Interview Siemens Russland-Chef
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Siemens Russland-Chef: „Europa ist nur mit Russland ein Global Player“

Dietrich Möller im Vedomosti-Interview: Sind bereit zu deutsch-russisch-chinesischer Kooperation

Der Präsident von Siemens OOO Rus, Dr. Dietrich Möller, hat der russischen Wirtschaftszeitung Vedomosti ein ausführliches Interview gegeben – auf Russisch, betont die Zeitung. Darin ging es vor allem um das Thema Importsubstitution, um die wirtschaftlichen Aussichten von Siemens in Russland, mögliche deutsch-chinesisch-russische Kooperationen und um das Verhältnis von Europa und Russland. Wir haben das Interview für Sie auf Deutsch zusammengefasst. 

40 Prozent dessen, was Siemens in Russland verkaufe, sei lokal produziert, erklärte Möller im Vedomosti-Interview am 26. April. Und dieser Anteil steige. Dafür sei nicht nur das Importsubstitutionsprogramm verantwortlich. Der Schritt hin zu lokaler Produktion sei mit teurer werdenden Importen und wettbewerbsfähigerer Produktion in Russland eine wirtschaftliche Notwendigkeit.

[blockquote pull=“right“ align=“left“ attributed_to=““ attributed_to_url=“{{attributed_to_url}}“]“Siemens hat schon seit dem 19. Jahrhundert mit Importsubstitution zu tun“[/blockquote]Mit Importsubstitution sei man in Russland zudem schon seit dem 19. Jahrhundert beschäftigt, scherzte Möller im Hinblick auf die 160-jährige Geschichte des Unternehmens in Russland. Man versuche immer Teil der lokalen Wirtschaft zu sein.

Dr. Dietrich Möller, Präsident Siemens OOO Rus
Der Russland-Chef von Siemens: Dr. Dietrich Möller.

Möller, laut Vedomosti nach 10 Jahren Arbeit in Russland bereits „russifiziert“, äußerte zwar Verständnis für das Importsubstitutionprogramm mit lokaler Produktion und neugeschaffenen Arbeitsplätzen, globale Unternehmen seien jedoch immer gegen jegliche Einschränkungen. Verschiedene Länder hätten unterschiedliche Arten von Protektionismus. Die Weltwirtschaft lebe jedoch vom Austausch von Technologie, Wissen und Know-How. Jede Einschränkung eines gesunden Wettbewerbs verlangsame das Innovationstempo. „Auf einer einsamen Insel der globalen Innovation voraus sein – das ist schwierig.“

Bereit zu deutsch-russisch-chinesischer Kooperation

Von den beiden bekanntesten Siemens-Produkten in Russland, Turbinen und Schnellzügen, machten die Turbinen keine Schwierigkeiten. Hier sei und bleibe die Nachfrage groß. Beim Hochgeschwindigkeitszug Sapsan (im Titelbild zu sehen) hingegen, dem russischen ICE, nehme die chinesische Konkurrenz zu. Die russische Eisenbahngesellschaft RSchD verhandele nun mit chinesischen Herstellern, statt mit den langjährigen deutschen Partnern über Züge für die Schnellstrecke Moskau-Kasan.

Siemens gebe jedoch nicht auf und sei auch zu einer deutsch-russisch-chinesischen Partnerschaft bereit. Konkrete Pläne für eine trilaterale Zusammenarbeit gebe es zwar nicht, aber sie würden die Arbeit „auf eine neues Qualitätsniveau“ heben. 80 Prozent des Projekts bestehe ohnehin aus Schienen und Brücken – das baue Siemens nicht. Die Züge und Elektrifizierung und dergleichen wolle Siemens aber übernehmen. Diese Fragen würden derzeit mit der RSchD diskutiert.

Siemens könne für Russland einen innovativen „Sapsan 2“ bauen und sei zu Investitionen in Höhe von zwei Milliarden Euro bereit – in einem Konsortium aus unter anderem: Deutscher Bahn, Strabag und Vossloh, sagte Möller.

Umsatzrückgang vor allem wegen allgemeiner Wirtschaftslage in Russland

In Bezug auf Russland sei die Lage schwierig, obwohl Siemens global gesehen nicht schlecht dastehe – das Unternehmen sei finanziell stabil, wachse und sei innovativ. „Natürlich ist die russische Wirtschaft momentan in der Krise und ich kann leider nicht sagen, dass es unser Geschäft nicht beeinträchtigt. Wir erleben einen Umsatzrückgang – nicht wegen der Sanktionen, sondern aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Lage.“ Es gebe weniger Investitionen und geringere Budgets. Siemens sei als Infrastruktur-Unternehmen in den Bereichen Energie, Verkehr und Industrie tätig – und diese Bereiche basierten auf Investitionen, sagte Möller.

