Russland: Erdöl- und Erdgasförderung 2020 stark gesunken

Bruttoinlandsprodukt aber nur 3,1 Prozent niedriger

Russlands Förderung von Erdöl ist im letzten Jahr um rund 9 Prozent gesunken. Der Rückgang der Erdgasförderung war kaum schwächer (- 7 Prozent). Das berichtete in der letzten Woche BOFIT, das Forschungsinstitut der finnischen Zentralbank. In zwei Beiträgen der „BOFIT Weekly“ wird deutlich, wie sich der Produktionsrückgang in der Corona-Pandemie und der Einbruch der Ölpreise auf die Förderung und die Ausfuhr der russischen Öl- und Gaswirtschaft ausgewirkt haben.

Die russische Zentralbank hatte bereits im Januar erste Schätzungen zur Entwicklung der Erlöse bei der Energieausfuhr im Jahr 2020 vorgelegt. Eine Analyse der Abteilung für Konjunkturforschung der Moskauer „Higher School of Economics“ macht deutlich, dass der Rückgang der Produktion von Öl und Gas im letzten Jahr überdurchschnittlich stark dazu beitrug, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion um 3,1 Prozent sank.

Die Rohölförderung wurde 2020 um rund 9 Prozent eingeschränkt

Russlands Rohölförderung (einschließlich Gaskondensat) sank 2020 um rund 9 Prozent auf rund 512 Millionen Tonnen (10,3 Millionen Barrel/Tag). 2019 war sie noch auf einen neuen Höchststand seit dem Ende der Sowjetunion gestiegen. Der Rückgang im letzten Jahr ließ die Ölförderung fast wieder auf den Stand des Jahres 2010 zurückgehen.

BOFIT; Bank of Finland:. Russian oil production and exports contracted sharply last year; BOFIT Weekly, 05.03.2021

Im Frühjahr 2020 hatte Russland mit den anderen OPEC+ Staaten eine Begrenzung der Ölförderung vereinbart, weil der weltweite Produktionsrückgang in der Corona-Pandemie die Nachfrage nach Öl stark drückte und zu einem Einbruch der Ölpreise führte. Die Vereinbarungen der OPEC+ zur Begrenzung der Ölförderung reichen noch bis ins Frühjahr 2022.

Die OPEC erwartet in ihrem Marktbericht für Februar, dass die russische Ölförderung in diesem Jahr um weitere 2 Prozent sinken wird. Russlands Wirtschaftsministerium geht aber davon aus, dass die Förderung danach schnell angehoben werden kann und bereits 2023 wieder den Rekordstand des Jahres 2019 erreicht.

Rohölausfuhr 2020 rund 11 Prozent niedriger als 2019

Knapp die Hälfte der russischen Rohölförderung wird direkt exportiert. Hinzu kommt die Ausfuhr von Mineralölprodukten. 2020 exportierte Russland nur noch rund 240 Millionen Tonnen Rohöl (rund 4,8 Millionen Barrel pro Tag). Das waren rund 11 Prozent weniger als 2019 (siehe auch Finmarket.ru).

Rund die Hälfte der russischen Ölausfuhren geht noch in die EU-Länder. Ihr Ausfuhranteil hat sich jedoch deutlich verringert. Chinas Anteil erhöhte sich schon im Jahr 2019 auf 28 Prozent.

Der Rohölexport brachte 2020 rund 41 Prozent weniger Dollar-Einnahmen

Die Erlöse Russlands bei der Ausfuhr von Rohöl sanken nach Schätzungen der russischen Zentralbank 2020 um rund 41 Prozent (siehe Ostexperte-Bericht). Hauptursache dafür war neben dem mengenmäßigen Rückgang der Rohölexporte der Einbruch der Preise auf den Weltölmärkten. Der russische Urals-Ölpreis war im Jahresdurchschnitt 2020 mit 41,7 Dollar/Barrel rund 35 Prozent niedriger als 2019 (64,3 Dollar/Barrel)

Das Analysezentrum der russischen Regierung veröffentlichte in seinem „Energie-Bulletin“ zur Ölpreisentwicklung folgende Abbildung. Sie zeigt, dass sich die Ölpreise inzwischen erholt haben und im Februar 2021 ihr Vorjahresniveau überschritten.

