Russlands Industrieproduktion stieg 2021 um 5,3 Prozent
2021 hat sich die russische Wirtschaft unerwartet schnell vom Corona-Rückschlag erholt. Maßgeblich dazu beigetragen hat auch die Industrieproduktion, wie Zahlen des Statistitkamtes Rosstat zeigen.
Die Volkswirtschaftliche Abteilung der russischen Zentralbank hält es für möglich, dass Russlands Bruttoinlandsprodukt 2021 um über 5 Prozent gewachsen sein könnte. Für die Industrieproduktion ermittelte das Statistikamt Rosstat ein Wachstum von 5,3 Prozent gegenüber dem Jahr 2020. Damit war sie 3,1 Prozent höher als vor zwei Jahren.
Unternehmensbefragungen lassen einen weiteren Produktionsanstieg erwarten. Der Einkaufsmanager-Index für das „Verarbeitende Gewerbe“ liegt seit Oktober stabil über der „Wachstumsschwelle“. Der Index für den Dienstleistungsbereich hat sie im Januar fast erreicht.
Die jüngste Umfrage der Zentralbank bei Konjunkturforschungsinstituten und Banken zeigt außerdem, dass bisher nur wenige Wachstumsprognosen wegen des Ukraine-Konflikts gesenkt wurden. So nahm das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche im Januar seine Wachstumsprognose für 2022 von 3,0 auf 2,0 Prozent zurück (Ostexperte.de berichtete). Bei der Zentralbank-Umfrage hielt sich der Mittelwert der Erwartungen für den Anstieg des russischen Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2022 im Gegensatz dazu bei 2,4 Prozent. Gleichzeitig stiegen bei der Zentralbank-Umfrage die Inflationserwartungen für 2022 deutlich.
Russlands Industrieproduktion hat den Corona-Rückschlag längst aufgeholt
Die russische Industrieproduktion war im Dezember 2021 nach ersten Rosstat-Berechnungen um 6,1 Prozent höher als vor einem Jahr. In einer Bloomberg-Umfrage war nur ein Anstieg um 4,5 Prozent erwartet worden.
Im Jahresdurchschnitt 2021 stieg die Industrieproduktion gegenüber 2020 um 5,3 Prozent, nachdem sie im „Corona-Krisenjahr 2020“ um 2,1 gesunken war. 2021 wurde der stärkste Anstieg der Industrieproduktion seit 10 Jahren verzeichnet. Damit war sie im letzten Jahr laut Wirtschaftsministerium bereits 3,1 Prozent höher als zwei Jahre zuvor im Jahr 2019.
Überdurchschnittlich starkes Wachstum der Energieversorgung
RIA Rating analysierte die Entwicklung der Produktion wichtiger Industriebereiche. Etwas schwächer als die gesamte Industrieproduktion (+ 5,3 Prozent) wuchsen das „Verarbeitende Gewerbe“ (+ 5,0 Prozent) und der Bereich „Bergbau, Förderung von Rohstoffen“ (+ 4,8 Prozent).
Aufgrund von Vereinbarungen zu Beschränkungen der Ölförderung im Rahmen der OPEC+ wurde die russische Ölförderung 2021 nur um 2,1 Prozent erhöht. Die Erdgasförderung stieg hingegen um 10,6 Prozent und die Kohleförderung nahm um 8,5 Prozent zu. Ein Grund dafür war eine verstärkte Nachfrage aus den EU-Ländern.
Der Industriebereich „Versorgung mit Strom, Gas und Dampf“ wuchs 2021 mit einem Produktionsplus von 6,8 Prozent überdurchschnittlich stark. Der kräfte Anstieg war zum Teil witterungsbedingt (relativ niedrige Temparaturen im ersten und vierten Quartal; eine Hitzewelle im dritten Quartal). Außerdem stiegen die russischen Stromexporte nach Europa und China kräftig, zum Teil witterungsbedingt, aber auch weil die Gaspreise im Ausland ungewöhnlich stark stiegen.
Ein Wachstumstreiber für den Anstieg der gesamten Industrieproduktion, vor allem des Verarbeitenden Gewerbes, war auch die Realisierung von Infrastrukturprojekten. Die russische Automobilindustrie verzeichnete im Jahresdurchschnitt zwar ein Rekordwachstum (+ 13,8 Prozent). In der zweiten Jahreshälfte sank die PKW-Produktion wegen fehlender Zulieferungen aber stark.
Seit September ist die Industrieproduktion insgesamt kräftig weiter gestiegen
Die gesamte Industrieproduktion stieg im Dezember 2021 gegenüber dem Vormonat November saisonbereinigt laut ersten Rosstat-Berechnungen um 1,2 Prozent. Die VTB Bank und das Forschungsinstitut der Vnesheconombank schätzen den Anstieg gegenüber November sogar auf 2,0 Prozent.
Das VEB-Institut veröffentlichte zur saisonbereinigten Entwicklung der Industrieproduktion folgende Abbildung. Sie zeigt, dass die Industrieproduktion insgesamt (schwarze Linie) seit September 2021 rasch gestiegen ist. Sowohl das „Verarbeitende Gewerbe“ (dunkelgrüne Linie) als auch der Bereich „Bergbau, Förderung von Rohstoffen“ (hellgrüne Linie) trugen dazu bei.
Index der saisonbereinigten Entwicklung der Industrieproduktion
Januar 2014=100
Vnesheconombank Institute: „World Economy and Markets Review“; 04.02.2022
Die Produktion im Bereich „Bergbau/Förderung von Rohstoffen“ war im Dezember 2021wieder etwa ebenso hoch wie zwei Jahre zuvor Ende 2019. Die Produktion des „Verarbeitenden Gewerbes“ hatte ihren Rückgang während des Corona-Lockdowns bereits Ende 2020 aufgeholt.
RIA Rating: 2022 steigt die Industrieproduktion noch um 3 bis 4 Prozent
Angesichts einer Abschwächung des Wachstums der Weltwirtschaft, die auch die weltweite Nachfrage nach Rohstoffen dämpfen dürfte, rechnet RIA Rating im Jahr 2022 mit einem Rückgang des Wachstums der russischen Industrieproduktion auf 3 bis 4 Prozent.
VTB Capital erwartet 2022 bei einem gesamtwirtschaftlichen Wachstum von 2,2 bis 2,4 Prozent einen Anstieg der Industrieproduktion um 3,2 bis 3,5 Prozent.
Einkaufsmanager-Indizes leicht gestiegen
Die vom Marktforschungsunternehmen IHS Markit durch monatliche Befragungen von Unternehmen ermittelten „Einkaufsmanager-Indizes“ für das „Verarbeitende Gewerbe“ und für Dienstleistungsunternehmen notierten im Januar erneut nahe der „Wachstumsschwelle“ von 50 Indexpunkten. Werte von mehr als 50 Punkten signalisieren eine Verstärkung der Geschäftsaktivitäten.
Die folgende Abbildung des Forschungsinstituts der Vnesheconombank zeigt, dass der „Purchasing Manager Index“ für das „Verarbeitende Gewerbe“ (orange Linie) die Wachstumsschwelle im Oktober überschritt. Seit 4 Monaten hält er sich bei knapp 52 Indexpunkten. Im Januar stieg er geringfügig von 51,6 Punkten auf 51,8 Punkte.
Der PMI für die Dienstleistungsunternehmen war angesichts erneuter Lockdown-Maßnahmen im November bis auf fast 47 Punkte gesunken. Im Dezember erholte er sich deutlich und lag im Januar mit 49,8 Punkten nur noch knapp unter der „Wachstumsschwelle“.
IHS Markit „Einkaufsmanager-Indizes“
Orange Linie: „Verarbeitendes Gewerbe“
Blaue Linie: Dienstleistungsunternehmen
Vnesheconombank Institute: „World Economy and Markets Review“; 04.02.2022
Für einen „kombinierten Index“ der Bereiche „Verarbeitendes Gewerbe“ und „Dienstleistungsunternehmen“ ermittelte IHS Markit im Januar einen Anstieg von 50,2 Punkten auf 50,3 Punkte.
Zentralbank: 2021 könnte die Wirtschaft um über 5 Prozent gewachsen sein
In ihrer offiziellen mittelfristigen Prognose vom 22. Oktober 2021 erwartet die russische Zentralbank, dass im Jahr 2021 ein Wirtschaftswachstum von 4,0 bis 4,5 Prozent erreicht wurde.
In einer in der letzten Woche veröffentlichten Studie der Volkswirtschaftlichen Abteilung der russischen Zentralbank zu aktuellen Trends der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Talking Trends“; engl. Summary), wird aber die Vermutung geäußert, dass das Wachstum höher als 4,5 Prozent gewesen sein könnte. Im Endergebnis könnte sich, so die Studie, sogar herausstellen, dass Russlands Bruttoinlandsprodukt 2021 um mehr als 5 Prozent gewachsen ist (PDF, Seite 12). Das berichten u.a. auch die Nachrichtenagenturen TASS und Interfax.
In den ersten drei Quartalen sei das Bruttoinlandsprodukt bereits 4,6 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum gewesen, vermerkt die Studie. Gleichzeitig signalisiere die Entwicklung des Indexes der Produktion der Basisindustrien eine Beschleunigung der jährlichen Wachstumsrate im vierten Quartal,
Für eine Aufwärtsrevision der bisherigen Schätzung des Wirtschaftswachstums spricht laut der Studie der Zentralbank unter anderem auch, dass der für das Jahr 2021 ermittelte Anstieg des Stromverbrauchs mit 5,5 Prozent höher sei als die aktuelle Schätzung für das Wirtschaftswachstum (+ 4,5 Prozent). In der Regel steige der Stromverbrauch in volkswirtschaftlichen Wachstumsphasen aber schwächer als die gesamtwirtschaftliche Produktion.
Konjunkturumfrage: Das Wirtschaftswachstum sinkt 2022 von 4,4 auf 2,4 Prozent
Im Vorfeld ihrer nächsten Leitzinsentscheidung am 11. Februar veröffentlichte die Zentralbank am 03. Februar die Ergebnisse einer Konjunkturumfrage bei 34 russischen und ausländischen Banken und Forschungsinstituten.
Die Einschätzung des Wirtschaftswachstums im Jahr 2022 hat sich trotz der Eskalation der Ukraine-Krise nicht verändert. Bei der Ende Januar durchgeführten Umfrage wird im Mittelwert wie bei der letzten Umfrage Anfang Dezember für das Jahr 2022 ein Rückgang der Wachstumsrate auf 2,4 Prozent erwartet. Das im Jahr 2021 erreichte Wirtschaftswachstum wird jetzt auf 4,4 Prozent geschätzt (bisher: + 4,3 Prozent).
2023 wird jetzt ein etwas stärkeres BIP-Wachstum (+ 2,1 Prozent) als bisher erwartet (+ 2,0 Prozent).
Die Inflationsrate sinkt Ende 2022 lediglich auf 5,5 Prozent
Deutlich erhöht hat sich in der Zentralbank-Umfrage die Prognose für den jährlichen Anstieg der Verbraucherpreise (der Ende Januar auf 8,8 Prozent anzog) Bisher rechneten die befragten Banken und Forschungsinstitute damit, dass die Inflationsrate im Dezember 2022 nur noch 4,8 Prozent erreicht. Jetzt erwarten sie nur noch einen Rückgang des Anstiegs der Verbraucherpreise auf 5,5 Prozent. Für das Jahresende 2023 gehen sie weiterhin davon aus, dass die russische Zentralbank ihr Inflationsziel von 4,0 Prozent erreicht.
Der Leitzins der Zentralbank (derzeit noch 8,5 Prozent) wird nach Einschätzung der Analysten im Jahresdurchschnitt 2022 auf 9,1 Prozent steigen und 2023 noch 7,3 Prozent betragen.
Ostexperte.de-Artikel zu Konjunktur und Wirtschaftspolitik in Russland von Klaus Dormann:
- wiiw-Prognose: Sanktionsgefahr wird Wachstum bremsen; 31.01.2022
- Stark gestiegene Öl- und Gaspreise trieben die Exporterlöse 2021 nach oben; 24.01.2022
- Gaidar-Forum 2022: Hauptthema Inflation; 17.01.2022
Wie stark flaut Russlands Wirtschaftswachstum 2022 und 2023 ab? 10.01.2022
Weitere Lesetipps und Quellen im PDF-Dokument, unter anderem zu:
- Was das Oxford Institute for Energy Studies zum EU-Gasmarkt schreibt und sagt
- O-Ton Gerhard Schröder: Zu Nord Stream 2, zum „Säbelrasseln in der Ukraine“ und zu China
- Warum Thomas Kohlmorgen (Deutsche Welle) eine riskante Abhängigkeit von Putins Gas sieht
- RND: Habeck will Abhängigkeit von russischem Gas verringern
- Capital.de fragt Wie wichtig ist Russland für die deutsche Wirtschaft?