Petersburger Dialog: Was Pofalla vorab sagte

Was Ko-Vorsitzender Ronald Pofalla vorab sagte

Heute und morgen beraten 300 deutsche und russische Vertreter beim „Petersburger Dialog“. Während die Auftaktveranstaltung läuft, werfen wir einen genaueren Blick auf die Geschehnisse im Vorfeld der Konferenz. Wir haben aus Interviews des Ko-Vorsitzenden Ronald Pofalla einige Zitate zusammengestellt und geben in den Lesetipps am Ende Hinweise auf Stellungnahmen weiterer prominenter Mitglieder des Petersburger Dialogs und weiterer Russland-Experten zu den deutsch-russischen Beziehungen.

Bei der Jahreskonferenz des „Petersburger Dialogs“, der wichtigsten Organisation zur zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit von Russland und Deutschland, werden am Donnerstag in Bonn auch die Außenminister Sergej Lawrow und Heiko Maas erwartet.

Ronald Pofalla über Russland

Ronald Pofalla, früherer CDU-Generalsekretär (2005-2009), Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes (2009-2013) und seit August 2015 Vorstandsmitglied Deutsche Bahn AG, ist seit 2015 deutscher Ko-Vorsitzender des Petersburger Dialogs.

In mehreren Interviews nahm er vor dem Petersburger Dialog insbesondere zu folgenden Fragen Stellung

  • Welche Bedeutung hat die Teilnahme der Außenminister am Dialog?
  • Welche Diskussionsthemen sind vorgesehen?
  • Wie sind die Forderungen der Wirtschaft und ostdeutscher Ministerpräsidenten nach Aufhebung von Sanktionen zu beurteilen?
  • Unter welchen Bedingungen können Gespräche über die Aufhebung von Sanktionen aufgenommen werden?

Wir haben Antworten von ihm aus folgenden Interviews ausgewählt:

Pofalla: Teilnahme der Außenminister am Dialog ist ein „großer Fortschritt“

General-Anzeiger Frage: „Warum haben sich Präsident Wladimir Putin und Kanzlerin Angela Merkel gegen eine Teilnahme an dem deutsch-russischen Forum am Donnerstag entschieden?

Ronald Pofalla:

„Ich bin sehr dankbar, dass die beiden Außenminister Sergej Lawrow und Heiko Maas nach Bonn kommen. Das ist ein großer Schritt, nachdem der Petersburger Dialog seit der Krim-Annexion als Teil der Regierungskonsultationen ausgeschieden war. Jetzt gibt es ein klares Bekenntnis der beiden Außenminister zum zivilgesellschaftlichen Dialog. Das ist ein großer Fortschritt.“

Pofalla nennt als Themen beim diesjährigen Dialog die Visafreiheit für Schüler und Studenten sowie die „Ökologische Modernisierung“

Pofalla im General-Anzeiger:

„Am Anfang werden die beiden Außenminister sprechen, danach geht es in zehn Arbeitsgruppen weiter. (…)

Dann wollen wir uns dafür einsetzen, dass für Schüler und Studenten unter 25 Jahren die Visafreiheit eingeführt wird. In der russischen Fläche müssen junge Leute manchmal tausend Kilometer zum nächsten deutschen Konsulat reisen und für russische Verhältnisse viel Geld bezahlen, um die Anträge stellen zu können. Wir wollen den Jugendaustausch intensivieren.“

„Es werden drei der Vorsitzenden der ehemaligen Kohlekommission – Matthias Platzeck, Stanislaw Tillich und ich – über die ökologische Modernisierung berichten und dafür werben, dass sich Russland an unserem beabsichtigten Kohleausstieg bis spätestens 2038 ein Beispiel nimmt.“

Die Welt“ berichtet dazu, dass Platzeck, Tillich und Pofalla vor den erstmals gemeinsam tagenden Arbeitsgruppen „Wirtschaft“ und „Ökologische Modernisierung“ zum Kohle-Ausstieg in Deutschland referieren werden. (Lesetipps dazu: Daniel Wetzel: Deutsches Kohle-Trio will Russland bekehrenJoachim Jahnke: Klima-Notstand: Was würde eine grüne Regierung ändern? Der ehemalige Ministerialdirigent und Stellvertretende Leiter der Außenwirtschaftsabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums, zuletzt Vorstandsmitglied der EBRD in London, informiert in diesem Rundbrief seines Infoportals „Deutschland & Globalisierung“ unter anderem auch über den Beitrag Russlands und Deutschlands zu den weltweiten CO2-Emissionen.)

