Sahra Wagenknecht über Gerhard Schröder: „Gekaufte Politik zerstört die Demokratie“
Die Linke-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht hat kurz vor der Bundestagswahl neue Impulse zur Russlandpolitik gesetzt. Im Interview mit Ostexperte.de plädiert die Politikerin für ein Ende der Russland-Sanktionen, die Auflösung der NATO und eine diplomatische Lösung der Ukraine-Krise.
Sie bezeichnen die Russland-Sanktionen als „kontraproduktiv“. Wie kann der Konflikt in der Ostukraine stattdessen gelöst werden?
Der Konflikt in der Ost-Ukraine kann nur diplomatisch gelöst werden. Das Abkommen von Minsk wird von beiden Seiten unterlaufen. Die Konfliktparteien müssen dringend erneut an den Verhandlungstisch. Es muss neues Vertrauen geschaffen werden, das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Minsk endlich umgesetzt wird.
Christian Lindner wurde für die Aussage, die Krim als „dauerhaftes Provisorium“ anerkennen zu wollen, heftig unter Beschuss genommen. Sie haben dem FDP-Chef den Rücken gestärkt. Welche konkreten Maßnahmen schlagen Sie vor, um das Verhältnis zu Russland zu verbessern?
Wir wollen eine neue Entspannungspolitik gegenüber Russland. Als ersten vertrauensbildenden Schritt wollen wir die Sanktionen beenden und die Bundeswehr von der russischen Grenze abziehen. Sicherheit in Europa kann es nicht gegen, sondern nur mit Russland geben. Wir streben deshalb die Auflösung der NATO und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Einschluss Russlands an.
Was halten Sie von der Idee, EU-Visafreiheit für russische Staatsbürger zu gewähren? Könnte dieser Schritt zur Verbesserung der politischen Beziehungen führen?
Darüber kann man nachdenken. Ausgesprochen wichtig wäre es, wieder für mehr persönliche und kulturelle Kontakte zwischen beiden Ländern zu sorgen. Dies ist gerade auch für Studierende und jüngere Menschen entscheidend.
Was denken Sie über die neuen Russland-Sanktionen der USA? Wie bewerten Sie die Aussage von Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries, dass die Strafmaßnahmen „völkerrechtswidrig“ seien?
Die Russlandsanktionen der USA haben handfeste ökonomische Gründe und zielen darauf ab, den eigenen Energieunternehmen Vorteile auf den Märkten zu verschaffen, so der hochproblematischen US-Frackingindustrie. Es ist ein klarer Völkerrechtsbruch, europäische Unternehmen, die mit Russland kooperieren, sanktionieren zu wollen.
Die neuen US-Sanktionen gelten als Bedrohung für die geplante Ostseepipeline Nord Stream 2. Wie wichtig ist das Projekt für Europas Energiesicherheit? Können Wintershall & Co. mit Unterstützung von links rechnen?
Wir halten Sanktionen gegen Russland gerade auch für die Wirtschaft in Europa für verheerend. Energiesicherheit in Europa muss sich auch auf russisches Gas stützen können. Die Alternative wäre dazu das ökologisch unvertretbare Fracking-Gas der US-Konzerne. Wenn wir die erneuerbaren Energien weiter vorantreiben wollen, brauchen wir für eine längere Übergangszeit Alternativen zu Atom und Kohle, allein schon aus Klimaschutzgründen.
Gerhard Schröder wird für seine Nominierung in den Rosneft-Aufsichtsrat kritisiert. Wie bewerten Sie das mögliche Engagement des SPD-Altkanzlers beim russischen Ölkonzern?
Wir lehnen diese Art des Lobbyismus generell ab, gleich ob es sich um deutsche oder russische Konzerne handelt. Unternehmensspenden, wie auch der Übergang von Politikern in Konzernzentralen sollten generell untersagt werden. Gekaufte Politik zerstört die Demokratie.
Was sagen Sie zum aktuellen Russlandkurs von Donald Trump? Sind die USA noch ein zuverlässiger Bündnispartner zur Durchsetzung gemeinsamer Interessen?
Donald Trump ist sehr schnell auf einen Eskalationskurs gegenüber Russland eingeschwenkt. Dies ist hochgefährlich. Donald Trumps Außenpolitik muss ein Weckruf sein für eine eigenständige zivile europäische Außenpolitik in Abgrenzung zu den USA.
Frau Wagenknecht, vielen Dank für das Gespräch.
Dieses Interview führte Ostexperte.de-Chefredakteur Thorsten Gutmann.