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„Über die Kunst, Business und Schauspiel zu verbinden“ – Philipp Rowe im Interview (Teil 2/2)

Im zweiten Teil dieses zweiteiligen Interviews erzählt der Gründer und Herausgeber von Ostexperte, Philipp Bruno Rowe (Филипп Бруно Рове) noch mehr über seine Arbeit als Schauspieler. Er spricht darüber wie Leute auf ihn als deutschen Schauspieler in Russland reagieren, über das deutsch-russische Verhältnis, die Unterschiede zwischen der deutschen und russischen Filmindustrie und was für ihn als Nächstes ansteht.


Wie war deine Erfahrung am Set?

Die Erfahrung am Set war positiv. Warum? Alles war super organisiert. Alle Leute waren super freundlich. Man kommt an, wird mit dem Taxi abgeholt, „Zack“ kommt gleich ein Assistent, der einen in den Wohnwagen bringt. Na klar, dann erstmal Kostüm, Maske und so weiter und so fort. Dann wurde ich ans Set gerufen. Ich war sehr gut vorbereitet, durch die Arbeit mit meiner Schauspiellehrerin. Zur Vorbereitung haben wir, viele Erfahrungen aus meinem eigenen Leben genommen. Zum Beispiel Mitarbeitergespräche oder Bewerbungsgespräche aus meinem Business.

Wir haben das Ganze dann relativ schnell abgedreht. Der Regisseur war zufrieden und am Ende haben alle geklatscht. Das war mein erster Auftritt und gleich „bumm“, eingeschlagen. Ich will mich jetzt nicht zu sehr loben, aber für mich persönlich war es ein großer Erfolg.

Aber eine spezifische Sache ist mir aufgefallen. Es gibt in Russland Leute am Set, die sind fürs Künstlerische verantwortlich und es gibt Leute am Set, die sind dafür verantwortlich, dass das staatliche Budget fließt und nicht gecancelt wird. Und den Unterschied,den merkt man manchmal bei der Arbeit. Als ich meine Szenen gedreht habe, waren in dem Raum mindestens dreißig Menschen. Kennt man ja vom Set, der eine hält die Lampe, der andere hält die Lampe von der Lampe, der andere schleppt das Kabel, der andere macht dies und das. Es ist war großes Filmprojekt, und dann war es normaler Weise mucksmäuschenstill, wenn ich meine Szenen gedreht habe. Ich war komplett konzentriert und fokussiert. Und dann irgendwann quatscht einer dazwischen. Eine, ich sage mal, kleine Unprofessionalität. Gar nicht böse gemeint, aber da merkt man, der ist aus einem ganz bestimmten Grund dabei. Aber gut, mit dem habe ich mich dann auch noch gut unterhalten und er hat mir erzählt, dass seine Oma in Dresden immer Christstollen gekauft hat. Ich denke auch, dass ich natürlich ein bisschen mit Goldhandschuhen angefasst wurde. So in etwa: „jetzt kommt der Deutsche, der einzige Deutsche, der hier OK gesagt hat, mit dem müsst ihr besonders freundlich sein.“

Wir reagieren die Leute auf dich als Deutschen im russischen Film?

Philipp Rowe am Set von ‚Die Rebellen Romanze‘ (Ополченский романс (2024).

Es gibt bestimmt Leute, die sehen Bilder bei Instagram und denken sich: „Der hat im russischen Film gespielt, im russischen Kino gespielt. Der ist in Russland, mit dem will ich nichts mehr zu tun haben.“. Aber das hat sich alle schon bereinigt.

Die deutsche Community in Moskau, ist eine verschworene Gemeinschaft. Wir sitzen alle im gleichen Boot und die finden das alles eigentlich sehr cool. Ich habe dort bisher noch keine negativen Sachen erlebt. Den Russen, denen ich gesteckt habe, dass ich das mache, dass ich da aufgetreten bin. Die haben, nachdem sie das angeschaut haben, hinterher manchmal mit einem Augenzwinkern, so etwas gesagt wie: „Ey mein Freundchen, was hast du da gemacht mit unserem lieben Journalisten?“ Aber so berühmt, dass Leute auf der Straße mich erkennen, und für den bösen Chefredakteur halten, bin ich sowieso noch nicht.

