Wintershall sieht keinen Bedarf für LNG-Hafen in Deutschland

Wintershall sieht keinen Bedarf für LNG-Hafen in Deutschland

In Deutschland soll ein Hafen für Flüssiggas-Importe (LNG) entstehen, um unabhängiger von Gaslieferungen aus Russland zu werden. Doch der deutsche Energiekonzern Wintershall sieht die Pläne skeptisch.

Wintershall-Chef Mario Mehren steht einem möglichen Flüssiggas-Hafen in Deutschland kritisch gegenüber. „Wir sind nicht an Investitionen in ein deutsches LNG-Terminal interessiert“, zitiert das Handelsblatt den Top-Manager.

Vor einigen Tagen erklärte Angela Merkel, ein LNG-Terminal in Deutschland unterstützen zu wollen. Damit möchte die Bundeskanzlerin offenbar einer Forderung von US-Präsident Donald Trump entgegenkommen. Dieser hatte zuletzt massiv gegen Gaslieferungen aus Russland protestiert und Sanktionen angedroht.

Bisher ist nicht geklärt, wo der Flüssiggas-Hafen entstehen soll. Im Gespräch seien Wilhelmshaven, Brunsbüttel oder Stade. Doch Wintershall-Chef Mehren mahnt an, dass die Pläne nicht wirtschaftlich seien. „Wir sind an profitablem Wachstum interessiert.“ Die Terminals, die derzeit in Europa existieren würden, seien „nicht einmal zu einem Viertel“ ausgelastet. „Wenn wir LNG importieren wollten, könnten wir das also schon. Bislang ist LNG aus den USA aber schlichtweg zu teuer.“

Uniper und RWE befürworten LNG-Hafen

Die Konkurrenzunternehmen RWE und Uniper bewerten den Vorschlag weniger kritisch. „Wir sehen die Planung für ein deutsches Terminal grundsätzlich positiv“, so Andree Stracke, in der Geschäftsführung von RWE Supply & Trading verantwortlich für das Gasgeschäft. „Flüssiggas wird künftig eine wichtigere Rolle im Gasmarkt Nord- und Westeuropas spielen.“ Derzeit sei LNG zwar weniger konkurrenzfähig. „Aber gerade in den letzten Monaten sehen wir einen starken Anstieg bei den Preisen für Pipelinegas, der Preisunterschied zwischen LNG und Pipelinegas ist kleiner geworden.“

Auch Uniper zeigt Unterstützung für ein deutsches LNG-Terminal. Europa fördere immer weniger Gas und müsse „mehr und mehr“ aus dem Ausland importieren, sagte Keith Martin, der im Vorstand das Handelsgeschäft verantwortet. „Dazu sollten wir alle Quellen nutzen können: Erdgas aus Pipelines ebenso wie verflüssigtes Erdgas über Tankerlieferungen, die direkt europäische Terminals ansteuern können.“ Das Unternehmen sehe „bereits heute eine deutlich stärkere Nachfrage“ nach verflüssigtem Erdgas als früher. Auch in Deutschland gebe es einen „wachsenden Bedarf“ an LNG-Kapazitäten, so Martin.

USA wollen Nord Stream 2 verhindern

Die Diskussion hat nicht nur eine wirtschaftliche, sondern vor allem eine politische Dimension. Im vergangenen Jahr stammte mehr als die Hälfte des deutschen Gasverbrauchs aus Sibirien. Östliche EU-Staaten, die USA und die Ukraine warnen vor einer hohen Abhängigkeit von Russland. Deutschland sei wegen der geplanten Ostseepipeline Nord Stream 2 ein „Gefangener“ Russlands, sagte der US-Präsident im Juli.

Derzeit bestehen 22 LNG-Terminals in Europa. Nach Angaben von Gas Infrastructure Europe (GIE) betrage die Kapazität rund 245 Milliarden Kubikmeter, womit 40% des europäischen Gasbedarfs gedeckt werden könnten. Laut Mehren seien es derzeit aber nur 10%.

Die kritische Position der USA gegenüber Nord Stream 2 sei vor allem aus wirtschaftlichen Motiven getrieben, erklärte Wintershall-Russlandchef Torsten Murin im Ostexperte.de-Interview. Washington gehe es darum, heimisches LNG auf dem europäischen Markt abzusetzen. „Amerika will Rohstoffe nach Europa liefern“, bestätigte auch Mehren.

Derzeit sind sich die Energiekonzerne uneinig über den Standort für einen deutschen LNG-Hafen. RWE soll sich Kapazitäten in Brunsbüttel gesichert haben, Uniper dagegen argumentiert für den Standort Wilhelmshaven.

Uniper ist das einzige Unternehmen, das Flüssiggas und Nord Stream 2 gleichermaßen unterstützt. „Wir halten beide Bezugswege für notwendig, um den Wettbewerb im Gassektor zu stärken“, erklärte Martin. Zu den weiteren Geldgebern der umstrittenen Gasverbindung Nord Stream 2 zählen ENGIE, OMV, Shell und Wintershall.

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