So sieht es im Moskauer Hauptquartier von Kaspersky Lab aus
Kürzlich hat Ostexperte.de das Hauptquartier des russischen Software-Herstellers Kaspersky Lab in Moskau besucht. Dort führten wir ein Interview mit Kirill Kertsenbaum, dem Enterprise Solutions Director. Zugleich wurde uns ein Einblick in das Innenleben des internationalen IT-Sicherheitsunternehmens gewährt, den wir Ihnen nicht vorenthalten möchten.
„Die Ausländer sind da“, spricht die junge Empfangsdame auf Russisch in das Telefon. Ich schiebe meinen Reisepass über die Theke. Wer das Hauptquartier von Kaspersky Lab besucht, wird registriert. Sicherheitsschleusen regulieren den Zugang beim IT-Sicherheits-Spezialisten. „Bitte warten Sie.“
Sonnenlicht dringt durch die breite Glasfassade.
Männliche und weibliche Gebäude
Weil hier überwiegend Frauen arbeiten, bezeichnen Mitarbeiter das eine Gebäude als „weiblich“. Hier sitzen Verwaltung und Marketing des IT-Sicherheitsunternehmens. Auf der anderen Seite, im baugleichen Quader aus Glas, sitzen im „männlichen“ Gebäude die Developer. Sie entwickeln die international berühmte Anti-Viren-Software, die Unternehmen und Privatnutzer vor Bedrohungen im Internet schützen soll.
Dahinter befindet sich ein dritter Quader im Businesszentrum „Olympia Park“, der ebenfalls zu Kaspersky Lab gehört. Dort hat sich ein deutsches Unternehmen eingemietet: BMW. Der Autobauer aus Bayern ist aber kein Kunde der Sicherheitssoftware von Kaspersky, wie ich später erfahre. Im Erdgeschoss trinken Geschäftsleute Milchkaffee in einer Starbucks-Filiale.
„Nice to meet you“, begrüßt mich die junge PR-Frau von Kaspersky Lab mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie führt mich durch das Gebäude: Konferenzräume, sterile Wände, konserviertes Tageslicht.
Dalí-Statue und Unternehmensmuseum
Nach dem Interview mit dem Enterprise Solutions Director werde ich in das Nebengebäude gebeten. In der Empfangshalle fällt mein Blick auf einen Elefanten aus Bronze. „Das ist eine Originalskulptur von Salvador Dalí. Wir haben sie in einem Spezialcontainer von London nach Moskau transportieren lassen.“
In Vitrinen, „Kaspersky-Museum“ genannt, werden zahlreiche Accessoires ausgestellt. Neben der Virenscanner-Software in einer pinkfarbenen Glitzer-Verpackung staune ich über ein Stück eines Ferrari-Autos, das beim ersten Formel-1-Rennen im russischen Sotschi abgebrochen ist. Damals war das Unternehmen bei der Formel 1 mit der digitalen Sicherheit von Ferrari beauftragt.
Wie ich Jewgeni Kaspersky verpasste
Nach einer erneuten Registrierung betreten wir das hauseigene Fitnessstudio. Um Schmutz zu vermeiden, wickelt eine Maschine Plastikfolie um das Schuhwerk.
Danach passieren wir eine Schleuse und gelangen per Aufzug zu den Entwicklern. Als wir im Aufzug stehen, fragt uns unsere Begleitung: „Haben Sie gerade Jewgeni gesehen?“ – „Wo?“, frage ich. „Na, er ist gerade nach draußen gegangen. Zum Rauchen.“
Nein, habe ich nicht. So kann es gehen.
Im dritten Stock angekommen, betreten wir eine Sonnenterrasse. Mein Blick schweift über den sommerlichen Moskau-Wolga-Kanal. „Auf der gegenüberliegenden Seite lebt Jewgeni“, bekomme ich erklärt. „Wenn der Kanal im Winter vereist ist, läuft er über das Wasser nach Hause.“
Auch die Mitarbeiter nutzen die Erfrischung: „Nach der Arbeit gehen wir manchmal gemeinsam an den Strand.“
Heavy Metal und Club Mate
Beim Gang durch das Büro werfen mir langhaarige Programmierer schüchterne Blicke zu. Manche von ihnen tragen T-Shirts von Heavy-Metal-Bands. „Es gibt keinen Dresscode und auch keine festen Arbeitszeiten. Manche kommen erst spät und arbeiten bis in die Nacht hinein.“
Der hierfür nötige Koffeinvorrat wird aus Deutschland importiert: Club Mate. Das in Berlin wie ein Lauffeuer verbreitete Koffeingetränk war früher insbesondere in Hackerkreisen wie dem „Chaos Computer Club“ populär.
Auf dieser Etage befindet sich „Eugene’s Escape“, das Büro des Unternehmensgründers. Wegen der Zigarettenpause ist sein Platz leider leer.
Ein paar Schritte weiter arbeiten sogenannte „Spechte“ in einem kreisförmigen Viren-Lab an der Bekämpfung von Schadsoftware.
Wenn eine neue Bedrohung hereinkommt, wird sie umgehend bearbeitet. „Die harten Brocken werden an die smartesten Developer geschickt, die in der Nähe von Jewgeni sitzen.“
Das Lab ist kreisförmig angeordnet, Code fließt über die Glaswände und die Bildschirme. An der Decke sind Fernseher montiert, die aktuelle Bedrohungen und ihre Herkunftsländer dokumentieren.
Zur letzten Station geht es an der Unternehmenskantine vorbei zum Parkdeck. Lüftungsrohre dröhnen bedrohlich durch den Keller.
Hinter einer Mauer aus Blech verbergen sich dort verschiedene Modelle von Geldautomaten. „Leider ist kein Geld mehr drin“, wird mir versichert. Hier erproben die Mitarbeiter mit gezielten Cyber-Angriffen, die Software der Geldautomaten zu überlisten – und versuchen, Gegenstrategien zu entwickeln.
Ein Hauch von Silicon Valley
Kaspersky Lab ist ein bisschen so, wie man es sich vorstellt: Modern, aufgeräumt, progressiv. Hochbegabte Informatiker tippen sich konspirativ die Finger wund. Und die PR gibt sich beste Mühe, das Unternehmen als mondän zu bewerben. Ein Hauch von „Silicon Valley in Klein“ weht durch die Räume des russischen Software-Pioniers.
Es beginnt zu regnen, als ich das Gebäude verlasse. Keine Spur von Jewgeni Kaspersky. Seine Zigarette hat er wohl aufgeraucht.
Die Niederlassung in Deutschland sitzt in Ingolstadt, die in Österreich in Bad Vöslau und in der Schweiz in Steinhausen/Zug.
Nach eigenen Angaben macht das Unternehmen den Großteil seines Umsatzes in Europa (34,6 Prozent; dort vor allem in Deutschland), danach folgen die USA und Kanada (24,6 Prozent).