Osteuropas verlorene Fußballmacht -Könige ohne Krone?
Seit der Gründung des Europapokals der Landesmeister (heute: Champions League) haben Fußball Vereine aus den führenden europäischen Ligen den größten Teil des Kuchens abbekommen – ganze 66 Titel gingen an Klubs aus nur sechs europäischen Ligen, während der Rest Europas lediglich nur drei gewinnen konnte.
Zwei dieser drei Titel gingen allerdings an Teams aus dem ehemaligen Ostblock. Im Laufe der Geschichte haben mehrere Mannschaften aus dem Osten beachtliche Erfolge im europäischen Fußball gefeiert und genießen hohes Ansehen unter Fußballkennern. In diesem Artikel stellen wir einige der besten Mannschaften dieser Region vor und erinnern daran, warum Fußball-Romantiker sich mit einem Lächeln im Gesicht an Teams erinnern, die den europäischen Kontinent eroberten und herausragende Spieler hervorbrachten.
Steaua Bukarest

Erfolge: Champions League Gewinner 1986; Finalist 1989
Das Steaua-Team aus Bukarest, Ende der 1980er Jahre gehört zweifellos nicht nur zu den besten Mannschaften Osteuropas, sondern ganz Europas. Unter der Führung des legendären Emerich Jenei brachte Steaua den ersten Champions League Titel in diesen Teil Europas – durch ein Elfmeterschießen gegen Barcelona. Drei Jahre später erreichten sie erneut das Finale, scheiterten jedoch an einem übermächtigen Milan. Zum aktuellen Zeitpunkt hat Steaua auf europäischer Ebene an Bedeutung verloren stand sogar kurz vor der Insolvenz – dennoch bleibt er eine wichtige Kraft in der rumänischen Liga.
Roter Stern Belgrad

Erfolge: Champions League Gewinner 1991; Weltpokalsieger 1991
Roter Stern Belgrad erzielte einen der sensationellsten Gewinne der Champions League, als der Klub 1991 Olympique Marseille im Finale im Elfmeterschießen bezwang. Um den Triumph als bestes Team Europas zu bestätigen, gewannen sie anschließend auch den Weltpokal. Spieler dieser Generation wie Robert Prosinečki, Siniša Mihajlović und Vladimir Jugović zierten später die großen Bühnen Europas – ein Beleg für die hohe Qualität der Spieler aus dieser Region. Heute dominiert Roter Stern die serbische Liga und ist regelmäßiger Teilnehmer an der Champions League – allerdings ohne größere Erfolge.
Robert Prosinečki – Der Virtuose mit Zigarettenpause
Robert Prosinečki war der Inbegriff des osteuropäischen Spielmachers: technisch brillant, kreativ, unberechenbar. In der legendären Mannschaft von Roter Stern Belgrad, welche 1991 den Europapokal gewann, war er der kreative Kopf. Er glänzte mit seiner Übersicht, seinen Dribblings und genialen Pässen. Schon früh erkannte Real Madrid sein Talent und holte ihn nach Spanien – ein seltener Transfer in einer Zeit, als Spieler aus Jugoslawien noch nicht so oft im Westen landeten.
Prosinečki sagte später über den Champions League Sieg gegen Marseille in 1991:
Sein späterer Karriereverlauf war ungewöhnlich – Verletzungen und sein lockerer Lebensstil (legendär: seine Zigarettenpausen in der Halbzeit) verhinderten eine noch größere Karriere. Doch gerade das macht ihn für viele Fans unvergesslich – ein Genie mit Ecken und Kanten, typisch für eine Ära, in der Fußball noch ungeschliffener war.
Siniša Mihajlović – Der Kämpfer mit dem linken Hammer
Siniša Mihajlović war Teil derselben Roter-Stern-Generation wie Prosinečki, aber ganz anders: hart und kämpferisch, mit einem der gefährlichsten linken Füße Europas. Seine Freistöße waren gefürchtet – bei Lazio Rom stellte er den Rekord für die meisten direkt verwandelten Freistöße in der Serie A auf.
Mihajlović war nicht nur ein exzellenter Verteidiger, sondern auch eine Führungsfigur. Seine Karriere spiegelte die politische und sportliche Komplexität des ehemaligen Jugoslawiens wider – als Serbe spielte er im kroatischen Vukovar, seine Familie war vom Bürgerkrieg betroffen, was ihn zeitlebens prägte.
Später als Trainer war er offen über seine Vergangenheit, seine Kampf mit Leukämie – und seine Liebe zum Fußball, besonders aus seiner Heimat:
„Der Balkan bringt besondere Spieler hervor. Wir spielen nicht nur mit den Füßen, sondern mit dem Herzen.“
Vladimir Jugović – Der unterschätzte Champion
Vladimir Jugović war vielleicht der unscheinbarste Star aus dieser Generation, aber einer der erfolgreichsten. Nach dem Champions League Sieg wechselte er ins Ausland und gewann mit Juventus abermals die Champions League in 1996 – und verwandelte dabei den entscheidenden Elfmeter im Finale gegen Ajax. Er war ein Musterbeispiel für die Vielseitigkeit der Balkan-Spieler: defensiv stark, taktisch klug, technisch sauber. Jugović stand nie im Rampenlicht, war aber für jedes Team unverzichtbar. Seine Karriere in Italien, Spanien und Frankreich ist ein Beispiel dafür, wie osteuropäische Spieler mit Disziplin und Intelligenz auch außerhalb ihrer Heimat brillieren konnten.
Dynamo Kiew

