Ost-Ausschuss-Kolumne über Wirtschaft und Politik
Der „Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft“ veröffentlicht im Zwei-Wochen-Rhythmus eine Kolumne auf Ostexperte.de. Heute wirft Autor Jens Böhlmann einen Blick auf verschiedene Energiepolitik, Gasimporte – und deren Preis.
Deutschland auf Platz zwei in der Welt
Die Deutschen zahlen die höchsten Strompreise in Europa und liegen in der Welt auf Platz zwei. Denn die nicht durch Erzeugung, Transport und Verteilung entstehenden Kosten betragen mittlerweile mehr als die Hälfte des Strompreises. Und das sorgt zunehmend für Unmut, bei der Bevölkerung und den Unternehmen. Für energieintensive Industrien und Unternehmen gibt es jedoch zahlreiche Ausnahmeregeln, aber das gilt in nahezu allen Industrieländern. Zu den besonders energieintensiven Branchen zählen die Chemie-, Papier-, Stahl-, Aluminium-, Kupfer- und Textilindustrie. In Deutschland machen sie etwa 70 Prozent des Energieverbrauchs im verarbeitenden Gewerbe aus. Um international wettbewerbsfähig zu sein, wird deshalb vor allem in diesen Bereichen ein eindrucksvolles Instrumentarium an Subventionen eingesetzt. Sind die Mittel der Wahl in Europa noch einigermaßen durchschaubar, herrscht in den asiatischen Volkswirtschaften eher Intransparenz.
Mittelgroße Unternehmen besonders stark belastet
Für mittelgroße Unternehmen sind die Preise nach einer Studie des Fraunhofer Instituts und ECOFYS zu den Stromkosten der energieintensiven Industrie in Deutschland am höchsten, und das hat zunehmend stärkere Auswirkungen auf deren weltweite Konkurrenzfähigkeit. Stellt sich die Frage: Woher kommt der Strom, der in Deutschland verbraucht wird? Nach wie vor wird Braunkohle bei der Verstromung eingesetzt. Etwa ein Viertel der inländischen Stromerzeugung basiert auf diesem Energieträger. Aber bis spätestens 2038 soll der Ausstieg geschafft sein. In der Industrie wird Steinkohle eingesetzt, die zu über 85 Prozent importiert werden muss, gleiches gilt für Erdöl, Erdgas und andere Energieträger. In Spitzenzeiten wird aus dem europäischen Verbundnetz auch Strom von anderen europäischen Erzeugern geliefert, beispielsweise Strom aus Kernenergie aus Frankreich. Das alles sorgt dafür, dass Strom immer in ausreichender Menge und zuverlässig zur Verfügung steht. Der Anteil erneuerbarer Energien wächst kontinuierlich, ist aber noch nicht ausreichend, um eine stabile Versorgung zu garantieren. Hinzu kommt, dass 2018 und dieses Jahr sowohl der Bau als auch die Inbetriebnahme von Windkraftanlagen deutlich zurückgegangen sind. Wie also soll man den Bedarf heute und in Zukunft decken?
Erdgas als vernünftige Alternative
Eine Möglichkeit ist der Einsatz von Erdgas. Die Einfuhrpreise für Erdgas sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in den letzten fünfzehn Jahren mal gestiegen und mal gefallen, aber waren im vergangenen und in diesem Jahr deutlich geringer als auf dem Höhepunkt 2012 und 2013. Auch die Preise bei Abgabe an Handel und Gewerbe und die Industrie liegen heute deutlich unter denen von vor sechs, sieben Jahren. Gleiches gilt für die Verbraucherpreise ohne Umlage. Teuer macht Energie eine Unzahl an Steuern, Abgaben, Umlagen.
