„Deutsche Firmen sind eingeladen, in Kasachstan zu investieren“

Interview mit Kasachstans Vize-Landwirtschaftsminister Jerbol Tasschurekow auf der weltweit größten Agrarmesse – die „Grüne Woche“ in Berlin.

von Christian Grosse

Die internationale Agrarmesse „Grüne Woche“, die vom 19. Bis zum 28. Januar in Berlin stattfand, zog auch in diesem Jahr auch wieder Aussteller und Besucher aus Osteuropa und Zentralasien an. Unter ihnen: eine Delegation mit Kasachstans Vize-Landwirtshaftsminister Jerbol Tasschurekow, mit dem sich der Autor auf ein Interview traf.

 Christian Grosse: Sehr geehrter Herr Vizeminister. Als erstes möchte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie Zeit gefunden haben, dieses Interview durchzuführen. Sie sind zum ersten Mal in Berlin auf der Internationalen Grünen Woche (IGW). Was sind Ihre ersten Eindrücke?

Jerbol Tasschurekow: Ich bin zum ersten Mal auf der Internationalen Grünen Woche (IGW) als auch auf dem Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) in Berlin. Ich bin beeindruckt über die große Teilnehmeranzahl und Allgemein über die Organisation

Wie ist Kasachstan auf der Grünen Woche vertreten?

Kasachstan nimmt jedes Jahr aktiv an dieser Ausstellung teil. Im Jahr 2018 eröffnete Kasachstan seinen Pavillon unter den 65 Ländern.

Die Beteiligung kasachischer Unternehmen nimmt von Jahr zu Jahr zu. Wenn es im Jahr 2018 die Produkte von 10 Unternehmen präsentiert wurden, so sind dieses Jahr von mehr als 20.

Veranstaltungen wie die Grüne Woche geben neue Impulse für die Entwicklung der bilateralen Zusammenarbeit und den Aufbau von Handelspotenzialen. Die Zusammenarbeit in dieser Richtung wird sich jedes Jahr weiterentwickeln und die Zahl unserer Teilnehmer, einschließlich Geschäftsprojekten, wird zunehmen. Wir kamen mit einer großen Delegation zu diesem Forum, darunter Vertreter mehrerer Ministerien und Regionen unseres Landes.

Welche Aufgaben hat der agrarpolitische Dialog und was bedeutet dieser für Kasachstan?

Wir arbeiten seit 15 Jahren aktiv im Rahmen des deutsch-kasachischen agrarpolitischen Dialogs zusammen. Dies ist ein einzigartiges Projekt, das viel zur Entwicklung der bilateralen Zusammenarbeit im Agrarsektor beiträgt. Gestern haben wir am Rande des Forums ein Treffen mit Vertretern der APD und sozusagen „Synchronuhren“ abgehalten, neue Schwerpunkte für die bilaterale Arbeit im Rahmen des agrarpolitischen Dialogs festgelegt.

Es ist unumstritten, dass Deutschland unser wichtiger strategischer Partner im Bereich der Landwirtschaft ist. Wir wollen diese auch vertiefen.

In Kasachstan sind die deutschen Unternehmen sehr aktiv. Claas und Horsh, um nur einige deutsche Firmen zu nennen. Aktuell findet die Prüfung eines Projektes zur Fleischverarbeitung in Höhe von 30 Mio. USD statt.

Was sind die Ziele der kasachischen Regierung im Bereich der Agrarwirtschaft?

Die Regierung von Kasachstan hat sich als Ziel gesetzt, die nachhaltige Entwicklung im Agrarbereich als einen der wichtigsten Hauptsektoren der Wirtschaft zu etablieren.

Die Prioritäten in der Landwirtschaft sind klar definiert. Das Ziel ist die Modernisierung der Landwirtschaft und diese mit der Digitalisierung in Einklang zu bringen, damit sich Kasachstan selbst mit Lebensmitteln versorgen kann.

Ich möchte ihnen folgende Angaben zum Selbstversorgungsgrad machen. Von 29 Produktionsarten werden davon 19 am ehesten gebraucht. Wiederum sechs davon (von 29) haben einen Versorgungsgrad von 80 Prozent. Anhand dieser Zahlen können Sie sehr gut erkennen, dass noch sehr viel Handlungsbedarf besteht.

Um welche Produkte handelt es sich dabei?

Derzeit werden jährlich 550 Tausend Tonnen Milch eingeführt. Und auch Molkereiprodukte: Käse und Hüttenkäse.

