In Präsenzform, Bitte: Worum geht es beim neuen russischen Gesetz für IT-Firmen?

Was seit Juli für ausländische IT-Unternehmen in Russland gilt

Eine kleine Unterschrift mit großer Reichweite: klingt treffend für die meisten Gesetzes-Unterzeichnungen, passt beim neuen russischen IT-Gesetz aber besonders gut. Seit Juli gibt es in Russland neue Anforderungen für ausländische IT-Unternehmen: Pflicht sind bald Informationen und Werbung in russischer Sprache, und eine Niederlassung in Russland. Ein nüchterner Blick auf die wichtigsten Änderungen – und wie sich Unternehmen am besten darauf einstellen.

Präsident Wladimir Putin unterzeichnete den Gesetzestext am 1. Juli, ab 2022 müssen sich ausländische IT-Firmen, die in Russland aktiv sind, auf grundlegende Änderungen gefasst machen. Deutschsprachige Medien beleuchteten insbesondere die politischen Auswirkungen der neuen Regelung – aber worum geht es dabei eigentlich genau?

Worum geht es?

Die neue Regelung betrifft insbesondere große internationale IT-Unternehmen; ein Kriterium ist zum Beispiel die Zahl russischer Nutzer, die eine Seite oder einen Dienst des Unternehmens nutzen – es müssen mindestens 500.000 am Tag sein. Der russische Staat will damit eine bessere Kontrolle über die Tätigkeiten ausländischer Wirtschaftsakteure haben, und möchte auch einen physischen Zugang zu den mächtigen IT-Unternehmen herstellen.

Alle Unternehmen, die unter das Gesetz fallen, müssen die folgenden drei Punkte umsetzen:

  • eine Niederlassung in Russland gründen – dies kann auch eine Repräsentanz oder Tochtergesellschaft sein – die befugt ist, die Interessen des Unternehmens vor Gericht zu vertreten und für bestimmte Handlungen im Namen des Unternehmens verantwortlich zu sein.
  • sicherstellen, dass auf der Website des Unternehmens ein elektronisches Formular für Anträge und Forderungen russischer Nutzer zur Verfügung steht.
  • ein “persönliches Konto” auf der Website von der russischen Medien-Aufsichtsbehörde Roskomnadsor einrichten.

Wer ist von dem Gesetz betroffen?

Die neuen Anforderungen des Gesetzes gelten für ausländische IT-Unternehmen, die Eigentümer von Webseiten, Informationssystemen oder Online-Software sind – und täglich mehr als 500.000 russische Nutzer haben. Außerdem müssen folgende Kriterien erfüllt sein, damit das Gesetz Anwendung findet:

  • die Informationen auf der Website sind in Russisch oder in anderen Sprachen der Regionen und Volksgruppen Russlands verfasst.
  • die Website enthält gezielte Werbung, die sich an russische Nutzer richtet.
  • das Unternehmen verarbeitet personenbezogene Daten von russischen Nutzern.
  • das Unternehmen nimmt Zahlungen von russischen Unternehmen oder Einzelpersonen entgegen.

Darüber hinaus gilt das Gesetz auch für einige andere ausländische Unternehmen, wie zum Beispiel Hosting-Anbieter, wenn sich die Nutzer der Website in Russland befinden, und Unternehmen, die eine Website oder Software betreiben, um bei russischen Nutzern zu werben, oder die Nachrichtenübermittlung zwischen den Nutzern ermöglichen.

Die Hauptadressaten sind also Facebook, Google und Co. Doch auch kleinere Unternehmen wie Streaming-Anbieter oder Werbeplattformen könnten davon betroffen sein. Wer genau in den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt, entscheidet die Aufsichtsbehörde Roskomnadsor.

Die Anforderungen des Gesetzes gelten für ausländische IT-Unternehmen ab dem Tag, an dem sie in die Liste der ausländischen Unternehmen aufgenommen werden, die im Hoheitsgebiet der Russischen Föderation über das Internet tätig sind (Nachzulesen auf der Interseite von Roskomnadsor).