Es gibt manchmal Leute, die fragen so etwas wie: „Wie kannst du überhaupt in Russland sein mit all diesen bösen Sachen die dort passieren?“ „Kann man da überhaupt leben, geht das überhaupt, ist es überhaupt möglich?“ oder, „Wie kannst du das denn vor dir selbst, vor deinem Gewissen verantworten. Wie kann man denn mit Russland Geschäfte machen?

Die Antwort ist eigentlich ganz pragmatisch. Es gibt Gesetze, es gibt Rechte. Was man darf, was man nicht darf. Es gibt Kunstfreiheit, es gibt Meinungsfreiheit, es gibt Reisefreiheit. Was würde es denn bringen, wenn ich sagen würde: „Nein, ich will jetzt nicht mehr in Russland sein, ich mache da jetzt gar nichts mehr.“ Man muss mit den Leuten reden, man muss sich verständigen. Man muss dort sein, um zu sehen, was da los ist. Man muss mit den Leuten reden, um zu wissen, wie die ticken. Auf die Medien können wir uns da nicht verlassen. Wir Schauspieler wissen, dass es im Kinofilm ganz anders ist, als in der Realität. Selbst die Schauspieler sehen ganz anders aus. Die Leute, die auf dem Bildschirm cool, hübsch und toll aussehen, sind in Wirklichkeit vielleicht eher unscheinbar. Manche Leute stellen sich zum Beispiel immer auf ein Treppchen, damit sie größer wirken. Da sind andere Medien ähnlich.

Was viele auch nicht wissen. Was ich selbst erst in Russland gemerkt habe, ist dass die Russen die größten Fans der Deutschen Kultur sind. Sie verehren die deutsche Kultur. Sie sind Literaten. Sie verehren ausländische Schriftsteller und Philosophen. Das wird alles wachgehalten. Immanuel Kant, der Philosoph hat sein ganzes Leben lang in Kaliningrad Königsberg gelebt. Dort ist auch sein Grab. Es gibt da auch ein Schillerdenkmal. Und das Theater ist nach Schiller benannt, ebenso wie die Schillerstraße. Es gibt auch ein Filmprojekt, bei welchen ich im Casting war, in welchen der zentrale Ort das Schillerdenkmal in Königsberg ist. Irgendwelche Leute wollen das im Krieg zerstören. Und dann kommt der tolle russische Offizier und sagt „Nein, das wird nicht zerstört. Schiller ist so ein großer, toller Mann.“ Und so etwas hat man in vielen Filmen irgendwie immer mit drin.

Viele Deutsche haben seit dem Ukraine-Krieg ein negativeres Bild von Russland als davor. Passiert das auch auf Seiten der Russen?

Sicherlich passiert es irgendwie, allerdings in einem weit geringerem Maße als in Deutschland. Das ist meine persönliche Meinung. Und eher bei Leuten, die keinen richtigen Kontakt mit Deutschen oder Ausländern oder keine internationalen Verbindungen haben. Das heißt, vor allem bei Leuten in Gegenden, außerhalb von Moskau, mit denen ich einfach nichts zu tun habe. Mein Background ist internationaler Unternehmensberater. Das heisst, wen treffe ich an Russen? Leute, die im internationalen Business sind. Leute, die auch verschiedene Sprachen sprechen. Dadurch sehe ich natürlich auch immer eine Positivauswahl. Aber es gibt definitiv Unterschiede zwischen Russland und Deutschland. Ein Unterschied ist, die Russen vertrauen ihrer Regierung viel weniger, als die Deutschen ihrer Regierung vertrauen. Die Deutschen brauchen eine ordnende Staatsmacht. „Die wird uns helfen, die wird uns beschützen, die wird dafür sorgen, dass mein Nachbar nicht falsch auf meinem Parkplatz parkt, die wird dafür sorgen, dass mein Nachbar auch den Schnee schippen muss. Und wenn nicht, dann kann ich ihn anzeigen“. Das machen jetzt nicht alle Deutsche, aber das Denken in Deutschland ist so. In Russland ist das ganz anders. In Russland wissen die Russen, dass der Staat sie irgendwie verarscht. Gar nicht unbedingt aktuell, aber über die Jahrhunderte gesehen. Die sind dem Staat gegenüber skeptischer eingestellt. Man muss sich selbst um irgendwas kümmern und man kann sich auf den nicht verlassen. Natürlich spielen da auch Sachen mit rein, wie Untergang der Sowjetunion. Das heißt, auch das Misstrauen gegenüber staatlichen Medien ist von Natur aus größer. Mein Eindruck ist, dass es in Deutschland sehr viele Leute gibt, die wirklich glauben, was im Fernsehen erzählt wird.

