Russland stellt Privatisierung aufs Abstellgleis

Russland stellt Privatisierung aufs Abstellgleis

Die Erholung der russischen Wirtschaft spielt den Privatisierungsgegnern in die Hände. Dies berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf mehrere Beamte.

Eigentlich hatte das russische Finanzministerium Anfang 2017 geplant, in diesem Jahr rund 138 Milliarden Rubel (ca. 2,39 Mrd. US-Dollar) durch Privatisierungen einzunehmen. Der Großteil sollte durch den Verkauf der staatlichen Reederei Sowkomflot und die Reduzierung staatlicher Anteile an Russlands zweitgrößter Bank VTB in den Staatshaushalt gespült werden.

Seitdem gab es viele Neuigkeiten: Der Ölpreis gestiegen. Am 31. Oktober 2017 kostet die Rohölsorte Brent 60,87 US-Dollar pro Barrel. Im März lag der Wert bei unter 50 US-Dollar. Außerdem hat das Finanzministerium auf dem heimischen Schuldenmarkt über Staatsanleihen rund 1,4 Billionen Rubel (ca. 24,2 Mrd. US-Dollar) eingenommen.

Russlands Weg aus der Rezession freut Privatisierungsgegner, die unter Wladimir Putin seit 17 Jahren an Einfluss gewinnen. Da die VTB-Bank von den westlichen Sanktionen betroffen ist, hat der Kreml beschlossen, den Verkauf bis zur möglichen Aufhebung der Strafmaßnahmen zu verschieben. Auch die Privatisierung von Sowkomflot wurde von Mitte 2017 auf eine unbestimmte Zeit verlegt.

„Die Übertragung von Eigentum darf kein Mittel zum Zweck sein. Das Ziel sollte ein angemessenes Wettbewerbsniveau sein“, so Russlands Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin gegenüber Reuters. „Es sind nahezu keine steuerlichen Gründe für eine Privatisierung übrig.“

Staatliche Unternehmen dominieren die Märkte

Seit 2001 sind es hauptsächlich die Privatisierungsgegner, die auf die Wirtschaftspolitik der Regierung einwirken. Staatliche oder teilstaatliche Unternehmen wie Rosneft und Gazprom dominieren die Öl- und Gasbranche. Dies gilt auch für andere Branchen wie die Luftfahrt, in der die Fluggesellschaft Aeroflot und der Flugzeughersteller United Aircraft Corporation (u. a. Suchoi) den heimischen Markt dominieren.

Im Zuge des Währungs- und Ölpreisverfalls sowie der westlichen Sanktionen wurde das Thema Privatisierung spätestens 2014 wieder auf die Agenda gesetzt, um die Löcher im Staatshaushalt zu stopfen. Doch mit dem Aufschwung der Wirtschaft verschwindet es wieder in der Versenkung.

US-Sanktionen gegen Russland

Tatsächlich ist derzeit kein guter Zeitpunkt für einen Verkauf von Staatsanteilen: Die neuen US-Sanktionen gegen Russland, die vor allem staatliche Unternehmen ins Visier nehmen, schüren Unsicherheit bei Investoren.

„Es gibt Unternehmen, die eine systemische Relevanz und einen bedeutenden Einfluss auf die Märkte haben. Als Folge des Verkaufs könnte der Staat die Kontrolle verlieren“, erklärte Finanzminister Anton Siluanow im Juli. „Sollten wir es [die Privatisierung – Anm. d. Red.] jetzt machen, wo es doch neue Sanktionen gegen Russland gibt und die Unternehmen deutlich unterbewertet sind?“

Otkritie und B&N Bank

Außerdem gibt es in Russland derzeit zwei brisante Fälle, die gefundenes Fressen für die Gegner der Privatisierung sind. Der erste Fall ist die private Großbank Otkritie, die vor dem Kollaps steht und von der Zentralbank gerettet werden muss. Der zweite Fall ist die private B&N Bank, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist und Unterstützung durch den Fonds zur Konsolidierung des Banksektors erhält.

„Das Beispiel der Sberbank im Vergleich zu den privaten Banken zeigt generell, dass der Eigentümer nicht so wichtig ist wie das Risikomanagement“, erklärte der russische Vize-Finanzminister Wladimir Kolytschew im Gespräch mit Reuters.

Titelbild
Fotoquelle: Naming ceremony for Christophe de Margerie tanker, kremlin.ru (CC BY 4.0)[/su_spoiler]