Russlandpolitik: FDP-Parteitag zeigt Härte bei Sanktionen

Russlandpolitik: FDP-Parteitag zeigt Härte bei Sanktionen

Kubicki-Antrag auf Lockerung mit rund 95 Prozent abgelehnt

Auch auf dem Bundesparteitag der FDP am Wochenende in Berlin war die Russlandpolitik ein heiß diskutiertes Thema. Im Brennpunkt stand die Frage: Wer soll den ersten Schritt für eine Lockerung der EU-Sanktionen tun? Muss zuerst Russland sein Verhalten ändern? Oder soll die EU die Initiative ergreifen und einen Schritt auf Russland zugehen?

Kubicki und Kemmerich forderten „dosiertes Entgegenkommen“

Wolfgang Kubicki (Landesverband Schleswig-Holstein) und Thomas L. Kemmerich (Landesverband Thüringen) hatten einen Änderungsantrag zu den Vorschlägen des FDP-Bundesvorstandes zur Russlandpolitik vorgelegt. Sie halten es für geboten, die gegen Russland verhängten Sanktionen kritisch zu überprüfen. Dabei dürfe nicht ausgeschlossen werden, den Friedensprozess „durch ein dosiertes Entgegenkommen unsererseits wieder zu dynamisieren“:

„Wir stellen (…) fest, dass die gegenüber der Russischen Föderation verhängten Sanktionen keine erkennbaren Fortschritte in Richtung der gewünschten deeskalierenden und friedensstiftenden Wirkung gebracht haben. Im Sinne einer lösungsorientierten Außenpolitik ist es angezeigt und im Sinne des Außenwirtschaftsgesetzes gesetzlich geboten, die bisherigen Maßnahmen einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Im Rahmen dieser Überprüfung dürfen wir vernünftigerweise nicht ausschließen, den Friedensprozess durch ein dosiertes Entgegenkommen unsererseits wieder zu dynamisieren.“

Kubicki: Auf die von Sanktionen Betroffenen hören

Kubicki hatte schon seit Wochen dafür geworben, dass die EU beim Abbau von Sanktionen den ersten Schritt machen und auf Russland zugehen sollte. Dem Deutschlandfunk sagte er am 18. März im „Interview der Woche“:

„… zunächst einmal ist die Frage, wer beginnt mit dem ersten Schritt. Wenn wir uns gegenüberstehen und sagen, der andere muss anfangen, kommen wir nicht weiter.

Ich glaube, dass wir mal auf diejenigen hören sollten, die von Sanktionen betroffen sind, auch unsere deutsche Landwirtschaft, die ja in die Knie gegangen ist teilweise, weil der russische Markt als Exportmarkt nicht mehr zur Verfügung stand, dass wir hören auf den Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, dass wir hören auf fünf Ministerpräsidenten, die übrigens jeder Couleur, SPD, CDU, völlig egal, aus den ostdeutschen Bundesländern, die erklärt haben, gerade uns, in unseren Regionen, mit unserer neu aufstrebenden mittelständischen Wirtschaft, trifft uns das.

Also lasst uns doch versuchen, in einem ersten Schritt zu dokumentieren, wir sind bereit, auf Russland zuzugehen und wenn wir darauf dann keine Antwort bekommen, dann in der Tat bin auch ich dafür, wenn es keine russische Antwort auf unseren ersten Schritt gibt, zu sagen, okay, ihr wollt nicht, dann ist es eben so.“

In seiner Rede auf dem Bundesparteitag drückte er es so aus (Tagesschau-Bericht; ab Min. 0:35):

„… müssen wir zumindest prüfen, ob wir den Einstieg schaffen in diesen Bereich, um zu sehen, ob Russland darauf reagiert.

Reagiert es darauf nicht, wissen wir Bescheid. Dann gibt es eben keine weiteren Zugeständnisse.

Wird darauf reagiert, setzt dies einen Prozess in Gang, der dazu führen kann, dass wir wirklich zu mehr Sicherheit in Europa kommen.“

FDP-Parteitag: Ein „substanzielles Einlenken“ Russlands ist Voraussetzung für Lockerung der Sanktionen

Der Bundesvorstand der FDP war hingegen bereits am 29. Januar in einem Beschluss zur Russlandpolitik („Recht wahren, Werte verteidigen, Dialog führen – zehn Vorschläge für die Zusammenarbeit mit Russland“) übereingekommen, dass Sanktionen nur „bei einem substanziellen Einlenken der russischen Regierung gelockert oder aufgehoben“ werden können:

„Die FDP steht zu den gegen Russland verhängten Sanktionen. Im Fall einer weiteren militärischen Eskalation in der Ukraine muss Europa diese weiter verschärfen, denn sie sind kein Selbstzweck, sondern dienen einzig der Wiedereingliederung Russlands in die internationale Friedensordnung. Dabei muss die EU unbedingt mit einer Stimme sprechen. Im Gegenzug können Sanktionen bei einem substanziellen Einlenken der russischen Regierung gelockert oder aufgehoben werden.“

