Die ständige Betriebsstätte in Russland

Die Gründung von Betriebsstätten durch ausländische Firmen in Russland hat – relativ gesehen – zugenommen. Dies hat auch mit den Sanktionen und den Bestrebungen Russlands zur Importsubstitution zu tun. Um ausländische Importe durch russische Waren ersetzen zu können, müssen die dafür notwendigen Produktionsanlagen im Land errichtet oder falls schon vorhanden, modernisiert werden. Dabei ist vor allem die ausländische Maschinenbautechnologie sehr gefragt. Die Montage dieser Industrieanlagen erfolgt häufig über mehrere Monate. Wie das mit der Entstehung der ausländischen Betriebsstätte in Russland zu tun hat und auf was Sie dabei achten sollten, das erfahren Sie in diesem Beitrag.

Zunächst sollen anhand von zwei Beispielen die Antworten auf folgende Fragen gegeben werden:

  • Welches sind die Voraussetzungen, die zur Entstehung einer Ständigen Betriebsstätte in Russland führen?
  • Muss ich mich bei den Steuerbehörden in Russland registrieren?
  • Brauche ich für meine ausländischen Arbeitskräfte eine Arbeitserlaubnis oder ein Arbeitsvisum in Russland?
  • Welche Regeln zu Einkommenssteuer und Sozialversicherungsabgaben bestehen?

Anschließend erfolgt eine genauere Erörterung der für die ständige Betriebsstätte zentralen Begriffe und Themen.

Beispiel 1
Ein russisches Unternehmen beauftragt eine deutsche Gesellschaft mit einer Dienstleistung. Die Dienstleistung wird in Russland durch eine deutschen Mitarbeiter der deutschen Gesellschaft erbracht. Die Dauer der Tätigkeit in Russland beträgt zwei Wochen.

Weil die Dauer der Tätigkeit in Russland 30 Tage unterschreitet:

  • kommt es nicht zur Entstehung einer ständigen Betriebsstätte in Russland und
  • es resultiert keine Pflicht zur Anmeldung bei den russischen Steuerbehörden.

Die Tätigkeit beträgt weniger als 30 Tage und kann deswegen als einmaliger Geschäftsvorfall behandelt werden. Für den deutschen Mitarbeiter ist keine Arbeitserlaubnis und kein Arbeitsvisum notwendig. Der deutsche Mitarbeiter kann sich als Dienstreisender mit Geschäftsvisum im Lande aufhalten. Dabei unterliegt das Einkommen des Mitarbeiters nicht der russischen Besteuerung. Der Mitarbeiter gilt weiterhin als eine in Deutschland ansässige und dort steuerpflichtige Person. Alle Bedingungen des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) zwischen Deutschland und Russland sind erfüllt. Also:

  • А) Der Mitarbeiter befindet sich weniger als 183 Tage im Jahr im Russland,
  • В) Die Vergütungen werden von einem Arbeitgeber ausbezahlt , der nicht in Russland ansässig ist. Und
  • C) die Vergütungen werden nicht von einer Betriebsstätte in Russland getragen.

Weiterhin fallen für den Mitarbeiter keine Abgaben und Beiträge für Sozialversicherung und Betriebsunfallversicherung an.

Beispiel 2
Eine deutsche Gesellschaft schließt mit drei verschiedenen russischen Unternehmen aus drei verschiedenen Verwaltungsbezirken drei verschiedene Verträge. Die in den Verträge vereinbarten Dienstleistungen werden von drei deutschen Mitarbeitern der deutschen Gesellschaft erbracht. Die Gesamtdauer in der die Dienstleistungen erbracht werden, beträgt sechs Monate.

Weil die Tätigkeit in Russland mehr als 30 Tage beträgt,

  • besteht die Pflicht zur Anmeldung bei den russischen Steuerbehörden. Die Gesellschaft muss sich in jedem Verwaltungsbezirk anmelden, in welchem sie Tätigkeiten ausführt. In diesem Beispiel also in allen dreien.
  • begründet die Tätigkeit das entstehen einer ständigen Betriebsstätte. Abrechnung und Bezahlung der Gewinnsteuer erfolgen am Ort der Registrierung im jeweiligen Verwaltungsbezirk.

In diesem Falle benötigt der deutsche Mitarbeiter eine Arbeitserlaubnis und ein Arbeitsvisum. Die genannten Bedinungen des deutsch-russischen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) sind in diesem Falle nicht erfüllt und auf die Vergütung des Mitarbeiters, welcher sich weniger als 183 Tage im Jahr in Russland aufhält (Steuer-Nicht-Resident), muss russische Einkommenssteuer in Höhe von 30% gezahlt werden (Punkt 3 Artikel 224 des russischen Steuergesetzbuches). Die Einkünfte, die in Russland versteuert werden, werden von der deutschen Steuer freigestellt. Abgaben und Beiträge für Sozialversicherungssteuer und Betriebsunfallversicherung fallen für nicht-russische Mitarbeiter nicht an.