Was passiert bei Nichteinhaltung des Gesetzes?

Für die Nichteinhaltung der neuen Regelung hat sich der russische Staat drastische Konsequenzen überlegt: Sanktionen, die gegen ausländische IT-Unternehmen verhängt werden können, wenn Sie rechtswidrig handeln. Dazu gehören die Folgenden:

  • Die russischen Nutzer werden darüber informiert, dass das Unternehmen gegen russisches Recht verstoßen hat.
  • die Werbung für das Unternehmen und seine Website wird verboten.
  • Zahlungen an das Unternehmen werden eingeschränkt.
  • die Erhebung und grenzüberschreitende Übermittlung personenbezogener Daten wird untersagt.
  • die Ergebnisse von Suchmaschinen werden eingeschränkt, um die Website des Unternehmens zu entfernen.
  • die Website des Unternehmens wird verlangsamt oder der Zugang zu ihr kann vollständig blockiert werden.

Wann gelten die neuen Regeln?

Das Gesetz ist am 1. Juli 2021 in Kraft getreten. Die Verpflichtung zur Gründung einer Zweigniederlassung, einer Repräsentanz oder einer russischen Tochtergesellschaft wird jedoch erst am 1. Januar 2022 in Kraft treten. Bis dahin haben Unternehmen Zeit, sich auf die neuen Bestimmungen einzustellen.

Auswirkungen auf die Steuer – und Handlungsoptionen

Das Gesetz kann sich außerdem auf die Mehrwertsteuer und andere Steuerpflichten der ausländischen Unternehmen in Russland auswirken:

  • Die Gründung einer Zweigstelle, Repräsentanz oder Tochtergesellschaft in Russland kann die russischen Steuerpflichten ausländischer IT-Unternehmen in Russland ändern: so sollte ein ausländisches IT-Unternehmen, das über seine Zweigniederlassung in Russland elektronische Dienstleistungen erbringt, weder die vereinfachte Mehrwertsteuerregistrierung vornehmen, noch die Sonderregeln für die Zahlung und Meldung der Mehrwertsteuer auf e-Dienstleistungen. Darüber hinaus können sich die Aktivitäten einer Zweigniederlassung oder einer Repräsentanz auswirken auf die Körperschaftssteuer, die persönliche Einkommenssteuer und andere Steuerpflichten des ausländischen IT-Unternehmens.
  • Das Gesetz sieht zwar Sanktionen für die Nichteinhaltung vor – das Steuerrecht wird jedoch nicht ausdrücklich erwähnt. Sollte es also zu einem Verstoß gegen das russische Steuerrecht kommen, würden ausländische IT-Unternehmen eher mit den Sanktionen des russischen Steuerrechts als mit den in diesem Gesetz festgelegten Maßnahmen konfrontiert. Allerdings könnten die russischen Steuerbehörden versuchen, ausländische IT-Unternehmen mit Hilfe des Gesetzes zur Einhaltung des russischen Steuerrechts zu zwingen.

Deshalb besonders wichtig: überwachen, wie die Auslegung und Anwendung der neuen Regelung durch alle zuständigen Behörden in den kommenden Jahren umgesetzt wird.

Die Unternehmensberatung KPMG empfiehlt ausländischen IT-Unternehmen, auf der Roskomnadsor-Webseite zu überprüfen, ob sie auf der Liste der ausländischen Unternehmen stehen, die auf dem Gebiet der Russischen Föderation über das Internet tätig sind.

Experten raten Unternehmen dazu, die Auswirkungen des Gesetzes auf die Steuerpflichten in Russland zu analysieren: Welche Voraussetzungen müssen für die Besteuerung elektronischer Dienstleistungen erfüllt sein? Ist das Unternehmen korrekt für die Mehrwertsteuer registriert – oder gar nicht Mehrwertsteuerpflichtig? Wie kann eine Zweigniederlassung eröffnet werden, wie ein Tochterunternehmen gegründet werden? Welche Herausforderungen bringt dies mit sich – und welche Chancen?

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