Die Russen haben außerdem immer nach Westen geschaut. Die Russen haben immer nach Deutschland geschaut. Russland ist ein Land, welches sehr viel von außen aufnimmt. Kultur, Technik, alles mögliche. Schon immer. Peter der Große ist extra nach Deutschland und nach Holland gefahren, um dort alles mögliche zu lernen. Nicht nur Schiffsbau, sondern auch Verwaltung und Organisation. Danach wurden immer wieder Deutsche nach Russland reingeholt, um die Armee zu führen, das Staatswesen zu führen. Das sind auch alles Sachen, die man nur sieht und lernt, wenn man mal da war. Ich habe ein Jahr lang in St. Petersburg gelebt und studiert. Da kannst du jeden Tag in ein anderes Museum gehen, da sind so viele Museen auf kleinstem Raum und überall siehst du Deutsche. Und dahingehend ist das historische Deutschlandbild der Russen immer positiv gewesen. Das Russlandbild der Deutschen hingegen, so sagen manche Leute, hat sich seit 1945 nicht verändert. „Die Russen sind die Bösen. Pass auf, pass auf. Die Russen sind die Bösen.“ Die Deutschen wissen viel weniger über Russland als die Russen über Deutschland.

Ist denn an dem Russlandbild der Deutschen irgendwas dran?

Naja, also sagen wir mal so, an jeder Sache ist immer ein bisschen was dran. Sicherlich ist Russland in der letzten Zeit strenger geworden. Ich bin kein Politiker, aber wenn wir mal das Bild der Sowjetunion nehmen. Bei den Menschen selbst, ist das Bild natürlich so, dass die Sowjetunion auch ein sehr starkes Land war. Eine Macht die mit allen ihren, sage ich mal, Nachteilen auch von vielen Leuten als positiv wahrgenommen wurde, im Gegensatz zu dem, was danach kam. Während in Deutschland die Wiedervereinigung war, die Zeit des Neuanfangs, des Aufbau, war es in Russland eine sehr schwere Zeit. Leute hatten nichts zu essen und überall Kriminalität. Deutschland hat damals sogar Hilfslieferungen nach Russland gesendet. Dann kam der Aufschwung, als Putin dran kam. Er hat das Land wieder stark gemacht.

Es ist natürlich schwer zu sagen, ob es wieder in die Richtung der Sowjetunion geht. Wie gesagt, wir haben heute sicherlich einige Parallelen. Einige Deutsche sind der Meinung, es wird wieder eine Sowjetunion, aber in Russland hat sich seitdem so viel getan, es kann nicht mehr so werden wie es war. Man muss da auch in Deutschland aufpassen, dass ma nicht mit dem Finger auf die anderen zeigt und dann vergisst, was bei einem selbst los ist. Wie gesagt, ich bin kein Politiker, ich bin nicht jemand, der politische Ratschläge gibt oder der mit seiner politischen Meinung gehört werden will. Aber was ich bin, ist Geschäftsmann und Schauspieler und letztendlich Botschafter zwischen diesen beiden Ländern. Jeder, der zwischen diesen zwei Ländern unterwegs ist, sollte möglichst dazu beitragen, dass es beiden Ländern besser geht.

Was sind deiner Erfahrung nach Unterschiede zwischen der Filmbranche in Russland und in Deutschland?

Also ich kann auch nur aus ein paar persönlichen Erfahrungen berichten. Ich habe in Deutschland nicht so viel gedreht, aber ich habe intensiv mit meiner Schauspiellehrerin gearbeitet, die über sehr große Erfahrung verfügt, was die Szene in Deutschland und anderen Ländern angeht.

Also ein Unterschied ist, dass diese ganzen Sachen wie Casting und Produktion in Russland einfach viel schneller gehen. Ich bekomme abends eine Ansage: „Morgen Casting, Video abgeben, zack.“ so ungefähr. Dann bekomme ich von den Castern Szenen zugesendet, und die haben nicht nachgeschaut, ob ein Schauspieler das überhaupt in der Nacht vorher oder am Tag vorher schnell mal so abdrehen kann. Nur so als Beispiel. Das gibt es in Deutschland vielleicht auch ab und zu, aber dieses Schnelle ist wahrscheinlich in Russland anders.