Wir haben uns die Aufgabe gestellt, die Ernährungssicherheit in Bezug auf Milch zu lösen. Wir importieren 550 Tausend Tonnen Milch. Um unseren eigenen Bedarf vollständig zu decken und auf Importe zu verzichten, müssen wir 115 Milchviehbetriebe aufbauen. In diesem Jahr haben wir in elf Regionen Kasachstans mit dem Bau von 65 Milchviehbetrieben begonnen, für die der Staat 200 Millionen Euro bereitgestellt hat, mit einer jährlichen Verzinsung von 2,5 Prozent für Unternehmen, im Gegensatz zu 20 Prozent, die von privaten Banken gewährt werden. Dies ist ein enormer finanzieller Vorteil für die Investoren. Die Kredite werden für einen Zeitraum von zehn Jahren gewährt. Der Bau von entsprechenden Fabriken oder landwirtschaftlichen Betrieben innerhalb von zwei Jahren wird nicht angerechnet. Für dieses Jahr ist der Bau von 50 Milchviehbetrieben geplant.

Die Gelder der Investitionen kommen aus dem Staatsfonds. Insgesamt sollen 115 Milchfarmen entwickelt werden. Da in jeder Milchfarm mindestens 400 Tiere gehalten werden sollen, kann man sich vorstellen, dass hohe Investitions- summen in die Ausstattung und in das Equipment investiert werden muss.

Dies sind enorme Zahlen. Welche anderen Produkte werden benötigt?

Weitere Produkte sind Geflügel, Zucker, Äpfel. Das Ziel ist auch hier die Importquote massiv zu reduzieren, um den Selbstversorgungsgrad Kasachstans zu erhöhen. Um somit auch unabhängiger von den Märkten zu werden.

Die Viehzucht und große Nutztiere sind für Kasachstan von Interesse. Denn dadurch könnte die Fleischproduktion um ein Vielfaches erhöht werden. Wir wollen in den nächsten zwei Jahren 50.000 Rinder ins Land holen. Das gleiche Programm zur Sicherstellung der Selbstversorgung bzw. zur Erhöhung des Selbstversorgungsgrades betrifft auch den Bereich der Geflügelindustrie. Hier sind Investitionen von 200 Millionen Euro geplant.

Wenn man diese Zahlen hört, denkt man sofort an die Logistik, die damit verbunden ist. Ist diese in Kasachstan vorhanden? Gibt es genug ausgebildete und qualifizierte Fachkräfte?

Wir haben sehr gut ausgebildete Fachkräfte und Fachpersonal. Aber es sind zu wenig. Vor allen Dingen fehlt es an Spezialisten für große Projekte, die diese managen können.

Wir investieren viel in die Infrastruktur und bauen sie stark aus. Dies sind enorme Herausforderungen, die wir auch gemeinsam mit deutschen Unternehmen umsetzen möchten. Deutsche Unternehmen sind nach Kasachstan eingeladen, um dort zu investieren. Gerade daher sind wir auch hier in Berlin auf der IGW um die neuesten Trends und Technologien kennenzulernen.

Beim Thema Technologie denke ich sofort an die Wasserwirtschaft, die aktuell und auch zukünftig für Zentralasien eine immer größere Herausforderung darstellt. Welche Projekte sind im Zusammenhang mit der Agrarwirtschaft geplant?

Wassertechnologie spielt für uns eine enorm wichtige Rolle. Damit verbunden ist das Thema „Smart-Wasser- Technologie“ von enormer Bedeutung. Hauptsächlich mit dem Ziel wassersparende Technologien in der Agrarwirtschaft einzusetzen, um den Wasserverbrauch so gering wie möglich zu halten.

Wir sehen die aktuellen globalen Auswirkungen des Klimawandels, gerade auch bei uns in Kasachstan und in Zentralasien insgesamt. Daher ist es bedeutend, Kooperationen mit den umgebenden Nachbarländern zu starten und entsprechende Wasserprojekte voranzubringen. Beispielsweise im letzten Jahr gab es eine Kooperation hinsichtlich der Regulierung der Wasserwirtschaft mit der Republik Kirgistan.

Die Zusammenarbeit in Zentralasien betrifft in erster Linie die beiden großen Flüsse Sirdarja und den Amudarja. Die Zusammenarbeit in diesem Bereich muss abgestimmt werden. Und, wenn man an diese beiden Flüsse denkt, kommt man automatisch zum Thema Aralsee. Dieser hat nur noch einen Restwasserstand von 10% der ursprünglichen Größe. Das große Ziel der Republik Kasachstans ist es, das Wasserniveau des einst viertgrößten Sees der Welt zu halten. Die Auswirkungen dieser ökologischen Katastrophe hat eben auch einen großen Einfluss auf die Agrarwirtschaft in der gesamten Region.

Ein Thema fehlt in diesem Zusammenhang. Wie ist die aktuelle Situation der Getreideagrarwirtschaft?