Ende der Beispiele

Grundsätzlich gilt, dass ausländische Unternehmen verpflichtet sind, sich innerhalb von 30 Kalendertagen ab Beginn der Tätigkeiten vor Ort in Russland steuerlich anzumelden, wenn sie die Tätigkeit über eine Repräsentanz, Filiale bzw. sonstige Außenstelle ausführen. Die Gründung einer Betriebsstätte ist begründet, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 306 SteuerGB und Art. 5 DBA):

  • Vorliegen einer festen Geschäftseinrichtung in Russland;
  • Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit durch diese feste Geschäftseinrichtung;
  • regelmäßige tatsächliche Ausübung der o.g. Tätigkeit (30 Tage-Regel).

Entscheidend ist meistens die 30 Tage-Regel. Ist das Unternehmen kumuliert an 30 Tagen im Kalenderjahr in Russland bzw. ist geplant mindestens 30 Tage in Russland geschäftstätig zu sein, so ist die Gründung einer Betriebsstätte erforderlich.

Die Gründung einer Betriebsstätte bedeutet die Pflicht zur Abführung von Gewinnsteuern und weiteren Steuern in Russland. Dem entsprechend ist auch die Erstellung und Einreichung einer Steuererklärung bei den russischen Steuerbehörden erforderlich.

Sonderstellung von Baustellen und Montagen als Betriebsstätten

Bei Baustellen und Montagen liegt eine Sonderstellung vor, die es zu beachten gilt. Bei Montagetätigkeiten ist es wichtig zu überprüfen, ob eine Baustelle im steuerlichen Sinne begründet wird. Eine Baustelle oder Montage durch eine deutsche, österreichische oder schweizerischen Gesellschaft bilden nur dann eine Betriebsstätte, wenn die Dauer einer solchen Tätigkeit in Russland die Frist von 12 Monaten überschreitet (Art. 5 Abs. 3 des österreichisch-russischen Doppelbesteuerungsabkommens vom 13. April 2000 (Link) bzw. des deutsch-russischen Doppelbesteuerungsabkommens vom 29. Mai 1996 (Link), bzw. des schweizer-russischen Doppelbesteuerungsabkommen vom 15. November 1995 (Link)). Innerhalb dieser Frist führt die Tätigkeit einer Gesellschaft aus diesen Ländern auf einer Baustelle in Russland nicht zur Begründung einer Betriebsstätte, so dass auch keine Pflicht zur Abführung der russischen Gewinnsteuer innerhalb der genannten Fristen entsteht.

Der Begriff Baustelle bzw. Montage wurde in den DBA der drei obigen Länder mit Russland nicht weiter definiert. Daher wird hier die Definition des russischen Steuerrechts (Art. 308 Abs. 1 SteuerGB) verwendet. Danach definiert sich eine Baustelle einer ausländischen Gesellschaft in Russland mit einem dieser Punkte:

  • ein Ort der Errichtung neuer Immobilienobjekte sowie der Ort, an dem bestehende Immobilienobjekte saniert, erweitert, technisch neu ausgerüstet und/oder instand gesetzt werden;
  • ein Ort der Errichtung und/oder Montage, Instandsetzung, Sanierung, Erweiterung und/oder technischen Neuausrüstung von Anlagen, einschließlich schwimmender Anlagen und Bohrinseln, sowie Maschinen und Einrichtungen, die zu ihrem normalen Betrieb einer festen Verankerung im Fundament oder in Konstruktionselementen des Gebäudes, der Anlagen oder schwimmenden Anlagen bedürfen.

Als keine Baustelle bzw. Montage werden folgende Tätigkeiten angesehen:

  • Bauaufsicht und Kontrolle allein ohne Bau- bzw. Montagetätigkeit
  • Laufende Reparaturen, Verlegung von Telefonkabeln in Schächten
  • Montage von Anlagen, die keine Befestigung zum Boden für deren Funktionieren erfordern

Wichtig bei der Begründung einer Betriebsstätte in Russland ist die Dauer von 12 Monaten als Bauzeit. Bei der Ermittlung der Baustellendauer ist zu beachten, dass die Dauer der Arbeiten von Subunternehmen auf der Baustelle der Gesamtdauer des Hauptauftragnehmers zugerechnet wird.

Als Beginn einer Baustelle wird wie folgt definiert: Datum des Protokolls der Übergabe der Baustelle oder tatsächlicher Beginn der Arbeiten auf der Baustelle.

Das Ende einer Baustellen wird wie folgt definiert: Datum der Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls durch Bauherrn bzw. technischen Auftraggeber bzw. Generalunternehmer bei Subunternehmern sowie möglicherweise der tatsächlicher Abschluss von Arbeiten, wenn kein Abnahmeprotokolle erstellt wird oder bei Arbeiten nach dem Abnahmeprotokoll.

Zur Bauzeit werden folgende Tätigkeiten hinzugerechnet.