Preise der Rohölsorten WTI und Brent (Dollar/Barrel)

Analysezentrum der russischen Regierung: Energie-Bulletin Februar 2021; The global gas market may become more balanced; Chart auf Seite 7; 05.03.2021

Die Erdgasförderung sank 2020 um rund 7 Prozent

Auch Russlands Erdgasförderung wurde im letzten Jahr wegen der in der Corona-Krise deutlich sinkenden Nachfrage und drastisch niedrigerer Preise eingeschränkt. Sie sank um rund 7 Prozent auf rund 600 Milliarden Kubikmeter (blauer Säulenteil in der folgenden BOFIT-Abbildung). Die Produktion von „assoziiertem Gas“ (Erdölbegleitgas) stagnierte bei rund 96 Milliarden Kubikmetern (roter Säulenteil).

Russian natural gas production was down last year

BOFIT; Bank of Finland:. Production and exports of natural gas declined last year; BOFIT Weekly, 05.03.2021

Die Dollar-Erlöse beim Export von Erdgas sanken um rund 36 Prozent

Die Ausfuhr von Erdgas aus Russland per Pipeline sank 2020 um rund 20 Milliarden Kubikmeter auf rund 200 Milliarden Kubikmeter. Wegen der Nachfrageschwäche fielen gleichzeitig die Erdgaspreise in Europa deutlich. Der Wert der russischen Erdgasausfuhren per Pipeline verringerte sich 2020 um rund 40 Prozent gegenüber 2019.

Nach China flossen 2020 noch weniger als 5 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Ende 2019 war die Pipeline „Power of Siberia“ in Betrieb genommen worden. Geplant ist, die Lieferungen nach China auf bis zu 38 Milliarden Kubikmeter zu erhöhen.

Die Produktion von verflüssigtem Erdgas (LNG) stieg in Russland im letzten Jahr weiter an, aber nur geringfügig. Sie erreichte rund 30 Millionen Tonnen (rund 42 Milliarden Kubikmeter). Die Kapazitäten der beiden wichtigsten Produktionsregionen von LNG (Jamal-Halbinsel im Nordpolarmeer; Insel Sachalin im Pazifik) sind derzeit ausgelastet.

Fast die gesamte russische LNG-Produktion wird exportiert. 2020 stieg die LNG-Ausfuhr mengenmäßig um rund 4,5 Prozent. Weil aber auch die LNG-Preise stark sanken, war die LNG-Ausfuhr wertmäßig rund 15 Prozent niedriger als 2019.

Insgesamt sanken die Erlöse bei der Ausfuhr von Erdgas per Pipeline oder als LNG laut der Schätzung der Zentralbank 2020 um rund 36 Prozent (siehe Ostexperte-Bericht).

Wie stark bremste der Rückgang der Öl- und Gasförderung die gesamte Industrieproduktion und die gesamtwirtschaftliche Produktion?

Die Konjunkturforschungsabteilung der Moskauer „Higher School of Economics“ verglich in einer Studie unter anderem, wie sich die Produktion in wichtigen Wirtschaftsbereichen in Russland 2020 entwickelte.

Der Rückgang der Öl- und Gasförderung im letzten Jahr trug dazu bei, dass die Produktion im gesamten Bereich „Bergbau, Förderung von Rohstoffen“ 2020 um 6,9 Prozent niedriger war als 2019 (dritte Zeile in der folgenden Tabelle). Dieser Rückgang war gut doppelt so stark wie der Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Produktion um 3,1 Prozent (letzte Zeile).

Vor allem weil die Produktion des „Verarbeitenden Gewerbes“ nicht sank, sondern um 0,6 Prozent stieg, nahm die gesamte Industrieproduktion trotz der deutlich niedrigeren Rohstoff-Förderung nur um 2,6 Prozent ab (zweite Zeile).

Noch weit stärker als im Rohstoff-Bereich sank 2020 die Produktion im Bereich der privaten Dienstleistungen (- 17,1 Prozent). Deutliche Produktionsrückgänge gabe es auch im Transport-Bereich (- 4,9 Prozent) und im Einzelhandel (- 4,1 Prozent).