Erfolge: Champions League Teilnehmer 1975 und 1986
Obwohl Dynamo Kiew nie ein Finale der Champions League oder des UEFA-Pokals erreichte, verdient die Mannschaft aus den 1980er Jahren einen Platz auf dieser Liste. Zwei Spieler, die ihre größten Erfolge in diesen Jahren feierten, wurden mit dem Ballon d’Or ausgezeichnet: Oleg Blochin 1975 und Ihor Belanow 1986. In den späten 1990er Jahren hatte Dynamo eine weitere starke Generation mit Spielern wie Sergij Rebrov und Andrij Schewtschenko, die in der Champions League 1999 erst vom FC Bayern gestoppt wurde. Heute ist Dynamo noch immer ein bedeutender Klub in der Ukraine, steht aber im Schatten des großen Rivalen aus Donezk.
Oleg Blochin – Der erste große Star aus dem Osten
Oleg Blochin gewann 1975 als erster Spieler aus Osteuropa den Ballon d’Or – ein historischer Moment. Er war das Gesicht von Dynamo Kiews großer Zeit in den 1970er Jahren und ein Symbol für den sowjetischen Fußball. Mit seiner explosiven Geschwindigkeit, seinem Torriecher und seiner unermüdlichen Arbeit war er ein Ausnahmestürmer.
Blochin spielte seine gesamte Karriere bei Dynamo, da es zu seiner Zeit praktisch unmöglich war, ins westliche Ausland zu wechseln. Später wurde er Nationaltrainer der Ukraine und sagte
„Ich habe in einem anderen System gespielt. Heute wäre ich wahrscheinlich schon mit 20 bei einem Topklub im Westen.“
Seine Karriere zeigt den Unterschied zur heutigen Generation – Talent gab es immer, aber der Weg war früher viel schwieriger.
Andrij Schewtschenko – Der moderne Superstar
Schewtschenko war das Aushängeschild einer neuen Generation: schnell, elegant, eiskalt vor dem Tor. Als Dynamo Kiew in den späten 90ern bis ins Halbfinale der Champions League vordrang, war „Sheva“ der Shooting-Star. Der AC Mailand erkannte früh sein Potenzial und machte ihn zu einem der besten Stürmer der Welt – 2004 wurde er mit dem Ballon d’Or ausgezeichnet.
Er war einer der ersten Stars aus Osteuropa, die im Westen eine Ikone wurden – ein Vorbild für viele, die nach ihm kamen. Seine Karriere bei Milan und Chelsea sowie sein späteres Engagement als Trainer der Ukraine zeigen, wie stark das Erbe von Dynamo Kiew ist.
ZSKA Moskau

Erfolge: UEFA-Pokal 2005
Obwohl Russland viele legendäre Spieler und Teams hervorgebracht hat, sticht das Team von ZSKA Moskau aus dem Jahr 2005 besonders hervor. Mit Spielern wie Ivica Olić, Vagner Love und Torwart Igor Akinfeev wurde Sporting Lissabon im UEFA-Pokal Finale 2005v klar besiegt. Dieses Team legte auch den Grundstein für das erfolgreiche russische Nationalteam bei der EM 2008.
Zenit St. Petersburg

Erfolge: UEFA-Pokal 2008, UEFA-Supercup 2008
Was ZSKA 2005 schaffte, wiederholte Zenit 2008 – und gewann zusätzlich noch den UEFA-Supercup gegen das große Manchester United. Mit Stars wie Andrei Arshavin, Pavel Pogrebnjak und Roman Pawljutschenko gehörte Zenit zu den besten Teams Russlands der letzten Jahrzehnte. Zenit spielt auch heute noch eine wichtige Rolle in der russischen Liga, ist jedoch wegen der UEFA-Sanktionen vom internationalen Fußball ausgeschlossen – ein großer Verlust für den europäischen Fußball.
Andrei Arschawin – Das letzte große Genie aus Russland
Arschawin war der Star in Zenits Erfolgsära 2008 und die prägende Figur beim Sieg gegen Manchester United im UEFA-Supercup. Technisch überragend, mit einer Spielintelligenz und Frechheit, die Fans begeisterte. Sein Auftritt bei der EM 2008, wo Russland überraschend das Halbfinale erreichte, machte ihn international bekannt.
Sein Wechsel zum FC Arsenal war ein Hoffnungsschimmer für russische Spieler in der Premier League, auch wenn seine Karriere später stagnierte. Er selbst sagte:
„Ich habe das Gefühl, dass russische Spieler unterschätzt werden. Wir müssen oft doppelt so viel leisten, um wahrgenommen zu werden.“
Arschawin war einer der letzten, der das osteuropäische Flair auf die westlichen Fußballplätze brachte – danach wurde es ruhiger.
Schachtar Donezk