  • alle Vorbereitungs-, Bau- bzw. Montagearbeiten, inkl. Bau von Zufahrtswegen, Versorgungsinfrastruktur, elektrischen Leitungen, Entwässerungsanlagen;
  • Arbeiten von Subunternehmern;
  • Wiederaufnahme und Fortsetzung der Arbeiten in bestimmten Fällen
  • Bau von Straßen, Leitungen, Kanälen, Verlegung von Infrastrukturleitungen wird als Arbeiten auf einer Baustelle betrachtet

Besteuerung der Betriebsstätte und Eröffnung des Bankkontos

Die Eröffnung eines Bankkontos ist für eine Betriebsstätte in Russland nicht gesetzlich vorgeschrieben und in den meisten Fällen zu Beginn der Aktivitäten in Russland noch nicht notwendig. Spätestens ab dem Zeitpunkt einsetzender Geschäftsaktivität und erster zu versteuernder Umsätze, sollte man aber über die Eröffnung des Geschäftskontos in Rubel bei eine in Russland ansässigen Bank nachdenken. Folgend möchten wir den Ablauf der Besteuerung beispielhaft darstellen:

Option 1 – Ohne Betriebsstätte

Das russische Kundenunternehmen bezahlt das deutsche Lieferantenunternehmen, welches nicht als Steuerzahler in Russland registriert ist, für die erbrachten Leistungen. Da das deutsche Lieferantenunternehmen in diesem Falle steuerlich nicht in Russland registriert ist, muss das russische Kundenunternehmen als sogenannter Steueragent für das deutsche Unternehmen agieren und die fällige Mehrwertsteuer an den russischen Fiskus zahlen.

Option 2 – Mit Betriebsstätte

Mit der Begründung der Betriebsstätte erfolgt auch die steurliche Registrierung in Russland. Ab diesem Zeitpunkt ist die Betriebsstätte registrierter Steuerzahler in Russland. Die in der Rechnung für die erbrachten Leistungen enthaltene russische Mehrwertsteuer ist in diesem Falle direkt von der Betriebsstätte abzuführen. Auch wenn der russische Kunde direkt nach Deutschland bezahlt, wird empfohlen, dass die Betriebsstätte, statt des Steueragenten die russische Mehrwertsteuer an den russischen Fiskus überweist.

Zum Ende eines jeden Quartals hat das ausländische Mutterunternehmen die Einnahmen und Ausgaben, in Verbindung mit den Mehrwertsteuern, die im Zusammenhang mit der Betriebsstätte angefallen sind, zu ermitteln und das Ergebnis an die Buchhaltung der Betriebsstätte zu übermitteln. Anhand dieser Grundlage errechnet die Betriebsstätte die zu bezahlenden Steuern (Mehrwertsteuer, Gewinnsteuer etc.) und reicht die entsprechenden Steuererklärung bei den russischen Steuerbehörden ein.

Die zu entrichtenden Steuern an den russischen Staat sollten nur in Rubel und nur durch den Steuerzahler (Betriebsstätte) bezahlt werden. Aus praktischen Erwägungen bei der Kommunikation mit den russischen Steuerbehörden, um Fehlüberweisungen bzw. Mißverständnisse zwischen Sender und Empfänger der Steuerzahlungen zu vermeiden und um eine eindeutige Zuordnung der Zahlung auf Seiten der Steuerbehörden zu gewährleisten, wird davon abgeraten, Steuerzahlungen direkt von einem deutschen Konto an das Konto des russischen Fiskus zu senden. Es wird vielmehr wärmstens empfohlen 1) für derartige Steuerzahlungen ein Rubelkonto bei einer in Russland ansässigen Bank zu führen und 2) einen lokalen Buchhalter oder qualifizierten Experten zur Hand zu haben, der a) die Überweisungen im Online-Banking fehlerfrei vorbereiten und b) auf Rückfragen der Steuerbehörden schnell und qualifiziert antworten kann. Die sehr formalistischen Überweisungsformulare im russischen Bankverkehr, das Stichwort Währungskontrolle und die regelmäßig auf Seiten des russischen Steueramts auftretenden Fehler bei der eindeutigen Zuordnung der Steuerzahlungen seinen hier nur beispielhaft genannt.

Wenn es bei der Steuerzahlung nur um eine einzige oder sehr wenige Überweisungen geht, nur dann ist die Bezahlung der Steuern direkt von einem deutschen Konto an den russischen Fiskus zu empfehlen. Aber auch dabei ist darauf zu achten, dass a) der Verwendungszweck den Anforderungen des russischen Steueramts genau entsprechend und korrekt ausgefüllt wird und b) dass nach der Überweisung überprüft wird ob die Zahlung auch bei der richtigen Stelle beim Steueramt angekommen ist. Bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachkontrolle der Überweisung vom deutschen Konto an den russischen Fiskus, ist die Unterstützung durch einen russischen Buchhalter oder Steuerexperten unerläßlich und unbedingt zu empfehlen.

Weiterführende Informationen zur Unternehmensgründung in Russland finden Sie auch in weiteren Beiträgen auf Ostexperte, zum Beispiel: Firmengründung in Russland: „OOO“ – Die russische GmbH Teil 1 von 2.

Bei allen weiteren Fragen zu diesen und weiteren relevanten Themen, helfen die Experten von RUFIL CONSULTING in Moskau gerne weiter.


Autor: Philipp Rowe, RUFIL CONSULTING

Quellen:
www.springerprofessional.de

www.ostexperte.de

www.russland.ahk.de