit leicht steigenden Ölpreisen entwickelt. Erhöht sich der Urals-Ölpreis im Jahresdurchschnitt 2018 auf 56 Dollar/Barrel und zieht bis 2020 langsam auf 60 Dollar/Barrel an, erwartet die Zentralbank etwas steigende Überschüsse in der Handels- und Leistungsbilanz.

Der Überschuss im Warenhandel werde sich dann 2018 um rund 10 Milliarden Dollar auf 112 Milliarden Dollar erhöhen und 2019 und 2020 noch etwas weiter zunehmen.

Der Leistungsbilanzüberschuss dürfte laut Zentralbank bei den angenommenen leicht steigenden Ölpreisen 2018 wie der Handelsbilanzüberschuss um 10 Milliarden Dollar wachsen. Er würde 40 Milliarden Dollar erreichen und 2019 und 2020 nur wenig sinken.

Quellen und Lesetipps zur russischen Außenwirtschaft: