Morgenkommentar am 2. März 2017

Heute vor genau 100 Jahren, am 2. März 1917 nach dem gregorianischen Kalender, unterzeichnete der russische Zar Nikolai II die Abdankungsurkunde zugunsten seines Sohnes Alexej. Der Zarewitsch seinerseits verzichtete am nächsten Tag auf den Thron. Es war der Beginn vom Ende vierer Imperien in rascher Folge: des russischen, des deutschen, des österreichisch-ungarischen und des osmanischen. Der Beginn eines Jahrhunderts, in dem sich Pöbel und Bürgertum um die Macht stritten, bis an seinem Ende ein neuer Zustand namens Massendemokratie die europäische Gesellschaft dem Vergessen überantwortete.

Wenn der russische Außenminister Sergej Lawrow heute vom post-westlichen Zeitalter spricht – am heutigen Nachmittag vor 100 Jahren im kaiserlichen Eisenbahnwaggon auf den Gleisen der westrussischen Stadt Pskow, deutsch Pleskau, wurde der Grundstein dafür gelegt.

Seit den Anfängen in der Spätantike waren die Stammesfürstentümer, später die Monarchien und noch später die Imperien das strukturgebende Element der europäischen Ordnung gewesen. Ab dem 16. Jahrhundert eroberte die europäische Zivilisation die Welt, die Wissenschaft und die Technik. Der Höhepunkt der Blüte europäischer Kultur um 1900 übertraf alles, was die Hochkulturen der Menschheit in den Jahrtausenden zuvor zustandegebracht hatten.

Trotz aller Brüche gelang es den westeuropäischen Ländern Jahrzehnte nach dem Ende der Monarchien,  sich funktionierende Selbstverwaltungen namens Demokratie zu schaffen. In Zentralasien wurde das dynastische Prinzip weitgehend restauriert. Russland hadert noch mit dem partiellen Unvermögen, den Übergang der Macht ohne erbliche Legitimation zur Routine zu machen. Doch ein Zurück gibt es nicht. Die post-europäische Welt ist längst Realität.