Polen und die Deutschen: „Feinde Fremde Freunde“

Es knirscht zwischen Deutschland und Polen. Dabei müsste man seit Russlands Krieg gegen die Ukraine wieder besser zusammenarbeiten. Woran das liegt, was dagegen zu tun ist und wie aus Fremden Freunde werden sollen – darüber hat Ex-Botschafter Rolf Nikel ein Buch geschrieben.

Als erstes erklärt der Autor: der Titel sei chronologisch zu verstehen. Zusammen mit dem Verlag habe er lange überlegt, welche Konstellation die drei Begriffe haben sollen. Und das ist das Ergebnis. Ohne Punkt und Komma, dafür aber untereinander, soll „Feinde Fremde Freunde“ den Wandel der deutsch-polnischen Beziehungen verdeutlichen. Und Anregungen geben zum Umgang mit dem östlichen Nachbarn. Der Autor ist Rolf Nikel, war von 2014 bis 2020 deutscher Botschafter in Warschau und ist Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Am Dienstag präsentierte er das Buch in Berlin.

Lange war man verfeindet, jetzt seien sich Deutsche und Polen noch fremd – aber seien trotzdem befreundet. Sie stünden jetzt „zum ersten Mal in der Geschichte auf der gleichen Seite“, sagte Nikel bei der Buch-Präsentation im berliner Steigenberger Hotel. Gemeinsam müsse man auf westlicher Seite gegen den Aggressor Russland zusammenstehen. Trotzdem sei das Verhältnis heute nicht nur freundschaftlich – man sei sich nach wie vor fremd. Ein Hauptgrund dafür ist die gemeinsame Geschichte. Lange war Deutschland eine tödliche Gefahr für Polen. Das Land trage noch immer viele Narben aus dem zweiten Weltkrieg, die für eine Instrumentalisierung genützt würden.

Vor etwas mehr als einem Jahr hatte Polens Vizeregierungschef Jarosław Kaczyński viel Kritik geerntet, als er Deutschland vorwarf, die EU in ein „Viertes Deutsches Reich“ zu verwandeln.

Nikel schreibt über die aus deutscher Sicht kritischen innenpolitischen Entwicklung in Polen: da gibt es den Verfassungsrechtsstreit mit der EU, und die rechts-konservativ geführte Migrationsdebatte seit 2015. Als größten Konfliktpunkt beschreibt er das „systematische Scheitern“ der Energie- und Sicherheitspolitik zwischen Deutschland und Russland, und ohne Beteiligung Polens und der Ukraine. Die Annahme, dass Sicherheit nur mit und nicht gegen Russland möglich sei, sei ein fataler Fehler gewesen. Im Buch wird ein gravierender Vertrauensverlust gezeichnet, der daraus auf polnischer Seite entstanden sei. Schließlich enthält das Buch auch eine mea culpa Nikels. Der Diplomat erklärt, dass auch er einen Anteil an der falschen deutschen Russlandpolitik gehabt habe.

Im Buch knöpft er sich dann aber auch die polnische Politik vor. Polen mache es Deutschland nicht einfach: der Wunsch, die deutsche Führungsrolle einzuschränken, und sogar eine Selbstbeschränkung Deutschlands zu fordern. Sobald Deutschland sich auf Russland zubewegt, schlage man darauf politisches Kapital in Polen. Für die bilateralen Beziehungen sei das abträglich.

In seinem Buch ruft er deshalb dazu auf, das verlorene Vertrauen wiederherzustellen. Dazu präsentiert der Diplomat eine Reihe von Forderungen. Das Allerwichtigste sei neues Vertrauen und gegenseitiges Verständnis. „Die Deutschen müssen besser verstehen, was Polen bewegt“. Dazu gehört insbesondere die Erinnerung an die Kriegsverbrechen durch die deutsche Wehrmacht, meint der Ex-Botschafter. Und in Polen würden allzu oft „die Riesenfortschritte in der Aussöhnung seit 1989/1990 übersehen.“.

Konkret fordert der Diplomat eine Einhaltung des zwei Prozent-Ziels für die NATO. So viel sollten die Mitgliedstaaten von ihrem Bruttoinlandsprodukt mindestens für die gemeinsame Verteidigung ausgeben. Im Falle Deutschlands wären das 70 Milliarden Euro. Zudem müsse Deutschland an der NATO-Ostflanke endlich eine klare Führungsrolle einnehmen. Die Ukraine soll militärisch wie wirtschaftlich unterstützt werden. Außerdem gelte es, verstärkt im „Weimarer Dreieck“ zu arbeiten. Warum das Gesprächsformat zwischen Frankreich, Deutschland und Polen nicht um die Ukraine erweitern?

So sehr es derzeit knirscht zwischen Polen und Deutschland: Rolf Nikel ist überzeugt, dass aus Fremden Freunde werden können – oder werden müssen?

 

Über den Autor:

Rolf Nikel wurde 1954 in Frankfurt am Main geboren. Er arbeitete über 40 Jahre im diplomatischen Dienst, davon insgesamt 14 Jahre im Bundeskanzleramt. Von 2014 bis 2020 war Nikel deutscher Botschafter in Warschau und hat die deutsch-polnische Politik jahrelang aktiv mitgestaltet. Seit 2020 ist er Vizepräsident der DGAP sowie des Deutschen Polen-Instituts.

 

„Feinde Fremde Freunde“, ist im Langen Müller Verlag erschienen. ISBN: 9783784436661 .

 

 

Titelbild
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