Tschechien wählt

In Tschechien haben die Parlamentswahlen begonnen

Heute ist es so weit, Tschechien beginnt ein neues Parlament zu wählen. Trotz peinlicher Zwischenfälle für den amtierenden Regierungschef Andrej Babis im Wahlkampf – seine populistische Partei ANO wird wahrscheinlich wieder die stärkste Kraft.

Zwar kündigte Andrej Babis an, die Politik verlassen zu wollen, wenn seine Partei die Wahl verliert. Doch scheint diese Gefahr sich im Rahmen zu halten. Die Wahltrends vom letzten Sonntag rechneten mit 28 Prozentpunkten für die ANO, damit lägen die Populisten deutlich vor der konservativen Partei SPOLU (21%, Tendenz sinkend) und den mitte-links Piráti, den Piraten (20%). Deren Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten scheint Babis härtester Konkurrent zu sein: Ivan Bartoš. Der erst 41-jährige machte in den letzten Wahlkampftagen immer wieder deutlich: die Regierung Babis soll ein Ende haben.

Viele Tschechen dürften den selben Wunsch haben, die Enthüllungen um den Regierungschef Babis im Rahmen der Pandora-Papers hinterließen bei der Wählerschaft Spuren – seine Glaubwürdigkeit sank. Ein internationales investigatives Journalistennetzwerk hatte aufgedeckt, dass auch Babis an illegalen Geschäften beteiligt gewesen sein könnte. So soll er 2009 für mehrere Millionen Euro in Südfrankreich Immobilien gekauft haben – die Transaktion sei über ausländische Briefkastenfirmen getätigt worden. Kritiker stellen hier die Begriffe Steuerhinterziehung und Geldwäsche in den Raum. Die Vorwürfe wies Babis zurück, er habe „nichts gestohlen, die Gelder waren versteuert“. Für Babis ist es dabei nicht die erste Finanz-Affäre, gegen den Regierungschef wird auch wegen des Erschleichens von EU-Leistungen ermittelt. Wie sehr das Thema die Wahlen tatsächlich beeinflusst, bleibt abzuwarten. Die tschechische Zeitung „Sme“ verweist auf Einschätzungen von Politologinnen, welche keinen großen Einfluss auf den Wahlausgang vermuten: „Weil sein Wählerpotenzial fast ausschließlich aus solchen Kernwählern besteht, die ihm seine 25 bis 27 Prozent Stimmenanteil selbst dann garantieren würden, wenn er vor laufenden Kameras stehlen oder jemanden umbringen würde.“

Der Ausgang der Parlamentswahlen dürfte europaweit aufmerksam verfolgt werden. Denn er entscheidet auch darüber, wer das Land während der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2022 lenken wird.

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