Der Preis für Beschaffung, Netzentgelt, Vertrieb hat sich indes in den letzten 20 Jahren nach den Zahlen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft fast nicht verändert. Damit der Anteil der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bis 2050 auf 80 Prozent steigen kann, wie es die Bundesregierung plant, sind Alternativen jedoch unabdingbar. Damit ich an dieser Stelle richtig verstanden werde: Kein vernünftiger Mensch kann gegen die Senkung der Emissionen von Treibhausgasen oder die Verringerung des Einsatzes fossiler Brennstoffe sein. Aber solange wir Strom nicht ausschließlich aus erneuerbaren Energien – zu einem bezahlbaren Preis – beziehen können und in einem System leben, in dem Volkswirtschaften im internationalen Wettbewerb stehen, spielen der Preis eines Produktes, die Wettbewerbsfähigkeit und der Erhalt von Arbeitsplätzen eine wesentliche Rolle.
Angebot und Nachfrage
Erdgas für die Bundesrepublik kommt im Wesentlichen aus Russland, Norwegen und den Niederlanden. Einerseits, weil diese Länder zurzeit die günstigsten Lieferbedingungen bieten. Andererseits weil sich die Logistik zur Lieferung bewährt hat. Letztlich entscheiden Preis und Verfügbarkeit darüber, woher man Erdgas bezieht. So wie diese Entscheidung bei jedem anderen Rohstoff auch getroffen wird. Seltene Erden kommen zum überwiegenden Teil aus China. Kobalt, unverzichtbarer Rohstoff für die Handyproduktion aus dem Kongo und Lithium für die Batterien von E-Autos aus der peruanischen und chilenischen Atacama-Wüste. Soweit ist die Frage nach dem Lieferanten eine rein wirtschaftliche, so wie die Frage nach dem Betreiben einer Pipeline – zumindest von Seiten der westeuropäischen Beteiligten – bei Nordstream I eine nach den Kriterien der betriebswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit war. Warum sollten internationale Energiekonzerne ihre Entscheidung für ein Langzeitprojekt und ein enormes finanzielles Engagement von der politischen Großwetterlage abhängig machen? Es geht in erster Linie um eine dauerhaft unternehmerisch tragfähige Lösung. Oder um es mit den Worten eines der Entscheider zu sagen, wenn es schief gehen sollte: „Vorstandsvorsitzender, das war eine schlechte Entscheidung, auf Wiedersehen.“
Sanktionen zum wirtschaftlichen Vorteil
Bleibt die Frage nach der politischen Komponente sowohl der ersten als auch der zweiten Erdgas-Pipeline durch die Ostsee. Wohl kaum ein Energieprojekt ist so intensiv von der Öffentlichkeit und der Politik verfolgt worden wie der Bau dieser beiden Leitungen. Zum heutigen Zeitpunkt haben alle Anrainerstaaten nach intensiver Auseinandersetzung ihre Zustimmung gegeben. Widerstand kommt vor allem aus den USA, die auf die eine oder andere Art und Weise mit Sanktionsandrohungen versucht haben, das Projekt zu verhindern. Das Argument war dabei kein politisches. In den begleitenden Texten steht eindeutig, dass mit der Verhinderung der Pipeline der Absatz amerikanischen Flüssiggases in Europa gefördert werden soll. Und spätestens an dieser Stelle muss man die Frage nach dem Preis stellen – dem wirtschaftlichen und dem politischen. Sie zu beantworten heißt: noch ist Flüssiggas aus den USA nicht konkurrenzfähig. Und wenn man schon politischen Druck ausübt, warum dann nicht abgestimmt mit den Europäern, um größere Effekte zu erzielen?
Wer zahlt den Preis?
Den Preis für teureres Gas würde am Ende der Verbraucher zahlen. Und für die Industrie würde es bedeuten, dass sie entweder noch mehr Subventionen vom Staat fordert, die aus dem Steueraufkommen fließen würden und nicht für andere, im Zweifel wichtigere Projekte, zur Verfügung stehen würde, oder als letzte Konsequenz an anderer Stelle Kosten einsparen würde. Und der einfachste Weg ist immer Mitarbeiter zu entlassen.
^*^