Doing Business in Russia – Einblicke in die russische Mentalität und die Moskauer Staus

Ein Hochschulstudium allein reicht heutzutage kaum aus, um einen begehrten Platz bei den großen Unternehmen zu ergattern: „Mindestens 4-monatiger Auslandsaufenthalt“; „Auslandserfahrung wünschenswert“; „Interkulturelle Kompetenz“, so oder so ähnlich findet man es in den Stellenprofilen der Globalplayer, wie beispielsweise Volkswagen. „Du musst ins Ausland“; „Das Auslandssemester war die tollste Erfahrung“; „Mein Praktikum in China werde ich niemals vergessen“, diese und ähnliche Sätze habe ich bereits sehr oft von Freunden und Kommilitonen gehört.

Programm des DAAD 

Sich für einen begrenzten Zeitraum in einer neuen Umgebung einzuleben und mal aus dem gewohnten Umfeld zu gehen, bringt ein Gefühlschaos aus Spannung, Neugier, Aufregung, aber auch Angst mit sich. All das habe ich bereits letztes Jahr auf dem Weg nach Portugal erlebt. Lissabon wurde mein zweites Zuhause, nachdem ich dort vier Monate studiert, gelebt, gereist und Freundschaften mit Menschen aus der ganzen Welt geschlossen habe. Ein Jahr später befinde ich mich in einer ähnlichen Situation, aber doch anders.

Durch einen Zufall bin ich auf das erstmalig stattfindende Programm des Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD) „Russland in der Praxis“ gestoßen. Deutsche Unternehmen mit einer Niederlassung in Russland stellen dabei Praktikumsplätze zur Verfügung und die Higher School of Economics (HSE) in Moskau führt ein begleitendes Seminar „Doing Business in Russia“ durch. Das Programm hat mich sofort angesprochen, da ich es als Chance gesehen habe, kurz vor dem Abschluss meines Studiums weitere praktische und persönliche Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Das Leben in Moskau konnte ich mir nicht vorstellen. Aber ich wusste, es wird einen Kontrast zu dem mir Bekannten darstellen. Schließlich leben in Moskau zwischen 10 und 25 Millionen Menschen. Das sind die Zahlen, die ich seit meiner Ankunft hier gehört habe. Darüber hinaus zählt Moskau zu den teuersten Städten der Welt. Während der Taxifahrt vom Flughafen zum Wohnheim erlebe ich den berüchtigten Stau („Propka“) auf der Straße und den Zweiten auf dem Weg zur HSE in der Metro während der Stoßzeit. In Moskau arbeiten die meisten von 9 bis 18 Uhr. Zu diesen Zeiten sieht man Menschenmassen, die sich von A nach B schieben. „Wenn man richtig Pech hat, verbringt man bis zu vier oder sogar fünf Stunden im Stau und legt dabei nur wenige Kilometer innerhalb von Moskau zurück“, erzählte mir der Taxifahrer. Des Weiteren sei Moskau gut zum Arbeiten und er würde oft deutsche Fahrgäste haben, die in Moskau hängen geblieben sind. Aber jeder soll sich sein eigenes Bild von Moskau machen.

Einführungsseminar an der Higher School of Economics

Die erste Woche verbrachten wir an der HSE. Dozenten aus den Bereichen Marketing und Human Resources zeigten uns im Crashkurs die Besonderheiten Russlands im Geschäftsleben verbunden mit einer Einführung in die kulturellen Eigenarten. Schließlich würden in den meisten betreuenden Unternehmen sowohl deutsche als auch russische Mitarbeiter arbeiten. Die Stereotypen in unseren Köpfen sollten wir möglichst abschalten, aber dennoch sensibilisiert gegenüber der russischen Mentalität werden. Wir lernten, dass es in Russland noch recht hierarchisch zu gehen würde, dass Zeit nicht so wichtig ist und besonders viel Wert auf den Aufbau von Beziehungen gelegt wird. Darüber hinaus bekamen wir einige Hinweise für den Alltag. So sollten die Männer darauf achten, bei einem gemeinsamen Essen mit einer Frau, für sie zu bezahlen. Das ist in Russland so üblich. Erhält man eine Einladung nach Hause, sollte an ein Gastgeschenk in Form von Blumen oder Pralinen gedacht werden.

Russland in der Praxis

Die ersten Wochen im Unternehmen verflogen wie im Flug. Anders als in meinem vorhergehenden Praktikum in Deutschland spürt man hier ein internationales Flair. Angefangen bei den Mitarbeitern, die aus Russland und aus Deutschland stammen bis hin zu den Geschäftssprachen, die sowohl Deutsch und Russisch als auch Englisch sind. Was das Tagesgeschäft angeht, merke ich kaum Unterschiede zwischen Russland und Deutschland. Aber in der Mittagspause, wenn der gemeinsame Weg in die Kantine angetreten wird, dann kommt die russische Mentalität in uns durch. Wir sprechen russisch, während wir russische Gerichte essen. Gesprochen wird sehr gerne in Russland, denn selbst Gratulationswünsche fallen hier unglaublich lang aus, was wir aus Deutschland in dieser Form nicht kennen. Während in Deutschland mit „Alles Gute bzw. herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag “ gratuliert wird, fallen hier die Glückwünsche deutlich länger aus. Die Glückwünsche umfassen alle Lebensbereiche und ähneln eher Reden und Gedichten.

Nach den ersten Wochen in Moskau kann ich sagen: Es ist eine Großstadt wie jede andere auch. Den großen Menschenandrang erlebt man genauso in Berlin oder London. Die Sicherheitshinweise, an die man sich halten sollte, sind die gleichen, die in jeder größeren Stadt beachtet werden sollten. Und doch hat diese von Menschenmengen und „Propkas“ geprägte Stadt auch seine schönen Seiten, die allemal sehenswert sind. Das kulturelle Angebot von Museen über Theater bis hin zu Ballett und vieles mehr ist kaum in wenigen Tagen zu schaffen. Doch trotz der Hektik, sollte man sich diese wertvolle Zeit nehmen.

 

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