Der Schwerpunkt des Getreideanbaus in Kasachstan liegt in der Region Qostanai und Nordkasachstan. Dort haben wir bisher einen großen Monokulturanbau durchgeführt. Dies wollen wir verändern. Das zukünftige Ziel ist es vom Monokulturanbau wegzukommen und Mischkulturen anzulegen. Dies hat den Vorteil, dass die Böden nicht eruieren und mit mehr Nährstoffen angereichert werden. Gleichzeitig wollen wir dies mit wassersparenden Technologien kombinieren.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel was sparsame Wasserversorgung ausmacht. Von 22 Millionen Hektar Landfläche werden 1,5 Millionen Hektar genutzt, und davon werden 300.000 Hektar mit wassersparenden Technologien bewässert. Diese Zahl hört sich gering an. Doch wenn man bedenkt, dass Getreide einen hohen Wasserverbrauch hat, sind die Techniken der Tröpfchen – und Regenbewässerung perfekt dazu geeignet, um die Erträge zu steigern. Die Regierung nutzt sämtliche Möglichkeiten um wassersparende Technologien einzusetzen.

Ganz oben auf der Wunschliste steht die Kooperation mit der deutschen Industrie und mit den deutschen Ingenieuren in Fragen der technischen industriellen Modernisierung der Landwirtschaft. Wir wollen, das deutsche Unternehmen Ihre hochtechnologisierten Wasserprodukte vorstellen. Auch hinsichtlich der Kooperationen mit Universitäten sind wir sehr daran interessiert Projekte in die Wege zu leiten.

Ist der deutsche Markt aus kasachischer Sicht interessant?

Der deutsche Markt ist für uns sogar sehr interessant. Vor allen Dingen hinsichtlich der Thematik „ökologische Lebensmittel“. Deutschland ist in Europa einer der größten Märkte. So, dass wir großes Potential sehen. Denn in Kasachstan versuchen wir so wenig wie möglich Düngemittel einzusetzen, um so die Böden zu schützen. Auch ist der Einsatz von Chemie und Pestiziden auf ein Minimum reduziert. So, dass man unsere Produkte als Bioprodukte bezeichnen kann.

Autor Christian Grosse (rechts) im Gespräch mit Landwirtschaftsminister Jerbol Tasschurekow (rechts).

Welche Herausforderungen in der Agrarwirtschaft sind, aus Ihrer Sicht, noch zu bewältigen?

Große Anforderungen bestehen auf der gesetzgebenden Ebene. Wir sind dabei, den Anforderungen der unterschiedlichen Märkte anzupassen, um gemeinsame Standards zu erreichen. Dies ist in der Tat eine große Herausforderung und bedarf sehr enger Kooperationen zwischen den Experten der unterschiedlichen Länder und Regionen. Auch, was das Thema Zertifizierung betrifft liegt noch viel Arbeit vor uns.

Weitere Herausforderungen bestehen darin, Investoren nach Kasachstan zu bringen. Hier hat die Regierung interessante Fördermaßnahmen aufgelegt. Neben den schon erwähnten Zinsnachlässen von 20% auf 2,5% haben Investoren die Möglichkeit bis zu 80% der Investitionen wieder zurückerstattet zu bekommen. Die staatliche Unterstützung wird weiterhin ausgebaut.

Um ihnen abschließend aufzuzeigen, welches Potential im Bereich der Agrarwirtschaft steckt, nenne ich Ihnen folgende Zahlen. In den letzten 5 Jahren wurden 5 Milliarden Euro in Projekte der Landwirtschaft investiert. Allein eine Milliarde Euro davon in 2023.

Der agrarindustrielle Komplex von Kasachstan hat hohes Potential. Aktuell wird dieser nur zu einem Fünftel genutzt.

Großes Interesse an Produkten aus Kasachstan besteht in China, Iran, Afghanistan und einige Länder Europas. Derzeit werden auf hoher Ebene Gespräche zwischen Kasachstan und China geführt, um kontinuierlichen Lieferungen aus der Fleischindustrie zu verhandeln.

Abschließend möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass deutsche Geschäftsleute herzlich eingeladen sind, in die verarbeitende Industrie zu investieren. Hier ist die Möglichkeit zum Erwerb von Grundstücken in Kasachstan gegeben, so lange das Grundstück entsprechend landwirtschaftlich genutzt wird. Denn generell kann in Kasachstan kein Grund und Boden von ausländischen Investoren erworben werden. Wir sind vor allen Dingen sehr daran interessiert die direkten Kontakte zwischen deutschen Unternehmen und kasachischen Unternehmen zu fördern und zu intensivieren.

Die Fragen stellte Christian Grosse.

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