Deutschland ist gut in der Organisation und Russland ist gut in der Improvisation. Das heißt, die Russen fangen eigentlich immer erst an zu arbeiten, wenn die Zeit ganz knapp ist. Die Filmprojekte, welche ich gesehen habe, waren eigentlich immer sehr gut durchgetaktet. Also da gab es keine Probleme. Da lief alles wie am Schnürchen.

Man merkt auch, dass das Literarische in Russland noch groß geschrieben wird. Die Charaktere sind sehr gut formuliert, sind sehr gut geschrieben, haben einen Tiefgang. Das sind vielleicht einige Unterschiede, aber es gibt sicherlich noch viel mehr Unterschiede, wenn man sich das anschaut, es analysiert. Mehr fallen mir da jetzt nicht.

Kann man deinen Film auch in Deutschland sehen?

Russische Filme sind in Deutschland allgemein relativ rar. Sie werden selten gezeigt und selten gesehen. Es gibt ab und zu mal einen interessanten oder wichtigen Film, der groß in Deutschland gezeigt wird. Der letzte davon, der mir ins Auge fällt, ist „Ночной дозорr“ („der Nachtwächter“).

Die „Rebellen Romanze“ („Ополченский Романс) wurde auf dem russischen Streaming Kanal, „Premiere“ gezeigt. Diesen Kanal konnte ich aus Deutschland leider nicht aufrufen. Auch mit VPN kann man den nicht finden. Er wurde außerdem im russischen Fernsehen, gezeigt. Das kann man aus Deutschland natürlich auch nicht sehen. Irgendwann kommt der mal frei verfügbar auf Yandex, mit einer gewissen Verzögerung natürlich. Yandex ist das russische Google, dort kann man einen Filmtitel eingeben und diesen dann kostenfrei mit Werbung anschauen. So kann man auch versuchen meinen Film zu finden. Ich bin jetzt gar nicht ganz informiert, ob der Film auch anderweitig im Ausland gezeigt wird.

Wie geht es für dich als Schauspieler weiter?

Schauspieler Philipp Bruno Rowe (Филипп Бруно Рове) bei den Dreharbeiten für die Serie "Arsenyev" ("Арсеньев").
Philipp Bruno Rowe (Филипп Бруно Рове) bei den Dreharbeiten für die Serie „Arsenyev“ („Арсеньев“).

Es gibt einige Sachen, die schon abgedreht wurden, und jetzt rauskommen. Einmal die Serie „Arsenyev“ („Арсеньев“). Das ist der Familienname eines russischen Entdeckers. Der Alexander von Humboldt von Russland. In dieser Serie spiele ich den amerikanischen Übersetzer, welcher mit einer hochrangigen amerikanischen Geschäftsdelegation ins zaristische Sankt Petersburg reist. Diese Delegation will Sibirien von Russland kaufen. Das war eine sehr schönes Projekt, wir haben in St. Petersburg, mitten im Stadtzentrum, in so einer riesigen Museumsvilla gedreht. Was kommt noch raus? Da gibt es noch einen Film, da geht es um Spionage zwischen der Sowjetunion und den USA in West Berlin, da bin ich auch dabei, als Stasi-Spion.

Der russische Kinomarkt hat einen Boom erlebt, seit den Sanktionen. Seit kein Hollywood mehr kommt, hat die interne Kinoindustrie natürlich einen Boom erlebt und sich sehr weiterentwickelt. Da wird sehr viel gedreht. Ich mache mit der Schauspielerei also einfach weiter. Bisher bin ich dieser Sache noch nicht müde geworden und man kann von mir erwarten, dass ich weiterhin in Russland drehen werde. Und von den anderen Sachen erzähle ich erst, wenn es soweit ist.


Über den Autor:

Benedict Hösl ist als professioneller Schauspieler in Großbritannien und Deutschland tätig. Er besitzt einen BA (hons) in ‚Acting‘ von der MGA Academy of Performing Arts in Edinburgh, Schottland, (jetzt: The Scottish institute of Theatre, Dance, Film and Television.) und arbeitet als Redakteur für Ostexperte.


Photos by Philipp Rowe

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