Arbeitsmarkt in Russland: Ist das Tal der Tränen durchschritten?

Es gibt Anzeichen einer Belebung des russischen Arbeitsmarkts

Trotz offiziell geringer Arbeitslosenquote steckt der russische Arbeitsmarkt in der Krise. Auch an den Expats in Russland ist das nicht spurlos vorüber gegangen. Viele verließen das Land. Aktuelle Umfragen geben jedoch Grund zur Hoffnung. 

Ein Gastbeitrag von Christian Tegethoff, Geschäftsführer CT Executive Search


Eine Arbeitslosenquote von 5,3 Prozent – davon können viele Länder in Europa und anderswo in der Welt nur träumen. Aber trotz des geringen Anteils arbeitslos gemeldeter Bürger ist im Zusammenhang mit dem russischen Arbeitsmarkt weiterhin von einer Krise die Rede.

Denn nur ein Teil der Erwerbslosen meldet seinen Status bei den Behörden. Zu bürokratisch sind die damit verbundenen Formalien und zu gering die zu erwartende Arbeitslosenunterstützung, als dass sich alle Jobsuchenden bei den Ämtern melden. Damit ist die tatsächliche Arbeitslosenquote unbekannt, es existieren noch nicht einmal grobe Schätzungen dazu.

Viele Entlassungen in den vergangenen Jahren

Trotz Gegenmaßnahmen der Regierung haben russische und ausländische Unternehmen in den Jahren 2014 und 2015 großflächig Personal freigesetzt. Damals verging fast kein Tag, ohne dass in der Presse von großflächigen Entlassungen oder Kurzarbeit zu lesen gewesen wäre.

Allein die 30 größten Banken haben in der ersten Hälfte des letzten Jahres 35.000 Mitarbeiter entlassen, AvtoVaz („Lada“) hat 2014 jeden fünften Mitarbeiter freigesetzt. Der Telekommunikationskonzern VimpelCom hat noch im Februar dieses Jahres 1,4 Milliarden Rubel für Personalkürzungen und „Änderungen der Organisationsstruktur“ zurückgestellt. Die Gehälter der russischen Arbeitnehmer sind 2015 real um 10 Prozent gesunken.

Abwärtstrend hat auch Expats erwischt

An den in Russland arbeitenden Expatriates ist der Abwärtstrend keineswegs vorbeigegangen – viele hat der Abschwung sogar besonders hart erwischt.

Denn viele Unternehmen haben auf die wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen mit einer Lokalisierung der Arbeitsverträge ihrer ausländischen Mitarbeiter reagiert – das Währungsrisiko in Zeiten eines volatilen Rubelkurses tragen dann die Angestellten.

Auch in der Höhe sind viele Expatriate-Vergütungen, zumindest in Euro gerechnet, deutlich beschnitten worden. Und von vielen ausländischen Managern haben sich die Unternehmen über Auflösungsvereinbarungen getrennt.

„Meine Firma hat mir eine großzügige Kompensation angeboten, wenn ich einer Vertragsauflösung zustimme“, berichtet ein ehemaliger Finanzdirektor eines internationalen Pharmakonzerns. Nach neunmonatiger intensiver Suche hat der Franzose schließlich einen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben – als Finanzdirektor bei einem internationalen Konsumgüterhersteller, allerdings ist der neue Vertrag in Rubel dotiert.

Expat-Exodus?

Genaue Zahlen zum Expatriate-Exodus gibt es zwar nicht, einen Eindruck vom Ausmaß liefert aber eine vielzitierte Statistik des (damals noch existenten) Föderalen Migrationsdienstes.

Demnach ist die Zahl der in Russland befindlichen Deutschen im Laufe des Jahres 2014 um über 100.000 gesunken, das entspricht einem Rückgang um etwa ein Drittel. Die Statistik unterscheidet allerdings nicht zwischen Expatriates im engeren Sinn und anderen Gruppen von Ausländern. Die in Russland tätigen Personalberatungen sind aber in den letzten zwei Jahren von einer Vielzahl von Expatriates angesprochen worden, die in ihre Heimat zurückkehren oder sich innerhalb Russlands beruflich neu orientieren wollten.

Letzteres war und ist nicht leicht in Zeiten, in denen „westliche“ Unternehmen den russischen Markt weiterhin zurückhaltend betrachten. Trotz Sonderwirtschaftszonen und Steuervergünstigungen: bislang haben sich nur einzelne europäische Unternehmen zum Aufbau neuer Produktionsstandorte in Russland entschlossen, um von den Vorteilen des Siegels „Made in Russia“ zu profitieren.

Der langfristige Trend zur Beschäftigung von Expatriates ist in Russland schon lange rückläufig.

Haben die Firmen in den 1990er Jahren zum Aufbau ihres Russlandgeschäfts hauptsächlich auf entsendetes Führungspersonal gesetzt, so werden seit Anfang der 2000er Jahre leitende Positionen zunehmend mit Russen besetzt. Das Land verfügt heute über ein breites Reservoir an Managern, die gut in „westlichen“ Unternehmensstrukturen zurechtkommen.

Anzeichen einer Belebung des russischen Arbeitsmarkts

Vielleicht werden aber auch die Expats von einer Belebung des Arbeitsmarktes profitieren, für die es zarte Anzeichen gibt. Nach einer im Mai publizierten Umfrage des „Russian Public Opinion Research Center“ (WZIOM) haben immerhin fast ein Viertel der befragten Jobsuchenden angegeben, dass ihnen das Finden einer adäquaten neuen Arbeitsstelle „praktisch keine Mühe“ mache.

Ein weiteres Drittel äußerte sich zuversichtlich, „mit etwas Aufwand“ eine Stelle finden zu können, die nicht schlechter als die aktuelle bezahlt werde. Das Institut rechnet mit keinen weiteren Entlassungswellen.

Das sind dann auch für die in Russland lebenden Ausländer gute Nachrichten.


Der Gastautor:

CT Executive Search

Christian Tegethoff 

ist Geschäftsführer von CT Executive Search. CT Executive Search ist eine Personalberatung mit Sitz in Moskau.

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Foto von Simon Schütt

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