Pofalla unterstützte im DLF-Interview im Zusammenhang mit dem Thema „Ökologische Modernisierung“ den Bau von Nord Stream 2:

Pofalla im DLF: „… jetzt wird es übrigens beim Petersburger Dialog eine interessante Sitzung geben der Arbeitsgruppe Ökologische Modernisierung und der Arbeitsgruppe Wirtschaft, und alle Vorsitzenden der Kohlekommission werden in dieser gemeinsamen Arbeitsgruppensitzung mit den Russen unsere Überlegungen noch mal darstellen, warum wir unter Klimagesichtspunkten der Auffassung sind, wir müssen in dem genannten Zeitraum aus der Kohleverstromung aussteigen und sozusagen dann eine kohlefreie Energiewirtschaft in Deutschland haben. Wir werden sehr dafür werben, dass in Russland Vergleichbares passiert. (…)

… Das ist einer der Gründe, warum ich zum Beispiel für Nord Stream 2 bin, weil ja darüber auch politisch diskutiert wird. (…)

…Nord Stream 2 ist, wenn wir den Kohleausstieg bis 2038 machen, zwingend erforderlich, weil wir dann ja andere Energieträger brauchen, die den Grundlastbereich sichern. Dafür kommt dann nur Gas infrage, dann werden wir auf absehbare Zeit andere Gasmengen brauchen und benötigen, und die können wir am Ende ökologisch vertretbar und wirtschaftlich vertretbar nur im Zusammenhang mit Nord Stream 2 in der deutschen Gesellschaft garantieren.“

Was Pofalla im DLF zu Forderungen der Wirtschaft und von ostdeutschen Ministerpräsidenten zur Aufhebung oder Lockerung von Sanktionen sagte:

Pofalla im DLF:

„Davon (dass in der Arbeitsgruppe Wirtschaft des Petersburger Dialogs eine Aufhebung der Sanktionen gefordert werden wird) bin ich überhaupt nicht überzeugt, weil ich ja mit der Wirtschaft immer wieder rede.

Natürlich gibt es solche Stimmen. Ich erspare Ihnen jetzt, das gesamte Bundeskabinett und den Rest der Ministerpräsidenten in Deutschland aufzuzählen, die genau die umgekehrte Auffassung vertreten (…)

Die überwiegende Mehrheit vertritt schon die Richtigkeit der Sanktionen. Es gibt eine beachtliche Minderheit, die das anders sieht, und darüber zu diskutieren ist ja auch völlig richtig (…).

Ich habe mit Ministerpräsident Woidke, ich habe mit Ministerpräsident Kretschmer darüber bereits verschiedentlich geredet. Ich habe Verständnis für deren Position, teile sie aber nicht. Mein Eindruck ist, dass die andere Position in den neuen Bundesländern auch daher rührt, weil in der ehemaligen DDR ein anderes Verhältnis damals zur Sowjetunion, heute zu Russland, auch emotional entstanden ist (…).“

Ostdeutschland als Verlierer der Sanktionen

Dazu teilte der Ost-Ausschuss Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft (OAOEV) am Mittwoch mit, dass das Handelsvolumen der ostdeutschen Bundesländer (ohne Berlin) mit Russland von 2013 bis 2018 um 28,7 gesunken ist. In Westdeutschland schrumpfte der Warenaustausch mit Russland dagegen nur um 17 Prozent.

Laut OAOEV zählt vor allem Sachsen zu den großen Verlierern der Russland-Sanktionen. Dort sank das Handelsvolumen um 72,5 Prozent. Auch in Sachsen-Anhalt (minus 24,0 Prozent), Brandenburg (minus 20,4 Prozent) und Thüringen (minus 19,9 Prozent) nahm der deutsch-russische Handel seit 2013 überdurchschnittlich ab. Mecklenburg-Vorpommern verzeichnete hingegen eine Steigerung um 28,7 Prozent. Der Bundesdurchschnitt betrug minus 19,7 Prozent.

