Vor knapp 100 Jahren wurde Michail Kalaschnikow geboren
Sein Name wurde zum Markenzeichen. Mit dem Sturmgewehr AK-47 hat Michail Kalaschnikow eine der bekanntesten Waffen der Welt geschaffen – und eines der bekanntesten russischen Exportprodukte. Ein Porträt.
Von Jiří Hönes
Die Idee, ein Sturmgewehr zu entwickeln, hatte Michail Timofejewitsch Kalaschnikow, als er im Herbst 1941 im Lazarett lag. Der junge Panzerkommandeur war bei einem Gefecht in der Nähe von Brjansk schwer an der Schulter verwundet worden. Seine langwierige Genesungszeit nutze der technisch interessierte Soldat für Studien und angeregte Diskussionen mit anderen Verwundeten.
Immer wieder kam dabei der Mangel an automatischen Waffen in der Sowjetarmee zur Sprache. Kalaschnikow schrieb später: „Ich dachte darüber nach, wachte nachts auf und versuchte mir vorzustellen: Was für ein Sturmgewehr würde ich bauen?“ Er fertigte Skizzen und Zeichnungen, beriet sich mit Kameraden, las Fachliteratur in der Krankenhausbibliothek.
Nach seiner Entlassung kehrte er zur vollständigen Genesung in sein Heimatdorf Kurja im Altai zurück. Dort war er am 10. November 1919 als siebzehntes Kind einer Bauernfamilie geboren worden. 1930 wurden sie im Zuge der Entkulakisierung in die Region Tomsk verbannt. Michail konnte jedoch in seine Heimat zurückkehren und arbeitete nach der Schule als Sekretär bei der Eisenbahn. Im Kontakt mit den Maschinisten und Schlossern wuchs sein Interesse an Technik.
„Ich war selbst ein einfacher Soldat gewesen“
Erste Erfahrungen als Konstrukteur machte Kalaschnikow beim Wehrdienst, den er ab 1938 ableistete. In seinen autobiografischen Notizen hob er hervor, dass sein damaliger Kompanieführer sein Talent erkannt hatte und ihm die Möglichkeit gab, an seinen Ideen zu arbeiten.
Nachdem er von seiner Verwundung genesen war, arbeitete er an verschiedenen Instituten an der Entwicklung seines Sturmgewehrs. 1947 lernte er dabei seine zukünftige Frau Jekaterina Moisejewa kennen, eine Zeichnerin. Im Rahmen eines Wettbewerbs konnte sich seine Konstruktion durchsetzen und er wurde 1948 nach Ischewsk beordert, um dort die Fertigung einer ersten Probeserie seiner Entwicklung zu begleiten.
Es war die Geburt des „Automat Kalaschnikow 47“, weltweit bekannt als AK-47. Schon 1949 wurde es in die Bewaffnung der Roten Armee aufgenommen. In Ischewsk arbeitete er kontinuierlich an Weiterentwicklungen seines Sturmgewehrs. In einem Interview mit der Zeitung „Metro Moskau“ sagte er später, das AK-47 sei von einem Soldaten für Soldaten entwickelt worden: „Ich war selbst ein einfacher Soldat gewesen und kannte die Schwierigkeiten des Soldatenlebens.“ Immer wieder besuchte er militärische Einheiten und nutzte ihr Feedback zur Optimierung der Waffe. Resultat waren Nachfolger wie das AK-74.
Mit – inklusive Weiterentwicklungen und Nachbauten – bis zu 100 Millionen Exemplaren ist die Kalaschnikow das meistgebaute Sturmgewehr der Welt und gleichzeitig eine der bekanntesten Waffen überhaupt. Sie hielt Einzug in die Popkultur und ist sogar auf der Flagge von Mosambik zu sehen. Fast 60 Staaten statteten ihre Armeen damit aus. Wegen seiner Robustheit ist das Gewehr bei Rebellengruppen beliebt und kommt in zahlreichen Krisengebieten zum Einsatz. Durch keine andere Schusswaffe starben mehr Menschen.
„Eine Waffe schießt nicht von alleine“
Kalaschnikow sah sich hier nur bedingt in der moralischen Verantwortung. „Ich habe Waffen geschaffen, um mein Land zu verteidigen“, sagte er in einem Interview. Wenn jetzt die AK-47 in Krisengebiete gerate, dann läge das in der Verantwortung der Politik und nicht der Waffenbauer. „Eine Waffe schießt nicht von alleine, das tut immer ein Mensch.“ Dennoch schmerze es ihn, wenn Unschuldige durch seine Waffe zu Schaden kämen.
Kalaschnikow lebte bis zu seinem Tod im Jahr 2013 verhältnismäßig bescheiden. Er sagte einmal, er brauche keinen Reichtum, das Kostbarste für ihn sei, wenn jemand zu ihm sage: „Ihre Waffe hat mein Leben gerettet!“ In Russland steht der „Automat“, wie man das Gewehr hier kurz nennt, für den Patriotismus. Zum 100. Geburtstag ihres Konstrukteurs wurde das Kalaschnikow-Museum in Ischewsk renoviert und öffnet am 10. November seine Pforten.
Das Kultusministerium empfahl, an diesem Tag eine „allrussische Themenstunde“ durchzuführen. Man könne etwa ein AK auseinander- und wieder zusammenbauen oder seine Eigenschaften mit denen des amerikanischen Konkurrenzprodukts M-16 vergleichen. In geisteswissenschaftlichen Klassen könne man ja Kalaschnikows Schriften und Interviews lesen.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Moskauer Deutschen Zeitung.
^*^