Erfolge: UEFA-Pokal 2009
Angeführt von Jadson und Luiz Adriano gewann Schachtar 2009 den UEFA-Pokal – der erste große europäische Titel nach Dynamos Erfolgen in den 1980ern. Schachtar dominiert seit Jahren die ukrainische Liga und ist Stammgast in der Champions League. Die Zukunft des Klubs ist aufgrund des Krieges in der Ukraine und der damit verbundenen Unmöglichkeit, in Donezk zu spielen, ungewiss – doch es ist sicher, dass Schachtar auch weiterhin eine wichtige Rolle im ukrainischen und europäischen Fußball spielen wird
Olympiakos Piräus

Erfolge: UEFA Conference League 2024
Es ist erstaunlich, dass der griechische Fußball so viel hervorgebracht hat und dennoch lange auf einen europäischen Titel auf Klubebene warten musste – bis Olympiakos 2024 als erstes griechisches Team die Conference League gewann. Panathinaikos stand zwar schon 1971 im Finale des Europapokals, verlor jedoch gegen Cruyffs Ajax. Olympiakos dominiert seit Jahren die griechische Liga, doch europäische Erfolge blieben lange aus – der Gewinn der Conference League ist daher umso bedeutender.
Brain Drain im östlichen Fußball
Früher verhinderten politische Systeme, wirtschaftliche Einschränkungen und fehlende Netzwerke, dass Talente Osteuropas den Sprung nach Westeuropa schafften. Heute ist das Gegenteil der Fall: Die Strukturen des globalen Fußballs sind auf Scouting und Talent-Export optimiert. Es gibt fünf Hauptgründe:
1. Finanzielle Unterschiede: Selbst mittelgroße Klubs in Deutschland oder Belgien zahlen mehr als Spitzenvereine in Osteuropa. Das ist ein klarer Anreiz für junge Spieler und ihre Familien.
2. Frühe Talentsichtung: Topklubs beobachten osteuropäische Spieler schon mit 14 oder 15 Jahren. Viele wechseln, bevor sie sich im eigenen Land etablieren.
3. Bessere Infrastruktur: Akademien, medizinische Betreuung, Trainingsqualität – der Westen hat mehr zu bieten.
4. Berater und Netzwerke: Agenten und Fußballschulen arbeiten eng mit westlichen Vereinen zusammen. Transfers sind oft schon mit 16 vorbereitet.
5. Instabilität in der Region: In Ländern wie der Ukraine oder Russland ist der Fußball oft politisch, wirtschaftlich oder sicherheitstechnisch unter Druck – ein weiterer Grund für junge Talente, ihr Glück woanders zu suchen.
Der „Brain Drain“ im östlichen Fußball ist real – große Geschichten wie die von Roter Stern oder Dynamo Kiew gibt es heute kaum noch in Osteuropa. Die Spieler dieser Region schreiben meistens Geschichte in anderen Teilen der Welt.
Neue Talente für den Osten?
Trotz allen Talentschwundes in den östlichen Teams, gibt auch Beispiele von Talentzuwachs. So zum Beispiel „Vágner Love“ – Der bunte Stürmer mit dem Herz für Moskau.
Vágner Love war einer der auffälligsten Spieler im Team von ZSKA Moskau, das 2005 den UEFA-Pokal gewann. Der brasilianische Stürmer mit den knallblauen Dreadlocks fiel auf – nicht nur wegen seines Aussehens, sondern auch wegen seiner Torgefahr. In jenem Finaljahr war er einer der Schlüsselspieler und traf im Finale gegen Sporting Lissabon zum 3:1-Endstand.
Was ihn besonders macht, ist, dass er über viele Jahre eine enge Bindung zu ZSKA Moskau hatte – in einer Zeit, in der es für brasilianische Stars eher untypisch war, so lange in Russland zu spielen. Trotz Angeboten aus Top Ligen kehrte er mehrfach nach Moskau zurück, wurde zum Publikumsliebling und zur Legende des Vereins.
„In Russland habe ich mich wie zu Hause gefühlt. Die Fans, die Mannschaft, die Stadt – alles hat gepasst.“
Vágner Love
Er war nie ein Weltstar im klassischen Sinne, aber in Osteuropa war er eine echte Ikone. Seine Karriere führte ihn später noch nach Brasilien, China, in die Türkei und sogar kurz nach Kasachstan – ein echtes Fußball-Globetrotter-Leben. Dieses Beispiel zeigt uns, dass Osteuropa durchaus ein attraktiver Markt für internationale Spieler sein könnte.
Fazit
Viele osteuropäische Klubs könnten als Inspiration für kommende Generationen dienen, doch die hier gelisteten Teams haben diesen Teil der Welt besonders stark repräsentiert. Klar ist auf jeden Fall, dass vor 40 Jahren auf höherem Niveau gespielt wurde als heute – damals waren die Ligen Jugoslawiens und der Sowjetunion wesentlich stärker. Heute verlassen Spieler Osteuropas bereits früh ihre Heimat, um bei den Topklubs Europas Karriere zu machen.
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