Die russische Mentalität Teil 3 von 3

Im dritten und letzten Teil unserer Serie zur russischen Mentalität gehen wir auf den Umgang der Russen mit Geld ein, ebenso auf ihr Verhältnis zur Gemeinschaft und Wohltätigkeit. Darüber hinaus behandeln wir kurz den Stellenwert der Freundschaft sowie einige russische Lebensgewohnheiten.

Großzügige Verschwender

In Russland schätzt man Gesten der Großzügigkeit und so überrascht man seine Freunde und Gäste gerne mit  Geschenken, die etwas teuerer sind. Sogar wenn sich ein Gastgeber in einer finanziell schwierigen Lage befindet, wird er sich bemühen dafür zu sorgen, dass es seinen Gästen an nichts mangelt.

Natürlich erwarten die Russen die gleiche Großzügigkeit auch von anderen, und ganz wichtig – sie muss aufrichtig sein. Kleinlichkeit und Geiz gelten als schwere Sünden. Die eigenen Ausgaben bei einem Treffen mit Freunden zu zählen oder die Rechnung im Restaurant zu überprüfen, erscheint in Russland als kleinlich. Es ist dagegen üblich, dass jeder zu einem gemeinsamen Gut soviel beiträgt wie er kann. Vor nicht allzu langer Zeit galt es als normal, einem Freund in einer Notlage Geld zu leihen und es nicht zurück zu verlangen.

Mit der starken Kommerzialisierung des Lebens nach dem Ende der Sowjetunion wurden die Menschen in Russland jedoch zunehmend gerissen und kompromisslos. Nach Meinung vieler Russen widerspiegelt dies allerdings nicht die ureigene russische Mentalität: „In unserem Blut liegt der Wunsch zu teilen, sowie der, Unterstützung von anderen zu erhalten.“ Wer, wenn nicht die Russen, wisse am besten, dass Reichtum und Wohlstand die unbeständigsten Dinge auf der Welt seien, heißt es oft. Wie gewonnenso zerronnen – so ein russisches Sprichwort, das häufig im Zusammenhang mit Geld und Reichtum fällt. Die Redensart „gebe, spende und Gott wird dir senden“, zeugt ebenso von der in Russland als Norm weit verbreiteten Wohltätigkeit.

Der russische Kollektivismus, auf dem diese Vorstellungen zum großen Teil beruhen, ist wesentlich mehr als ein Überbleibsel aus der Zeit der Sowjetunion. Seine Wurzeln gehen auf die altrussische kommunale Lebensweise und die orthodoxen moralischen Prinzipien zurück. Die Bereitschaft, zusammen mit anderen für das gemeine Wohl zu arbeiten, seine Habe zu teilen und sich auf die Hilfe der anderen zu verlassen, spricht von der innigen Verbundenheit der Russen mit ihren Mitmenschen. Dies spiegelt sich auch in der russischen Sprache wieder: Viele Ausdrücke, die eine nahe Verwandschaftsbeziehung bezeichnen, wie Söhnchen, Mütterchen, Großvater, Großmutter, Väterchen, Tochter, Schwester, etc. können ebenso zur Ansprache Fremder benutzt werden.

„Freunde sind über Silber und Gold.“

In Russland gilt dieses Prinzip uneingeschränkt. Die persönlichen Beziehungen spielen hier eine größere Rolle als der soziale Status oder das Bankkonto einer Person. Die Kehrseite dieser Medaille ist, dass der Erfolg eines Menschen in Russland oft von Seilschaften abhängt und nicht so sehr von dessen Begabung oder Qualifikation. Allerdings ist dieses falsche Verständnis gegenseitiger Unterstützung mittlerweile rückläufig, ebenso wie das Gefühl der Kameradschaft. Dennoch ist es unter Studenten und Arbeitskollegen in Russland weiterhin üblich, einander zu helfen als miteinander zu konkurrieren, wie in westlichen Ländern.

„Was für den Russen gut ist, ist für den Deutschen der Tod“ (und umgekehrt)

So lautet ein weiteres Sprichwort. Russland strebt heute immer stärker nach westlichen und europäischen Standards, hin in Richtung Stabilität und einem Leben auf Kredit, das zwar ganz angenehm ist, aber zugleich bindet. Auch wenn es vielleicht niemals so stabil sein wird, wie im Westen. Von zusätzlicher Stabilität, die an Routine grenzt, fühlen sich Russen schnell eingeengt. Ruhig und geordnet zu leben und zu arbeiten, frei von Abwechslung und jeglicher Unsicherheit, wie es einem Europäer angenehm erscheint, würde einen Russen in die Depression treiben. Auf absehbare Zeit kann von einer solchen Gefahr jedoch ohnehin keine Rede sein, weil die Menschen in Russland immer irgendwelche Wirrungen finden, in denen sie ihren über Jahrhunderte ausgebildeten Einfallsreichtum unter Beweis stellen können.