Lieferungen und Verträge seien von den Sanktionen nicht beeinflusst worden. Er merke aber, dass vor allem die Finanz-Sanktionen die Siemens-Kunden belasteten.

Russland sei für Deutschland mehr als nur ein Markt: „Europa und Russland sind natürlich Partner“. Russland habe endlose Reserven an Mineralien, Öl und Gas und einen großen Bedarf an der Entwicklung von Technologie und der Industrie. Europa habe die Rohstoffe nicht, aber die Technologie, sagte Möller.

„Europa ohne Russland ist kein Global Player. Europa plus Russland schon.“

Wir freuen uns auf Ihre Kommentare (dieser Link bringt Sie hin)! Was sagen Sie zu den Äußerungen Möllers? Ist eine deutsch-russisch-chinesische Partnerschaft sinnvoll und realistisch? Ist Europa ohne Russland kein Global Player?


In diesem Video von Vedomosti können Sie Dietrich Möller übrigens auch Russisch sprechen sehen und hören:

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[toggle title=“Fotoquelle“ open=“yes“] Quellen:

Bild von Dietrich Möller: Presseabteilung Siemens AG, Munich/Berlin: www.siemens.com/press

Bild eines Sapsan-Zuges im Siemensdepot bei St.Petersburg: Presseabteilung Siemens AG, Munich/Berlin: http://www.siemens.com/press/photo/SOAXX201310-01e[/su_spoiler]

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6 Kommentare

  1. In einer Zeit, in der wir im Verhältnis der EU zu unseren Grundwerten stehen und die völkerrechtswidrigen Aktionen Russlands ahnden, wird natürlich auch das geschäftliche Verhältnis vor allem mit Staatsfirmen getrübt. Aber wie schon nach der Perestroika sich die russischen Partner für ihren internationalen Partner entschieden, so ist nun auch die chinesische Seite am Zug. Als einzigste hat China sich dem Risiko gestellt, eine Hochgeschwindigkeitsstrecke nicht nur zu bauen, sondern auch zu investieren. Hierdurch entsteht zusammen mit RZD ein Wahlrecht. Ernüchtert muss man feststellen, dass es nicht die Wahl von Siemens oder ALSTOM ist, hier ausgewählt zu werden, sondern von RZD und dem russischen Partnern aufgrund der Tendenz des BUY RUSSIAN zusammen mit den neuen Partnern aus Fernost. Lokalisierung war schon ein notwendiges Übel, nun folgt die weitere Deklassierung, denn CRRC mit mehr als 1000 Hochgeschwindkeitszügen braucht den „grossen“ Partner Siemens nicht mehr. Vor allem da in Russland eher ein schnellerer RegionalExpress realisiert werden wird und keine wahre Hochgeschwindigkeit. Natürlich wäre es toll dabei zu sein, aber brauchen tut das Europa nicht, Herr Dr Möller. Der Bahnmarkt boomt und andere Regionale Märkte übertreffen Russland in Ambitionen und vor allem Zahlungsfähigkeit und -treue. Hieran fehlt es und das werden die Chinesen auch noch entdecken.

  2. Noch in Zeiten des Kalten Krieges wusste man auch im Osten zu unterscheiden zwischen dem sog. „Weißen Sektor“ der Industrie und dem, was Ike Eisenhauer den Militärisch-Industriellen Komplex (MIK) nannte. Die Interessen des „Weißen Sektor“ (Investitions- und Konsumgüter im weitesten Sinne) wurden dabei immer als friedensstabilisierend angesehen. Dass SIEMENS als Weltkonzern seine „Brötchen“ keineswegs vorrangig in Russland verdient, ist auch keine Überraschung. Dass aber SIEMENS – hier Herr Dr. Möller – durchaus versteht, dass Europa und Russland auch aus Kapitalsicht eine „Wunschhochzeit“ wären (Technologie hie und Rohstoffe da) lässt hoffen. Allerdings ist schon bemerkenswert, dass im souveränen Deutschland die Interessen des US-amerikanisch dominierten globalen MIK deutlich stärker sind als die Kapitalinteressen des „Weißen Sektors“. Wie das ausgeht, ist noch längst nicht entschieden.

  3. Herr Dr. Möller ist Realist und letztendlich zählt das reine busssines,dass allen nützlich ist, hier und dort.
    Und dumme, transatlantische Politiker, habe sowieso nur Schaden angerichtet. Kompliment Herr Dr. Müller.

  4. Ich traue meinen Ohren nicht: was Herr Dr. Möller sagt, geht in Richtung Neuer Seidenstrasse, eines gemeinsamen Wirtschaftsraums von Lissabon bis Wladiwostok + China. Das ist völlig richtig! Nur wollen das die Transatlantiker nicht, um Europa und Russland klein zu halten. Wünschen wir Herrn Dr. Möller und Siemens viel Kraft, damit sie die richtige Strategie auch gegen Widerstände durchsetzen.

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