OAOEV-Geschäftsführer Michael Harms führt die überdurchschnittlichen Einbußen der ostdeutschen Länder im Russland-Handel vor allem darauf zurück, dass dort die Maschinenbauer sehr stark auf Russland ausgerichtet waren: „Das sind keine Großkonzerne, das sind alles Mittelständler, und die Ausfälle haben dann schon eine enorme Bedeutung.” Die ostdeutschen Bundesländer haben sich laut Harms verzweifelt beim OAOEV gemeldet, weil der Verlust von Großprojekten sie in große wirtschaftliche Schwierigkeiten bringe.

Die Welt” berichtet außerdem, nach Ansicht des Ost-Ausschusses führten die Sanktionen nicht zur Lösung der politischen Probleme. Sie hätten „eher die russische Elite um Präsident Putin konsolidiert“ und keine Fortschritte im Friedensprozess für die Ost-Ukraine gebracht, sagte Harms. „Dann muss man sich natürlich überlegen, inwieweit sie wirklich geeignet sind, langfristig die intendierten politischen Ziele zu erreichen.“

Der Vorsitzende des Bundestags-Wirtschaftsausschusses, Klaus Ernst (Linke), fordert die Bundesregierung auf, „die Sanktionen gegen Russland endlich zu beenden“. „Wenn das Medikament nicht wirkt, hat es keinen Sinn, die Einnahmezeit zu verlängern oder die Dosis zu erhöhen“, stellte er fest.

Warum Pofalla die westlichen Sanktionen für richtig hält

Pofalla kritisiert nicht nur die Krim-Annexion und den Krieg in der Ost-Ukraine, sondern auch die Unterdrückung der Zivilgesellschaft in Russland

Pofalla im DLF-Interview:

„Ich halte die Sanktionen für richtig. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Westen richtig reagiert hat.

Es kann nicht sein, dass ein Staat wie Russland auf europäischem Boden ein Teilgebiet eines anderen Landes völkerrechtswidrig annektiert und wir zur Tagesordnung übergehen.

Es kann nicht angehen, dass ein Staat wie Russland einen Konflikt in der Ost-Ukraine mit militärischen Mitteln aufrechterhält, in dem bis heute Woche für Woche Menschen sterben, obwohl Putin die Waffen schweigen lassen könnte.

Und es kann nicht richtig sein, dass wir akzeptieren, dass in einem Land wie Russland die Zivilgesellschaft, verglichen mit von vor einigen Jahren, weiter stark unterdrückt und eingeschränkt wird. (…)

Die Sanktionen sind richtig. Die Sanktionen können nicht gelockert werden, bevor Russland nicht einen beachtlichen Schritt geht, und meine Lebenserfahrung von 40 Jahren Russlanderfahrung ist, die Russen können mit klaren Positionen sehr viel besser umgehen als wir im Westen, und es wäre ein totales Zeichen der Schwäche, würden wir ohne irgendeine Veränderung auf der russischen Seite jetzt tatsächlich Teile von Sanktionen abbauen.“

Warum Pofalla die Sanktionen für wirksam hält

Pofalla im DLF-Interview:

„Mir wird berichtet in vielen Gesprächen von der russischen Landbevölkerung, dass die Probleme mit der Versorgung von Naturalien immer schwieriger werden, weil die Naturalien ja Teil des Sanktionsmechanismus sind (…)

Notwendige Investitionen in Russland können nicht stattfinden, weil Russland durch die Sanktionen keinen Zutritt zum internationalen Finanzmarkt hat und die Eigenfinanzierung ungleich teurer ist als die Finanzierung über den internationalen Finanzmarkt.

