Confed-Finale in St. Petersburg. Weit über zehntausend Chilenen feuern ihre Mannschaft an – die deutschen Fans sind kaum wahrnehmbar. Wenige sind angereist, und das, obwohl die Ostseestadt quasi um die Ecke liegt. Die Chilenen mussten rund 14.000 Kilometer zurücklegen.
Am deutschen Fußball wird es nicht gelegen haben, der ist weltmeisterlich. Also woran?
Die Deutschen haben, was Russland betrifft, alle Neugier und jedes Vertrauen verloren. Ein gerüttelt Maß an Verantwortung tragen die Medien, die Russland seit Jahren, seit lange vor der Ukrainekrise, überkritisch, einseitig negativ oder direkt herabwürdigend präsentieren. Wenn es hochkommt, ist das Glas halbleer. Wer reist schon freiwillig in ein Land, das in der Zeitung als “asiatische Despotie” abgetan wird – der Begriff “Diktatur” ist ja noch harmlos.
Doch “Medien” ist eine Abstraktion. In der Realität sind es einige Handvoll Menschen aus Fleisch und Blut – Korrespondenten, Redakteure, Moderatoren -, unterstützt von ihren Chefs und weiten Teilen der Politik, die unser Russlandbild formen. Viele der Namen sind auch einem weiteren Publikum bekannt.
Sie schreiben Bücher und Beiträge, kommentieren TV-Berichte, moderieren Talkshows und sind in den sozialen Medien unterwegs. Akribisch und mit spitzem Griffel listen sie die Defizite der russischen Demokratie, der russischen Wirtschaft, der russischen Gesellschaft. Buchhalter des Fortschritts, wie er ihnen vor Augen steht. Die Vorstellung, dass gesellschaftliches und politisches Leben sich auch anders, sogar grundsätzlich anders gestalten kann als in den Soziotopen zwischen Kreuzberg und Bielefeld, bleibt ihnen so verschlossen wie die Rückseite des Monds.
Das war anders zu Zeiten alter Schlachtrösser wie Gerd Ruge, auch wenn der aus einem Russland berichtete, das dem Westen noch als unmittelbarer Gegner gegenüberstand. Zu den Zeichen der Missachtung gehört, dass die Anstalten heute, wo aus Richtung Osten keine Gefahr mehr droht, die Krittler und Beckmesser dorthin entsenden.
Die deutsche Nationalmannschaft, Weltmeister und Confed-Meister, kann sich auf eine weitgehend fanfreie WM 2018 einstellen. Die Besucher des Confed-Cups lobten zwar unisono die Organisation und die Sicherheit, doch die Reporter werden schon noch tropfende Wasserhähne finden. Russland ist groß.