Made in Germany und seine Trittbrettfahrer

Zum Umgang mit falschen deutschen Marken in Russland

Angebliche deutsche Marken in Russland, die kein Deutscher kennt, sind ein bekanntes Phänomen. Sie heißen Thomas Münz, Brauberg, Erich Krause oder Bork und versuchen vom Ruf von “Made in Germany” zu profitieren. Rödl & Partner Moskau hat sich diese sogenannten “Werwolf-Brands” und was deutsche Unternehmen dagegen tun können in einem Gastbeitrag für Ostexperte.de näher angesehen. 

Ein Gastbeitrag von Korbinian Geiger und Dr. Andreas Knaul, Rödl & Partner

Einführung: Wie russische Unternehmer vom Ruf deutscher Qualität profitieren wollen

Die heutige Marke „Made in Germany“ ist ursprünglich eine britische Erfindung. Um sich vor qualitativ minderwertigen Importprodukten zu schützen, wurde in Großbritannien mit dem Merchandise Marks Act 1887 die Pflicht der Herkunftskennzeichnung für Waren eingeführt, welche durch die Kampagne „Buy British“ in den Dreißigerjahren nochmals verschärft wurde und sich im Ergebnis als Werbemaßnahme für deutsche Produkte erwiesen hat.

Die Beliebtheit und Wertschätzung ausländischer Markenartikel, insbesondere deutscher, ist in Russland nach wie vor groß. Zu verdanken ist es der guten Erfahrung der Russen mit deutschen Qualitätsartikeln von Siemens, Miele, Bosch und den bekannten Marken der Automobilhersteller.

Was verbinden Sie jedoch mit den Namen Thomas Münz, Brauberg, Erich Krause, Bork und Kaiser? Alle sind in Deutschland gänzlich unbekannte und in Russland sehr bekannte Marken von russischen Unternehmen, die mit Deutschland faktisch nichts zu tun haben.

Falsche deutsche Marken in Russland
Büroartikel der Marke “Erich Krause” werden als deutsch beworben.

Ebenjene Tatsache, dass deutschen Produkten ein guter Ruf vorauseilt, machen sich auch „findige“ russische Unternehmen zu Nutze, indem sie Marken mit deutsch klingenden Namen erfinden (kreativ) oder gar „deutsche“ Marken mitsamt einer passenden Legende erdichten und eine deutsche Herkunft oder gar Produktion behaupten (dreist). In letztere Kategorie ist beispielsweise der Schreibwarenhersteller Erich Krause einzuordnen. Erich Krause hat in Russland einen hohen Bekanntheitsgrad, die wenigsten wissen aber, dass die Stifte nicht aus Deutschland kommen.

Ebenfalls sehr offensiv verhält sich die Schuhkette Thomas Münz, die mit zahllosen Geschäften in Moskau präsent ist. Schon von außen werden die Geschäfte mit „Salon deutscher Schuhe“ angepriesen (siehe auch Titelbild und dieses Video). Auf der Internetseite gab sich Thomas Münz bis vor einigen Jahren mit erstaunlicher Kreativität eine lange deutsche Tradition, die in das Jahr 1897 reichen sollte. Heute beschränkt man sich auf eine über zwanzigjährige Historie. Die deutsche Sprachversion der Webseite lässt den Leser schmunzeln, und der Verkauf der Schuhe beschränkt sich offensichtlich auf Russland.

Diese Marken haben in Wirtschaftskreisen aufgrund ihrer Herkunftsverschleierung die einprägsame Bezeichnung “Werwolf-Brands” erhalten.

Werwolf-Brands: Nutzen oder Schaden?

Dabei stellt sich natürlich die nicht einfach zu beantwortende Frage, ob Werwolf-Brands denn der Marke Made in Germany schaden oder nutzen. Die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer sieht in den Werwolf-Brands gar „zusätzliche Werbung“.

Angebliche deutsche Marken in Russland
Auch “Gipfel” bewirbt seine Produkte als deutsch, ist in Deutschland aber unbekannt. Auf der deutschsprachigen Website holpert es sprachlich.

Zweifellos ziehen die betreffenden russischen Unternehmen aus der Verwendung pseudodeutscher Marken Nutzen. Aber nutzt dies auch der Marke Made in Germany?

Die Antwort, wie so oft: Es kommt darauf an. Wird mit der Verwendung einer pseudodeutschen Marke suggeriert, das Produkt entspreche auch deutschen Qualitätsstandards, ohne dass dies zutrifft, so dürfte das Vertrauen derjenigen Verbraucher, die das Produkt im Vertrauen auf deutsche Markenqualität gekauft haben, in die Marke Made in Germany insgesamt gelitten haben.

Entspricht das russische Produkt hingegen auch dem üblichen deutschen Standard, so dürfte dies, zumindest für das Prestige der Marke Made in Germany, unschädlich sein, im günstigsten Fall ihr sogar nutzen.