Das heißt, das was jetzt eigentlich an Transformation in Russland in der Wirtschaft, im Mittelstand stattfinden müsste, kann nicht stattfinden, weil Russland es nicht bezahlen kann.“

Bedingung für Gespräche

Pofallas nennt als Bedingung für Gespräche über erste Schritte zu einer Aufhebung von Sanktionen eine „stabile“ Waffenruhe in der Ost-Ukraine

Pofalla im DLF-Interview:

„Putin hat es doch einfach. Es ist doch gar nicht schwer. Er müsste doch jetzt nur mal für drei, vier, fünf Monate nachweisbar die Waffen in der Ost-Ukraine ruhen lassen, und er hat Einfluss auf die Separatisten, die immer wieder die vereinbarten Waffenruhen brechen, und dann könnte man doch über erste Schritte zum Abbau von Sanktionen nachdenken, weil dann die russische Seite gezeigt hätte, dass sie sehr wohl bereit ist, hier auch auf die Ukraine und auf den Westen zuzugehen.“

General-Anzeiger-Frage: „Wo könnten beide Seiten (im Ukraine-Konflikt) konkret aufeinander zu gehen?“

Pofalla:

Präsident Putin könnte dafür sorgen, dass in der Ostukraine endlich einmal die Waffen schweigen. Eine stabile und über Monate haltende echte Waffenruhe wäre der erste Schritt, um über einen ersten Schritt zur Aufhebung der Sanktionen zu sprechen. Solange es keine Veränderungen gibt, sind die Sanktionen berechtigt und richtig.“

General-Anzeiger-Frage: „Muss man die Krim außen vor lassen, wenn man in der Ostukraine Fortschritte schaffen will?“

Pofalla:

Lassen Sie uns bei der Betrachtung nicht gleich mit dem höchsten Berg, sondern gewissermaßen mit dem „Voraufstieg“ beginnen: Das ist die Ostukraine. Dort muss Präsident Putin jährlich Milliarden Euro investieren, um den Konflikt in Balance zu halten. Wenn er einen echten Waffenstillstand hinbekäme, könnte das Geld der russischen Gesellschaft zugutekommen und die EU die Sanktionen schrittweise zurückfahren.“

General-Anzeiger: „Sie klingen wie Gerhard Schröder und Christian Lindner, die den Krim-Konflikt einfrieren wollen.“

Pofalla:

„Nein. Für mich ist die Annexion nach wie vor völkerrechtswidrig. Ich rate nur dazu, nicht mit dem größten Problem zu beginnen. Ein Einstieg wäre jedenfalls eine Friedenssituation in der Ostukraine.“

Wirtschaftsminister Oreschkin und Sberbank-CEO Gref besuchten Deutsch-Russischen Business-Roundtable in Baden-Baden

Hochrangige russische Gäste, darunter Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin und der CEO der russischen Sberbank Hermann Gref, gab es übrigens bereits wenige Tage vor dem „Petersburger Dialog“ auf Einladung des früheren Ost-Ausschuss-Vorsitzenden Professor Dr. Klaus Mangold beim Deutsch-Russischen Business-Roundtable am 10. Juli in Baden-Baden. Der OAOEV informierte dazu über Facebook und Twitter:

Video-Tip zur weiteren Berichterstattung vom Petersburger Dialog

russland.Direct kündigte an, vom Petersburger Dialog in Bonn am Sonntag zu berichten. Häufiger Interview-Partner von Moderatorin Julia Dudnik ist Alexander Rahr, Historiker, Publizist, Gazprom-Berater und auch Mitglied des Petersburger Dialogs.

Titelbild
[toggle title=”Fotoquelle” open=”yes”]Titelbild:H-stt /Wikimedia Commons / BY-SA 4.0
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Quellen und Lesetipps:

Berichte zum Petersburger-Dialog und zu Interviews mit Ronald Pofalla:

Interviews mit Ronald Pofalla, Ko-Vorsitzender des Petersburger Dialogs:

Zeitung „Petersburger Dialog“

Russische Internet-Seite des Petersburger Dialogs;
neue russische Internet-Seite mit Nachrichten zum Petersburger Dialog

Sonstige Interviews, Konferenzberichte zu den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen

Russlands Außenwirtschaft: Deutsch-russische Wirtschaftsbeziehungen; Sanktionen: