„US-Sanktionen bleiben mindestens 20 Jahre“
Alexis Rodzianko vertritt die Interessen der US-Wirtschaft in Russland. Im Interview mit Welt spricht der Geschäftsmann über das schwierige Verhältnis der beiden Länder.
Während in Washington heiß über Russland diskutiert werde, blicke das Volk eher entspannt auf das Land, erklärte Alexis Rodzianko. Dies sei der „inneramerikanische Widerspruch“. Eine Mehrheit der US-Bürger würde Trump zustimmen, dass das Verhältnis zu Moskau verbessert werden müsse. Das Land sei für viele Amerikaner abstrakt: „Für den durchschnittlichen Amerikaner existiert Russland praktisch nicht“, so der Handelskammer-Präsident.
Die im Zuge des Ukraine-Konflikts verhängten US-Sanktionen betrachtet er als wirkungslos:
„Sanktionen macht man, wenn man nicht nichts machen will. Die Geschichte mit der Ukraine, Russland und Europa hätte sich weder mit Sanktionen noch ohne geändert. Das erwartete Ergebnis gibt es jedenfalls auch mit Sanktionen nicht. Und die übrigen Ergebnisse sind meines Erachtens keine guten.“
Zahlreiche Unternehmen in Europa und in den USA würden seine Position teilen, erklärte der Präsident der US-Handelskammer in Russland. Doch die Wirtschaft habe nur bedingt Einfluss auf die Entscheidungen in Washington. Immerhin sei es gelungen, im neuen US-Sanktionsgesetz einige Abschwächungen „hineinzureklamieren“.
Handelskammer-Präsident lobt Russland
Rodzianko lobte die russische Seite dafür, dass sie politische und wirtschaftliche Beziehungen seit Beginn der Sanktionen 2014 größtenteils auseinandergehalten habe. Während die Reaktionen der US-Staatsführung „sehr emotional“ gewesen seien, hätten die russischen Machthaber „sogar noch mehr Freundlichkeit“ entgegengebracht. Ein Problem sei insbesondere die Unvorhersehbarkeit der US-Entscheidungen gewesen:
„Die russische Seite gab uns sogar zu verstehen, wie schrecklich es wäre, wenn wir weggingen. Die US-Regierung hingegen verhängte alle paar Monate neue Sanktionen, und wir fürchteten uns vor immer weiteren. Ich und eine Gruppe von US-Geschäftsleuten fuhren 2014 gar nicht mehr nach Washington, obwohl wir das sonst jährlich zwei Mal machen.“
Der Geschäftsmann sprach auch über die im August 2017 von Trump unterzeichneten US-Sanktionen, die vor allem in Europa auf Kritik stießen. Wirtschaftsverbände, Unternehmen und Politiker nehmen das US-Sanktionsgesetz als Bedrohung wahr. Der Grund: Deutschland befürchtet, dass die geplante Ostseepipeline Nord Stream 2 auf der Kippe steht.
Rodzianko: Nord Stream 2 wird gebaut
Rodzianko sagte, dass das neue Gesetz hauptsächlich „gegen Trump“ ziele, weil Senat und Kongress den US-Präsidenten in seinen Möglichkeiten behindern wollten, eine „unabhängige Russlandpolitik“ zu machen. „Dass man auch Europa trifft, war nicht Absicht“, so der Handelskammer-Präsident. In den USA werde Europa als „Geisel Russlands“ betrachtet, die man aus der Energieabhängigkeit befreien müsse.
Dennoch glaube der Geschäftsmann, dass Nord Stream 2 gebaut werde. Auch in den Siebziger-Jahren hätten die USA versucht, eine Pipeline zwischen Russland und Deutschland zu verhindern – „erfolglos“. Das neue US-Sanktionsgesetz sei „das Schlechteste, was man tun konnte“ und treibe einen „Keil zwischen die USA und Europa“, sagte Rodizanko.
Auf die Frage, wie lange die US-Sanktionen bestehen bleiben, antwortete der Handelskammer-Präsident: „Mindestens 20 Jahre.“ Durch das neue Gesetz könne nicht mehr der Präsident, sondern „nur der Gesetzgeber“ die Strafmaßnahmen gegen Russland aufheben. „Das wird sehr schwer“, so Rodzianko. „Europa täte sich mit einer Aufhebung leichter. Und wird sie mit fast 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit auch früher beschließen.“