Kolumne: Der steinige Weg nach Europa

Kolumne: Der steinige Weg nach Europa

Im Zwei-Wochen-Rhythmus veröffentlicht der „Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft“ eine Kolumne auf Ostexperte.de. 


„Günstiger, flexibler, moderner“

„Wir sind die besten und scheuen uns nicht, das zu sagen“, zeigt sich der Präsident der russischen Firma Transportnyje Sistemy vom eigenen Produkt und der Wettbewerbsfähigkeit überzeugt. Und schiebt gleich noch eine Kampfansage hinterher: „Günstiger, flexibler und moderner als jeder andere Hersteller sind wir auch.“

Das Unternehmen produziert Straßenbahnen und Elektrobusse und will mit Macht auf den europäischen Markt. In einigen Emerging Markets hat man sich bereits etabliert. Aber wirklich auf dem Weltmarkt angekommen ist die Firma im eigenen Selbstverständnis erst, wenn sie sich mit den Herstellern aus Europa und insbesondere mit den deutschen messen kann.

Deshalb hat die Firma auch keine Mühen und Kosten gescheut, um auf der Innotrans, der größten Fachmesse der Welt für Verkehrs- und Bahntechnik in Berlin, zwei unterschiedliche Straßenbahnen auszustellen. Hochmodern, gut verarbeitet und mit jeder Menge Gimmicks für den Fahrgast. Ob das allerdings reicht, um hierzulande ernsthaft um Marktanteile zu kämpfen, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen.

Erfolg kommt über kulturelles Verständnis

Die Wettbewerber lassen nicht lange auf sich warten. Der Stand ist am äußersten Rand der Halle, und direkt neben Skoda platziert, einem europäischen Straßenbahnhersteller. Auch alle anderen Großen sind hier vertreten: Bombardier, Siemens, Alstom, Stadler, Hitachi aus Japan und natürlich CRRC aus China. „Wir sind noch in einer Unternehmensgröße, die den direkten Kontakt zum Kunden und das Eingehen auf individuelle Wünsche zulässt. Die Global Player können das nicht“, umschreibt der Präsident seine Marktsicht.

Einerseits bewundere ich den Mut und die Entschlossenheit vieler russischer Unternehmer. Denn Transportnyje Sistemy ist nicht die einzige Firma, die versucht im stark umkämpften europäischen Markt Fuß zu fassen. Andererseits empfehle ich jedem deutschen Unternehmen, sich auf die Mentalität und die so genannten kulturellen Unterschiede in Russland einzulassen, um erfolgreich zu sein.

Dafür müssen die Russen unbedingt ein Gespür entwickeln, denn ein deutscher kommunaler Einkäufer oder der Vertreter einer Betreibergesellschaft lässt sich vom besonders forschen Auftreten nicht unbedingt überzeugen. Der fragt nach Zulassung, Konformitätsbescheinigung, Anschaffungskosten, Life Cycle Costs, Wartungsintervallen und einem Vor-Ort-Service. Und Zulassungsverfahren dauern in Deutschland gern mal lang. Die Zulassung des ICE 4 hat fast sechs Jahre gebraucht.

Märkte ordnen sich neu

Trotzdem ist der Zeitpunkt günstig. Da augenblicklich jeder jeden sanktioniert und/oder mit Straf- oder Sonderzöllen belegt, werden die Märkte kräftig durchgeschüttelt und ordnen sich neu. Außerdem begünstigt der schwache Rubel, der in den letzten beiden Monaten noch einmal kräftig nachgegeben hat, russische Exporte. So könnte der Preis tatsächlich ein herausragendes Argument für russische Importe werden. Und da diese Entwicklung dem russischen Staat hilft sei Budget im Gleichgewicht zu halten, ist mit einer baldigen Änderung auch nicht zu rechnen.

Wie kriege ich ein deutsches Konto?

Allerdings tut sich auf dem Weg nach Deutschland ein Problem ganz anderer Natur auf. Um in Deutschland operativ tätig sein zu können, braucht man ein deutsches Konto. Das zu bekommen erweist sich für ein russisches Unternehmen allerdings als durchaus schwierig. Oberflächlich betrachtet scheint es, dass die Institute sehr zurückhaltend sind, wenn es um russische Kunden geht. Aber es ist eher ein wirtschaftliches als ein mentales Problem.

