Anteil russischer Lebensmittel in Supermärkten klettert auf 77 Prozent
Nach Angaben des Ministeriums für Industrie und Handel erreichte der in russischen Geschäften verkaufte Anteil der Nahrungsmittel, die im Inland produziert wurden, im Jahre 2016 einen Rekordwert seit der Jahrtausendwende. Dies berichtet die Tageszeitung Iswestija.
Die von Russland verfolgte Strategie der Importsubstitution könnte aufgehen. Das Industrieministerium beziffert den Anteil der ausländischen Importwaren in russischen Lebensmittelgeschäften auf 23 Prozent. In einigen Nischen wie Brot, Milch, Grütze, Fleisch, Fisch, Eier, Nudeln und Zucker erreiche der Anteil der inländischen Produkte fast 100 Prozent.
Auch der stellvertretende Industrieminister, Wiktor Jewtuchow, bestätigte den sinkenden Anteil der Importwaren in Russlands Geschäften gegenüber dem russischen Landwirtschaftskomitee. Ihm zufolge lag der Anteil der importierten Lebensmittel bei 36 Prozent in 2013, bei 34 Prozent in 2014 sowie bei 28 Prozent in 2015.
Förderung der inländischen Produktion
Die Herstellung von lokalen Marken sowie Programme zur Förderung der inländischen Produktion hätten die Anteile russischer Produkte in Lebensmittelketten stark erhöht, bestätigt das Einzelhandelsunternehmen X5 Retail Group, zu dem die Supermärkte Perekrjostok und Pjatjorotschka gehören.
Auch die Supermarktkette Asbuka Wkusa bestätigt die Entwicklung, obgleich nicht in allen Kategorien. Auffällig sei der Anstieg des russischen Anteils bei Produkten, die unter das Lebensmittel-Embargo gegen die Europäische Union fallen. Dazu gehören unter anderem Fisch- und Fleischprodukte, Käse sowie Gemüse.
Produkt-Embargo gegen die EU
Jedoch beobachtet das Unternehmen auch einen Anstieg der Nachfrage für Produkte, die nicht mit den russischen Gegensanktionen in Verbindung stehen – zum Beispiel für Fertigessen. Angeblich gebe es derzeit einen Trend in Russland, aus Zeitgründen und aus Bequemlichkeit seltener Nahrung selbst zuzubereiten.
Ebenso bestätigt die russische Einzelhandelskette DIXY einen Anstieg russischer Nahrungsmittel. Das Unternehmen verzeichnete innerhalb der letzten zwei Jahre im eigenen Sortiment eine Verdreifachung der Obst- und Gemüsewaren, die im Inland produziert wurden. So verdoppelte sich die Anzahl russischer Gurken 2016 im Vergleich zum Vorjahr auf 89 Prozent.
Auch der Anteil russischer Tomaten stieg bei DIXY 2016 auf 73 Prozent. Während die Lebensmittelkette früher Äpfel aus der EU (Polen, Italien, Frankreich, Deutschland und Belgien) verkaufte, stammen die Produkte heute aus Russland oder von der Südhalbkugel (Chile, Argentinien, Südafrika).
Lebenshaltungskosten in Russland
Der Präsident des Nationalen Handelsverbands, Wadim Sujkow, bezeichnete den derzeitigen Anteil russischer Lebensmittel in Höhe von 77 Prozent als Rekordwert. Seiner Meinung nach habe Russland einen solchen Wert nur zur Zeit der Sowjetunion erreichen können. Allerdings sei diese Situation nicht ausschließlich auf das Produkt-Embargo zurückzuführen.
Sujkow wies daraufhin, dass die Nachfrage für Lebensmittel im Allgemeinen gesunken sei. Er begründet dies mit den Lebenshaltungskosten in Russland. Auf der einen Seite seien Benzinpreise sowie Kosten für die Verwaltung gestiegen, auf der anderen Seite stagnierten die Löhne. Da russische Produkte häufig günstiger seien als ausländische, griffen die Verbraucher häufig zu inländischen Waren, erklärt Sujkow.
Seiner Meinung nach befinde sich die Importsubstitution auf ihrem Höhepunkt. Ein weiteres Wachstum sei nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Bei exotischen Früchten und Wein soll der Anteil der Importe sogar steigen. Durch das Erstarken des Rubels seien Importwaren wieder erschwinglicher geworden, glaubt der Experte.
Qualität russischer Produkte bleibt niedrig
Derweil kann nicht von einer Qualitätsverbesserung der Lebensmittel in Russland gesprochen werden, berichtet Iswestija. Der russische Verbraucherschutz erklärte, dass 66 Prozent aller inländischen Lebensmittelhersteller im Jahre 2016 gegen Hygiene- und Sanitärvorschriften verstoßen hätten. Die Behörde hat inzwischen eine Strategie zur Qualitätserhöhung russischer Erzeugnisse bis 2030 erarbeitet.
Der russische Landwirtschaftsminister Alexander Tkatschow hat in einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin Forbes angedeutet, dass das Einfuhrverbot für westliche Lebensmittel um weitere zehn Jahre verlängert werden könnte.
Der Landwirtschaftsminister sei „überzeugt“ davon, dass die russische Bevölkerung einheimische Produkte kaufen wolle. „Das weiß ich für mich, und diesen Trend beobachte ich im ganzen Land“, sagte er. Zudem sei Landwirtschaft in Russland inzwischen „profitabel und interessant“.