Ost-Ausschuss-Kolumne über Wirtschaft und Politik
Fossile Energieträger werden uns noch eine Weile begleiten. Aber ihr Einsatz könnte sehr viel schneller zu Ende gehen, als den Unternehmen der Branche lieb ist. Der Druck, umweltfreundlich, sozial und ethisch zu produzieren, kommt dabei vor allem von den Investoren. Sie verlassen mehr und mehr ökologisch und ökonomisch fragwürdige Positionen.
Die deutsche Exportindustrie leidet
34 Länder listet das BAFA, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, unter der Rubrik Embargos auf. Darunter finden sich so ziemlich alle „Schurkenstaaten“, aber auch die Malediven, Simbabwe und Guinea-Bissau. Soweit so schlecht, denn diese Beschränkungen treffen die deutsche Exportindustrie ins Mark. Die Unternehmen müssen prüfen, ob und an wen sie liefern dürfen. Mittlerweile gibt es eine gut funktionierende und ebenso gut bezahlte Embargo-Beratungs-Industrie. Denn die Angst ist groß, gegen eine der geltenden Regeln zu verstoßen. Zu Recht, denn die Strafen können drakonisch sein. Sanktionen, um es beim Namen zu nennen, sind zu einer reflexartigen Reaktion der Politik geworden, um unliebsame politische Entwicklungen in anderen Ländern wirtschaftlich zu bestrafen. Unglücklicherweise ist es den so Gemaßregelten oftmals reichlich egal, dass sie ihr Verhalten ändern sollen. Sie tun es einfach nicht.
Sanktionen sind ein bisschen einfallslos
Damit Sanktionen wirklich Wirkung erzielen, müssten sie von einem Großteil der Länder der Welt beschlossen werden, und neben den eher symbolischen auch spürbare wirtschaftliche Folgen zeitigen. Dazu fehlt den Verfassern offensichtlich der Mut. Positiv gewendet, will man den Delinquenten noch eine Chance geben. Die jüngst von den USA gegen russische Personen verhängten und von der EU angekündigten Maßnahmen machen das deutlich. Trotzdem ließ die russische Antwort nicht lange auf sich warten. Russlands Außenminister stellte sogar die generelle Zusammenarbeit mit dem Westen und der EU in Frage. “Wir wollen uns nicht vom Leben in der Welt isolieren, aber wir müssen darauf vorbereitet sein”, so Sergej Lawrow. Gut gebrüllt Löwe. Aber hätte es nicht eher heißen müssen, wir können uns nicht von der Welt isolieren? Denn die Rechnung für russische Rohstoffe zahlen zu einem großen Teil die Europäer, pünktlich und ohne weitere Forderungen zu stellen.
565 Gigatonnen bis zum Showdown
In der russischen Vorstellung könnte dieses Geschäftsmodell bis in alle Ewigkeit so weitergehen. Von der seit Jahrzehnten propagierten Diversifizierung der Wirtschaft und des Exports ist Russland weit entfernt. Immer noch bestimmt der Ölpreis den Rubelkurs, die Staatsfinanzen und die Verschuldung, ein prosperierender Mittelstand existiert nicht. In den letzten drei Jahren sind von der ohnehin extrem geringen Anzahl mittelständischer Unternehmen knapp 3.000 vom Markt verschwunden. Die russische Steuerbehörde listet gerade einmal 17.687 Unternehmen mit bis zu 250 Angestellten auf. Sie wären die Hoffnung auf eine diversifizierte industrielle und innovative Wirtschaft. Doch schon Tschingis Aitmatov wusste: „И дольше века длится день“ („Und der Tag dauert länger als ein Jahrhundert“). Aber das Ende des Kohlenwasserstoff-Geschäftsmodells ist unausweichlich. Um das 2 Grad Celsius-Ziel noch irgendwie zu erreichen, das nach Ansicht zahlreicher Klimaexperten den Prozess der Erderwärmung noch rückgängig machen könnte, dürfen noch maximal 565 Gigatonnen CO2 ausgestoßen werden. Allein in den bisher weltweit bekannten Lagerstätten finden sich jedoch fast 2.800 Gigatonnen. Und die bilden die Grundlage für die Bewertung der Unternehmen.