„Die Prüfung russischer Kunden bedeutet sehr viel mehr Aufwand und rechnet sich unter dem Strich oft nicht“, erklärt mir Borislav Ivanov-Blankenburg, der CEO der Deutschen Bank in Russland. So geht es den Firmen Ilim Timber, einem Holzhersteller aus St. Petersburg mit einer Produktion in Deutschland und der Dimet Group, einem Hersteller von Spezialhebezeugen. Beide agieren schon erfolgreich in Deutschland, würden aber gern noch intensiver in den Markt einsteigen, wenn sie ihre Geschäfte ganz normal über ein deutsches Konto abwickeln könnten.

Der Welthandel bezahlt in US-Dollar

Russische Firmen empfinden diesen Zustand – zu Recht oder zu Unrecht – als Diskriminierung. Allerdings ist das Problem viel größer, vielschichtiger und betrifft bei weitem nicht nur Russland. Etwa 75 Prozent des Welthandels wird in der Leitwährung US-Dollar abgewickelt. Das gilt besonders für Verträge im Bereich Öl, Gas, Kohle, Rohstoffe allgemein. Aber auch für ganz normale Handelsverträge und den internationalen Kapitalmarkt. Am Beispiel des Iran wird deutlich wie verflochten internationale Kreditinstitute mittlerweile sind.

Nach der Einführung der neuen amerikanischen Sanktionen mussten europäische Banken sehr genau abwägen, ob sie sich – trotz zugesagter Unterstützung durch die EU – immer noch an der Finanzierung von Geschäften im Iran beteiligen. Denn im schlimmsten Fall verlieren sie den Zugang zum amerikanischen Kapitalmarkt, der Supergau für eine international aufgestellte Bank.

Stärkt den Euro

Der Iran ist der Iran. Ein Geschäft in Europa könnte man in Euro abwickeln, ohne von den Auswirkungen des US-Dollar betroffen zu sein. Im Einzelfall würde das sogar funktionieren. Um ein Gegenwicht zum US-Dollar zu bilden, müsste die europäische Gemeinschaftswährung allerdings deutlich an Bedeutung gewinnen. Die Europäische Kommission will das und hat dafür extra eine Kommission eingesetzt.

Jean-Claude Juncker, der Präsident hat in seiner jüngsten Rede eine Stärkung des Euro ganz vehement eingefordert. Die Europäische Zentralbank verhält sich neutral. Die deutschen Unternehmen, die überdurchschnittlich viel exportieren, dürften eher skeptisch sein. Ihre Befürchtung ist, dass mit einem Bedeutungszuwachs der Währung auch ihr Wert deutlich stiege und deutsche Exporte deutlich teurer würden.

Und dann ist da noch die Frage nach der gemeinsamen Haftung. Um den Euro wirklich als alternatives internationales Zahlungsmittel zu etablieren, müssten die Euro-Länder gemeinsam haften. Eine Vorstellung die deutschen Steuerzahlern und Politikern Schauer über den Rücken jagt.

Man kann nicht alles haben

Und so wird sich die Frage, ob Transportnyje Sistemy auf dem europäischen Markt erfolgreich sein kann auch am Willen der Deutschen zu Veränderung entscheiden. Denn eine Währung, die den deutschen Exporteuren hilft, gleichzeitig als internationales Zahlungsmittel vermehrt zum Einsatz kommt, den US-Dollar in bestimmten Bereichen ablöst und dem Sparer seine Einlagen und Zinsen sichert, die gibt es nicht. Mahatma Gandhi wusste: „Du musst selbst zu der Veränderung werden, die du in der Welt sehen willst.“ Warten wir mal ab, ob wir zu einem solchen Wandel fähig sind.


Jens Böhlmann, Leiter Kontaktstelle Mittelstand für Russland beim Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Foto: zVg
Jens Böhlmann, Leiter Kontaktstelle Mittelstand
im Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

Die Kontaktstelle Mittelstand ist eine Initiative zur Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen im Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Sie nahm im Mai 2013 ihre Arbeit auf. Ziel der Kontaktstelle ist die Unterstützung deutscher mittelständischer Unternehmen, die einen Markteintritt oder den Ausbau ihrer Geschäftsaktivitäten in den durch den Ost-Ausschuss vertretenen Ländern, insbesondere jedoch in Russland planen.

Anfragen richten Sie bitte an: j.boehlmann@bdi.eu