Annähernd stagniert hat im letzten Jahr die Produktion im Großhandel (- 0,1 Prozent) und in der Bauwirtschaft (+ 0,1 Prozent). Einen weiteren Produktionsanstieg erreichte die Landwirtschaft (+ 1,5 Prozent).

Entwicklung der Produktion wichtiger Branchen und der Gesamtwirtschaft; Veränderungen gegenüber Vorjahr in Prozent

Nikolay Kondrashov; Higher School of Economics: The year of the pandemic: Russia for the first time went through the crisis better than the world as a whole; Ausschnitt aus Tabelle Seite 6; 04.03.2021

Monatliche Entwicklung der Industrieproduktion zeigt Erholungstrend

Über die monatliche Entwicklung der Industrieproduktion einschließlich Januar 2021 berichtete das Analysezentrum der russischen Regierung in seinem jüngsten „Energie-Bulletin“.

Die folgende Abbildung zeigt, dass sich der Rückgang der Förderung von Rohstoffen im Januar 2021 im Vorjahresvergleich auf 7,1 Prozent abgeschwächt hat (rote Linie). Im Juni und Juli 2020 war der Rückgang noch rund doppelt so stark gewesen.

Die Abnahme der gesamten Industrieproduktion (hellblaue Linie) war im Verlauf des letzten Jahres längst nicht so stark wie der Einbruch im Rohstoff-Bereich. Stabilisiert wurde die Gesamtentwicklung der Industrie vor allem vom größten Bereich der Industrie, dem „Verarbeitenden Gewerbe“ (graue Linie). Im Dezember 2020 war die Industrieproduktion vorübergehend bereits wieder etwas höher als ein Jahr zuvor (+ 2,1 Prozent).

im Januar 2021 unterschritt die gesamte Industrieproduktion ihr Vorjahresniveau aber wieder um 2,5 Prozent, weil die Produktion des „Verarbeitenden Gewerbes“ etwas niedriger war als vor einem Jahr (- 1,0 Prozent) und der Bereich „Bergbau/Förderung von Rohstoffen“ sein Vorjahresniveau noch um 7,1 Prozent unterschritt.

Monatliche Entwicklung der Industrieproduktion bis Januar 2021
(Veränderungen gegenüber dem Vorjahresmonat in Prozent)

Analysezentrum der russischen Regierung: Energie-Bulletin Februar 2021; Chart auf Seite 5; 05.03.2021
Titelbild
Titelbild: VladSV / Shutterstock.com

Lesetipps und Quellen:

Ostexperte.de-Artikel zu Konjunktur und Wirtschaftspolitik in Russland von Klaus Dormann:

Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft: Virtueller Jahresauftakt am 25.02.2021

AHK Russland: Russlandkonferenz 2021 am 16.02.2021

Nord Stream 2

Politik in Russland; deutsch-russische Beziehungen; Sanktionen

Der Verbraucherpreisanstieg beschleunigte sich im Februar auf 5,7 Prozent

Einkaufsmanager-Indizes im Februar insgesamt leicht gestiegen; PMI für das Verarbeitende Gewerbe verbessert sich deutlich bei leichtem Rückgang des PMI im Dienstleistungsbereich

Wöchentliche Berichte zu Konjunktur und Wirtschaftspolitik in Russland

BOFIT (Bank of Finland): BOFIT Weekly (Russland und China im wöchentlichen Wechsel; donnerstags finnische; freitags englische Ausgabe); BOFIT Russia Statistics

Vnesheconombank Institute:World Economy and Markets Review“ mit Russland-Themen:

Marina Voitenko; politcom.ru: Wirtschaftspolitischer Wochenrückblick; jeweils donnerstags

Sberbank: Wochenbericht „Global Economic News“ mit folgenden Russland-Themen:

Dmitry A. Zaitsev; Rechnungshof:Economic Monitoring

Sonstige periodische Berichte zu Konjunktur und Wirtschaftspolitik

Weitere Berichte zu Konjunktur und Wirtschaftspolitik in Russland

Präsentationen der Zentralbank für Investoren und„Monetary Policy Report“ vom 20.02

Russlands Außenhandel und Zahlungsbilanz

Deutsch-russischer Handel 2020; Ost-Ausschuss-Statistik