Graf Lambsdorff: Kein Abbau von Sanktionen ohne jede Gegenleistung

In einem Phoenix-Interview nahm Alexander Graf Lambsdorff, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, vor der Debatte des Parteitages zu den unterschiedlichen Positionen in der FDP zur Sanktionspolitik Stellung (ab Minute 3:45):

„Kubicki sagt ja, Abbau (der Sanktionen) ohne Gegenleistung. Und da sagt Lindner: Nein, wir sind bereit zu einem Abbau, wenn es eine Verhaltensänderung auf russischer Seite gibt. Denn Sanktionen sind ja genau dazu da, eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Und die ist leider nicht sichtbar. Es gibt keine Verhaltensänderung auf russischer Seite. (…)

Also gibt es für den Moment auch keine Chance auf einen Abbau der Sanktionen, die wir uns natürlich alle wünschen würden. Aber solange es die Position der Russen zum Minsk-Abkommen gibt, dass man eben die schweren Waffen von der Kontaktlinie nicht zurückzieht, solange man sich eben nicht an das hält, was man da unterschrieben hat, kann es auch keinen Abbau geben.“


Quelle: Phoenix: FDP-Bundesparteitag: Alexander Graf Lambsdorff im Interview mit Alfred Schier; 13.05.18

So argumentierte Graf Lambsdorff auch in der Debatte des Parteitages, in der er den Antrag des Bundesvorstandes vorstellte (Video: rund 15 Minuten). Die Haltung aller Europäer sei es gewesen, mit den Sanktionen das Recht zu verteidigen und Druck für Verhandlungen zu machen. Er rief die Delegierten auf (Minute 8):

„Wir als Liberale sollten uns nicht aus diesem Konsens aller Europäer verabschieden, indem wir jetzt in Richtung „Duckmäuserei“ gehen und einfach die Sanktionen ohne jede Gegenleistung abräumen.“

Die FDP will aber auch „neue Wege des Dialogs“

Gleichzeitig warb Lambsdorff in seiner Rede für neue Dialogangebote an Russland (ab Minute 11):

„Ja, laden wir Russland in die G7+1 ein, in die G8,
ja, machen wir wieder EU-Russland-Gipfel,
ja, berufen wir den Nato-Russland-Rat regelmäßig ein, (…)
ja, engagieren wir uns im Petersburger Dialog, (…)
ja, gehen wir zum Deutsch-Russischen Forum, auch wenn das manche kritisch sehen.“

In der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ teilte er in einem Interview am Abend mit, rund 95 Prozent der Delegierten hätten dem Antrag des FDP-Bundesvorstandes zugestimmt (ab Minute 9).

Nachdem Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt, in der Sendung eine „andere Herangehensweise“ in der Sanktionspolitik gefordert und gemeint hatte, alle Seiten bräuchten die Bereitschaft aufeinander zuzugehen (ab Minute 4:30), sprach sich Graf Lambsdorff auch im „Bericht aus Berlin“ gegen eine Lockerung der Sanktionen ohne jede Gegenleistung aus (ab Minute 9). Eine Lockerung ohne die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Minsker Abkommen – so wie das Ministerpräsident Haseloff vorschlage – sei der falsche Weg. Das mache nur die „Hardliner“ im Kreml stark.

„Wir wollen eben ein Entgegenkommen Russlands, dann wird es auch eine Lockerung geben. Und gleichzeitig sagt die FDP, wir brauchen neue Wege des Dialogs. (…) Russland sollte eingeladen werden in die G7+1 Formate.“

Kubicki zur Russland-Kontroverse: „Den Machtkampf gibt es nicht“

In einem Gespräch mit Andreas Herholz (Schwäbische Zeitung) kommentierte Wolfgang Kubicki die kontroverse Diskussion auf dem Parteitag:

„Frage: Ist die Fortsetzung der Strafmaßnahmen gegen Russland eine schmerzliche Niederlage für Sie?

Kubicki: Nein, es war gut, dass wir so offen und intensiv über das Thema diskutiert und diese Debatte geführt haben. Vielen war gar nicht bewusst, dass auch im Antrag des Bundesvorstandes eine Lockerung des Sanktionsregimes vorgesehen ist.“ (…)

„Frage: Im Vorfeld war von einer Machtprobe zwischen Ihnen und FDP-Chef Lindner die Rede.

Kubicki: Christian Lindner und ich haben wirklich ein entspannt freundschaftliches Verhältnis. Das heißt nicht, dass wir immer einer Meinung sind. Wir kämpfen gemeinsam dafür, dass sich die FDP dauerhaft im zweistelligen Bereich, zehn Prozent plus, auf Bundes- und Landesebene etabliert. Den Machtkampf gibt es nicht.“

Quellen und Lesetipps zur Russlandpolitik der FDP:

Titelbild
Quelle: fdp.de [/su_spoiler]