Gemischtes Doppel #15: Das Ende der Zauberwesen
Heute ist Montag, der 21. November 2016, willkommen beim Gemischten Doppel. Diesmal Ian Bateson (UA): Wie das System Ukraine einen ausländischen Reformer nach dem anderen verschleißt.
Am Wochenende war ich mit ein paar ukrainischen Freunden im Kino. Wir schauten uns den neuen Harry-Potter-Spin-off “Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind” an. Für diejenigen, die den Film nicht kennen: Ein Zauberer kommt mit einem Koffer voller exotischer Zauberwesen nach New York. Die entwischen ihm und laufen Amok. Nach dem Film sаßen wir in einem gemütlichen Cafe im Kiewer Stadtteil Podil, und unser Gespräch kam unweigerlich auf das Thema der Woche: das Scheitern der ausländischen Reformer in der Ukraine.
Euromaidan und die exotischen Reformer
Seit dem Maidan hatten exotische Reformer Freilauf im Land. Es gab eine amerikanische Radiologin als Gesundheitsministerin, einen litauischen Anlagebänker als Wirtschaftsminister. Und am schlimmsten: einen ehemaligen georgischen Präsidenten als Gouverneur von Odessa.
Diese Ära der ausländischen Reformer kommt nun zu ihrem Ende: In der letzten Woche trat Khatia Dekanoidze, die aus Georgien stammende Polizeichefin zurück. Dekanoidze ist eine alte Verbündete Micheil Saakaschwilis – eben jenes georgischen Ex-Präsidenten – und ihr Rücktritt kam nur wenige Tage nach seinem. Von den “exotischen Reformern” ist nun kaum noch jemand übrig.
In der kommenden Woche wird es wieder viel pathetisches Gedenken geben an jenes Ereignis, das vor drei Jahren begann und das Land veränderte: der Maidan. Ich fragte deswegen meine Freunde: Was bedeutet das Ende der ausländischen Reformer? Siegt die Konterrevolution? Haben die Regierenden die “Revolution der Würde” verraten?
Alles nur ein PR-Gag?
Dima, der für eine PR-Agentur arbeitet, glaubt, von Anfang an sei das nur ein PR-Gag gewesen, um die Nach-Maidan-Regierung schillern zu lassen – man hätte schließlich auch weniger bekannte ukrainische Reformer nehmen können. Jura, der als Graphiker arbeitet, pflichtet ihm bei: Präsident Poroschenko wollte sich so radikaler darstellen als er eigentlich war. Beide waren zu Anfang geblendet, auch vom Reformer Saakaschwili, der ein Meister der großen Rede ist. Inzwischen haben sie gesehen, wie wenig er in Odessa geschafft hat, und haben seine Tiraden satt.
Eine große Portion PR hatten die Ernennungen der “phantastischen Wesen” zweifellos inne. Poroschenko nutzte sie grandios zu seinen Zwecken. Sein Instagram war voll mit Fotos dieser neuen ukrainischen Staatsbürger, und in tausenden von Artikeln ergossen sich ukrainische und internationale Journalisten darüber, was diese Ausländer für das Land tun könnten.
Ukrainer haben Politiker und ihre magischen Tiere satt
Nach den Enttäuschungen der orangefarbenen Revolution von 2004 war die Hoffnung groß, dass diese Ausländer Reformen durchsetzen würden, ohne Teil des System zu werden. Die traurige Wahrheit: Diese Ausländer wurden nicht nur kein Teil des Systems. Das System hat sie ausgespien.
Saakaschwili bleibt zwar erstmal im Land und tut das, was er am besten kann: auf die Machthaber schimpfen. Nach seinem Rücktritt zog er nach Kiew und macht jetzt Wahlkampf – in der Hoffnung auf vorzeitige Wahlen. In der New York Times gab er Poroschenko die Schuld für seine Misserfolge in Odessa. Bei einer Pressekonferenz zeigte er stolz ein Video, das ihn 2012 bei einem Treffen mit Donald Trump im georgischen Batumi zeigt. Der geplante Trump Tower zu Batumi wurde zwar nie gebaut, aber der Georgier verwendete das Video als Beweis dafür, dass ER mit Trump gut klarkommen werde.
Knapp drei Jahre nach dem Beginn der Reformen haben die Ukrainer allerdings eines wirklich satt: Politiker, die ihnen mit Koffern voller magischer Tiere daherkommen und versuchen, ihre Probleme mit ein Paar Zauberworten zu lösen. Wer sich verzaubern lassen will, geht ins Kino.