Mögliche Gegenmaßnahmen

Auch in Russland sind unlautere geschäftliche Handlungen nach Artt. 14.1-7 des Gesetzes der Russischen Föderation zum Schutz des Wettbewerbs (WettbG RF) verboten. Dazu gehören auch falsche oder verzerrende Angaben sowie unklare Angaben, die einen Irrtum zum Nachteil des Käufers erregen. Der Katalog in Artt. 14.1-7 WettbG RF ist dabei nicht abschließend. Erfasst sind sämtliche unlautere Handlungen im Wettbewerb.

Falsche deutsche Marken in Russland
Bork darf sich nicht mehr “Bork Germany” nennen.

Der deutschklingende Küchenhersteller Bork hat es seinerzeit übertrieben mit der Deutschtümelei und bewarb seine Produkte ausdrücklich unter der Bezeichnung „Bork Germany“, was damals den Tatbestand Art 14 WettbG a.F. iVm Art. 14.33 OWiG RF erfüllte. Auf eine formelle Beschwerde des französischen Wettbewerbers SEB reagierte die Föderale Antimonopolbehörde und verhängte ein Bußgeld. Nunmehr verlässt sich Bork allein auf den deutschen Klang seines Namens.

Die einfache und effiziente Möglichkeit der Unternehmen, wie in Deutschland mittels kostenpflichtiger Abmahnung und drohender Unterlassungsklage (ggf. Gewährung von Eilrechtsschutz) bei hohen Streitwerten und somit hohen Prozesskosten direkt gegen die unlauter handelnde Konkurrenz vorzugehen, ist in Russland aus prozessrechtlichen und -ökonomischen Gründen für die Gegenpartei nicht in gleicher Weise praktikabel. Wie schon zur Sowjetzeit vertraut man eher den behördlichen Maßnahmen als vor Gericht zu ziehen und ruft die Antimonopolbehörde an.

Auch im Rahmen von Öffentlichkeitsarbeit könnte man bspw. auf Verbandsebene Aufklärungsarbeit über die tatsächliche Herkunft dieser Produkte leisten. Jedoch dürfte es mit angemessenem Aufwand schwierig sein, große Teile der Zielgruppe zu treffen.

Exkurs: Vorsicht vor großer Empörung

Vor einer zu harschen Herangehensweise ist jedoch zu warnen, denn wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Auch bei mit Made in Germany deklarierten Produkten handelt es sich teilweise um ganz oder teilweise außerhalb Deutschlands hergestellte Produkte. Von allzu großer Empörung über die scheinbar deutschen Wettbewerber ist also abzuraten.

Die Europäische Union plant zwar, eine Mindestfertigungstiefe für Produkte mit Angabe ihres Herstellungsortes einzuführen, die deutschen Unternehmen wehren sich aber mit Händen und Füßen dagegen. Als Argumente führen sie bspw. an, dass es dem Verbraucher gar nicht darauf ankomme, wo das Produkt hergestellt worden ist, sondern auf die deutsche Qualität bzw. Qualitätssicherung, das deutsche Konzept und Design oder wo der überwiegende Teil der Wertschöpfung stattgefunden hat.

Vor dem Hintergrund solcher Argumente könnte es also passieren, dass diese gegen die deutschen Unternehmen selbst gerichtet werden.

Handlungsempfehlungen für Inhaber einer echten deutschen Marke

Zunächst ist zu prüfen, ob denn durch den Markenauftritt des russischen Wettbewerbers tatsächlich eigene Unternehmensinteressen beeinträchtigt werden und ob dem Wettbewerber wirklich unlautere Methoden nachgewiesen werden können. Oftmals unterscheiden sich auch bei ähnlichen Produkten die Zielgruppen erheblich. In diesen Fällen empfehlen wir, den russischen Mitbewerber gewähren zu lassen.

Sollte jedoch die pseudodeutsche Marke in einem direkten Konkurrenzverhältnis zur eigenen Marke bestehen, so sollte zunächst die direkte Kommunikation mit dem Wettbewerber gesucht werden mit dem Ziel, eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. Dabei ist zu realisieren, dass allein der deutsche Klang einer Marke noch kein unlauteres Handeln i.S.d. WettbG RF darstellt; es müssen also stets noch weitere Punkte dazukommen.

Bei Erfolglosigkeit direkter Verhandlungen sollte sodann formell Beschwerde bei der russischen Antimonopolbehörde erhoben werden. Wie oben ausgeführt, ist die Beschwerde die praktikabelste Möglichkeit, effizient gegen pseudodeutsche Marken vorzugehen. Daher ist eine professionelle Vorgehensweise von großer Wichtigkeit, insbesondere, wie die Beschwerde erhoben und begründet wurde. Denn Ziel sollte sein, dass der Antimonopolbehörde gar nichts anderes übrig bleibt, als zu handeln.


Gastautor:

Andreas KnaulDr. iur. Andreas Knaul, LL.M., d.i.a.p. (E.N.A.)

Rödl & Partner Moskau
Rechtsanwalt
Managing Partner Russland und Kasachstan

Kontakt


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Titelbild und Bild von Gipfel: Simon Schütt

Erich Krause: Автор: Schekinov Alexey Victorovich – собственная работа, CC BY-SA 3.0,

Bork: Автор: Alkanchik – Фото, CC0 1.0,

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