Fossile Brennstoffe werden selbst zum Fossil
Will die Menschheit ihre Klimaziele wirklich erreichen, müssten 80 Prozent der Reserven als „Unburnable Carbon“ in der Erde bleiben. Mit extremen direkten Auswirkungen auf die von der Förderung und dem Export abhängigen Volkswirtschaften. Der Wertverfall wird durch den vermehrten weltweiten Einsatz erneuerbarer Energien zusätzlich beschleunigt. Die „Carbon Bubble“ wird also eher früher als später platzen. Institutionelle und private Anleger ziehen schon heute Konsequenzen, in dem sie auf das Divestment aus fossilen Energieunternehmen setzen. Der größte Vermögensverwalter der Welt Blackrock „makes climate change central to its investment strategy for 2021.” Dieser Paradigmenwechsel hat Signalwirkung für die Kunden. Dazu zählen neben Kreditinstituten auch Pensionsfonds, Stiftungen, Versicherungen, Zentralbanken und private Anleger. Die Rockefeller Stiftung hat sich bereits 2014 komplett aus Energieunternehmen zurückgezogen und damit andere Investoren veranlasst, es ihr gleich zu tun.
Investments: Ethisch, sozial, ökologisch
Energieunternehmen haben über viele Jahrzehnte hervorragend verdient und viel investiert. Die Erschließung neuer Lagerstätten wird jedoch zunehmend komplizierter und damit teurer. Die Folge sind Schulden, die nur abgetragen werden können, wenn der Preis für Öl, Gas und Kohle hoch bleibt und sich noch lange genügend Abnehmer dafür finden. Der norwegische „Statens pensjonsfond“, der größte Staatsfonds der Welt, verdankt seine Existenz den Einnahmen aus der Ölförderung in der Nordsee. Was allerdings nicht bedeutet, dass er auch in fossile Energien investiert, auch wenn er noch solche Assets im Portfolio hat. Die Entscheidung, wo investiert wird, folgt seit einiger Zeit auch ethischen, sozialen und ökologischen Regeln. 2015 haben die norwegischen Parlamentarier entschieden, nicht mehr in Bergbau- und Stromkonzerne zu investieren und diese Anteile Stück für Stück zu veräußern. Eine zunehmend größere Rolle spielen auch die Ethikrichtlinien des Fonds, wonach Investitionen in Unternehmen, die Massenvernichtungswaffen herstellen oder die Menschenrechte missachten ausgeschlossen sind.
Soziale und politische Verantwortung der Investoren
Dass ein Staatsfond sich solche Regeln gibt, erscheint logisch, schon um sich nicht unethisches Verhalten vorwerfen lassen zu müssen. Aber der gesamte Finanzmarkt beginnt sich zu verändern und damit das Anlageverhalten. Investitionen in so genannte „schwierige Märkte“ werden in Zukunft deutlich geringer ausfallen oder unmöglich sein. Seit vielen Jahren bekennen sich Unternehmen zu Corporate Social Responsibility. Dazu kommt jetzt die „Political Responsibility“ und damit die verstärkte Prüfung, ob ein Land bzw. dessen Unternehmen noch als Investitionsstandort geeignet sind. Die politische Einflussnahme auf die Unternehmen und die Anleger wird steigen. Für Länder wie Russland, deren wirtschaftliche Prosperität wesentlich von in Staatshand befindlichen Energieunternehmen getragen wird, sind das keine guten Nachrichten.
Der „Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft“ veröffentlicht im Zwei-Wochen-Rhythmus eine Kolumne auf Ostexperte.de.
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