Lesetipp: „Freiheit statt Demokratie“ von Thomas Fasbender

Lesetipp: „Freiheit statt Demokratie“ von Thomas Fasbender

Ab sofort stellt Ihnen Ostexperte.de ausgewählte Bücher und andere Produkte zu Russland, China und Eurasien vor. Unser heutiger Lesetipp ist „Freiheit statt Demokratie“ von Thomas Fasbender. Exklusiv für Ostexperte.de-Leser veröffentlichen wir einen Auszug aus dem Buch.

Russlands Weg und die Illusion des Westens

»Russland ist ein Ärgernis.« – Zu diesem Schluss kommen die westlichen Eliten in Politik und Medien. Eindrucksvoll schildert Thomas Fasbender, wie anders Russland in der Tat ist. In dreizehn abwechslungsreichen Kapiteln erzählt er vom Alltag der Russen und von ihrer dramatischen Geschichte. Er beschwört die Urtümlichkeit des riesigen Landes zwischen Ostsee und Pazifik, zwischen Arktis und Kaukasus, und er vermittelt intime Einblicke in die schicksalsgeprüfte Mentalität seiner Bewohner.

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Freiheit statt Demokratie von Thomas Fasbender
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Thomas Fasbender – geboren 1957, aufgewachsen in Hamburg, lebt seit 1992 in Moskau. Als Augenzeuge hat er dort die wilden neunziger Jahre erlebt, dann die russische Wiederauferstehung unter Präsident Putin, gefolgt von den Jahren des neuen Konflikts mit dem Westen. Der promovierte Philosoph ist Journalist, Unternehmer und Blogger. Vor allem aber ist er ein Russland-Erklärer, der sein Handwerk beherrscht.

Sein Fazit: Russland will den Weg des Westens nicht gehen, und Russland wird ihn nicht gehen. Und das beileibe nicht wegen seines Präsidenten. Der russische Mensch hat sein eigenes Verständnis von Freiheit, und das verträgt sich nicht mit der europäischen Verliebtheit in Vernunft- und Gesetzestreue … Fasbender hat ein Buch mit Herz und Verstand und in einer besonders schönen Sprache geschrieben, ein Buch gegen den Strom, das eine fremde, nahe Welt erschließt.

Leseprobe: Zwei Kontinente

Neunundneunzig Staaten umfasst der eurasische Kontinent, und nur zwei davon liegen zu beiden Seiten der fiktiven Grenze, die ihn in Europa und Asien teilt – Russland und die Türkei. Kein Wunder, dass die Diskussion um die eigentliche Zugehörigkeit in diesen beiden Ländern immer wieder aufflammt. Dabei bedeckt die Türkei das europäische Territorium nur mit drei Prozent ihrer Landfläche, der Altstadt von Istanbul und dem östlichen Thrakien. Russland liegt zu einem ganzen Viertel in Europa. Die übrigen drei Viertel, das ist der Norden Asiens von Jamal bis Sachalin – Tundren, Moore, Moos und Krüppelkiefern, weiter südlich Wälder und Berge über Millionen von Quadratkilometern, unterbrochen von drei großen Flüssen, Ob, Lena und Jenissei, die den Kontinent nach Norden durchströmen.

Spätestens seit dem 19. Jahrhundert beschäftigt dieses Thema die russische Intelligenz: Wer sind wir? Wo ist unsere Heimat? Wo gehören wir hin?

[…]

Befehl und Gehorsam, nur so scheint es in dem wilden Land zu funktionieren. Das kollektive politische Selbstverständnis gesteht dem Herrscher einen wesentlich größeren Spielraum und wesentlich mehr Rechte zu als in Westeuropa vorstellbar. […] Das Verhältnis der Russen zu ihren eigenen Gesetzen basiert auf einem Gentleman’s Agreement zwischen der übermächtigen Obrigkeit und dem flüchtigen, schlüpfrigen Untertan. Beide sichern sich auf diese Weise ihren wohlverdienten Feierabend. Nur die wirklichen Tyrannen, die wahren Idealisten der Macht, beschäftigen ihre Kader rund um die Uhr und lassen sie mit eisernen Besen kehren, Ordnung schaffen, einsperren, aufhängen und erschießen.

In diesem weitgehend undefinierten Raum zwischen Staat und Gesellschaft können Reformen nur angestoßen werden (und sind jedesmal ein neuer, vergeblicher Versuch, die Menschenmillionen und ungeheuren Ressourcen endlich effizient einzusetzen).

[…]

Inzwischen geht der Streit um den richtigen Weg in eine neue Runde. Die Gewichte in der Welt verschieben sich. Zwei Weltkriege, die rapide voranschreitende Globalisierung – Europa hat sich an die Welt verausgabt. Seine Wirtschaftskraft schwindet, und seine Werte verlieren an Glanz. Offiziell und an der Oberfläche gilt alles fort: Zivilisation, Kultur und Wissenschaft, eine Gesellschaftsordnung, die auf Vernunft und Gerechtigkeit aufbaut, die Errungenschaften des säkularen Staates. Aber die Schattenseiten schieben sich in den Vordergrund.

An Russland geht die Zeit nicht vorüber; von der Krise des christlich-abendländischen Weltbildes ist das Land so betroffen wie jedes andere auf dem Kontinent. Da ist es nur verständlich, wenn russische Intellektuelle und Politiker alles Übel dem Einfluss des Westens und der amerikanischen Kultur zuschreiben. Schließlich war schon die russische Katastrophe des 20. Jahrhunderts, der Bolschewismus, in ihren geistigen Wurzeln ein Westimport.

Am Anfang des 21. Jahrhunderts spüren die Vertreter der eurasischen Denkrichtung Auftrieb. Seit Beginn der panslawistischen Bewegung vor zweihundert Jahren ist sie das Dach der russischen Europa-Skeptiker. Das hält die Reichen nicht davon ab, ihren Urlaub in Courchevel, an der Côte d’Azur oder in Marbella zu verbringen und ihre Kinder auf englische oder Schweizer Schulen zu schicken. Doch nicht nur eurasische Intellektuelle stellen inzwischen die Frage: Ist Europa wirklich unsere Zukunft?


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[accordion open_icon=”book” closed_icon=”book”] [toggle title=”Leseprobe” open=”yes”]Thomas Fasbender: Freiheit statt Demokratie. Russlands Weg und die Illusionen des Westens, Manuscriptum Verlag 2014 [/su_spoiler]